«BIM und Di­gi­ta­li­si­e­rung füh­ren zu ­neu­en For­men der Kol­la­bo­ra­ti­on»

Erne Holzbau fungierte als Generalplaner für das DFAB House und als Industriepartner in der Ausführung des Teilprojekts «Spatial Timber Assemblies». Interview mit Thomas Wehrle, Mitglied der Geschäftsleitung.

Publikationsdatum
14-06-2019

TEC21: Herr Wehrle, im Holzbau ist die Digita­lisierung des Bauens weiter fortgeschritten als in vielen anderen Gewerken. Liegt es nur daran, dass der Holzbau schon immer mit Elementbau und Vorfertigung operiert hat? Oder gibt es weitere Gründe?

Thomas Wehrle: Der Holzbau hatte vor rund 35 Jahren das «Glück», den CNC-Abbund aus der Maschinenbautechnologie zu übernehmen. CNC steht für Computerized Numerical Control, übersetzt «rechnergestützte numerische Steuerung». Der maschinelle Zuschnitt hat also den Handzuschnitt abgelöst. Das führte dazu, dass man damals, als die CNC-Technologie aufkam, einen klassischen Sparren mit der Maschine bearbeitet hat und den Plan dafür in den Computer übertragen musste. Dann kam CAD, und der nächste logische Schritt war, dass man mit CAD die CNC-Maschine ansteuern kann. Daraus wurde dann das 3-D-Modell abgeleitet. Die gängigen Holzbau-CAD-Programme sind schon seit über 30 Jahren 3-D-fähig.
Im Holzbau hat man dann schnell erkannt, dass die Daten auch weiter nutzbar sind – um Werkstattzeichnungen herzustellen, Material zu bestellen, Zuschnittlisten zu generieren ... Dazu benötige ich weitere Informationen in diesem 3-D-Modell, wie eine eindeutige Nummerierung. Wenn wir heutzutage von Building Information Modelling BIM sprechen, meinen wir oft ein «Closed-BIM» – ein Holzbau-BIM.

TEC21: Aber 3-D-Architekturprogramme gibt es ja auch schon lang?

Damit wurden meistens nur Massen wie z. B. Laufmeter Wand er­­­mittelt, aber man hat sich nicht aus­­getauscht. Die grosse Krux ist: Der Architekt hat ein 3-D-Modell, der Holzbauunternehmer hat ein 3-D-­Modell, und jeder hat seine eigenen Ansprüche daran. Wenn diese An­sprüche nicht übereinstimmen, ist es auch nicht sinnvoll, die Modelle auszutauschen oder zu kombinieren. Der Architekt muss also wissen, was er mitmodellieren muss, damit es der Holzbauer einfacher hat; im Gegenzug muss der Unternehmer auch formulieren können, was ihm wichtig ist. Das führt wiederum zu der neuen Form der Kollabora­tion, in der sich die verschiedenen Be­teiligten trotz oder gerade wegen BIM und der Digitalisierung zu­sammensetzen müssen, um sich über die Schnittstellen auszutauschen.

TEC21: Müssen dieser Austausch und die Koordination der Schnittstellen zu einem früheren Zeitpunkt stattfinden als vor der Digitalisierung?

Wenn der Architekt einfach mal etwas plant, das für den Unternehmer dann unbrauchbar ist, und dieser lieber sein eigenes Modell erstellt, ergeben sich keine Synergien. Deswegen ist es wichtig, dass man relativ früh zusammensitzt und eben diese Schnittstellen klärt.

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TEC21: Wie sieht es bei der Kompatibilität der Programme aus?

Es gibt zwei Ansätze. Zum einen das Format Industry Foundation Classes (ifc), ein offener Standard im Bauwesen zur digitalen Beschreibung von Gebäudemodellen; es ist ein freies Format, «open source», und kommt hauptsächlich in der DACH-Region zum Einsatz. Es wird aber nicht von allen CAD-Systemen zu 100 % unterstützt. Zum anderen verwendet der Softwareanbieter AutoDesk ein eigenes Format, das hauptsächlich im skandinavischen Raum gebräuchlich ist.

TEC21: Und Erne benutzt beide Programme?

Ja, wir können mit beiden Ansätzen umgehen.

TEC21: Neue Technologien beeinflussen die Formensprache der Architektur. Wie wird sich die Architektur in den kommenden Jahren verändern?

Wahrscheinlich sind es drei Dinge. Erstens wird sich der klassische Planungsprozess ändern, auch wenn er nach wie vor bestehen bleibt. Zweitens wird sich die digitale Planung immer mehr etablieren, wobei der Architekt ein Modell erstellt, das den ganzen Planungs- und Bauprozess durchläuft, bis hin zum Facility Management. Ob diese Daten im Modell selbst gespeichert sind oder in einer Datenbank, ist zunächst nicht so entscheidend. Und drittens wird es vermehrt parametrische Projekte geben, also programmierte Architektur. Dabei ist es sinnvoll, so viele Informationen zu generieren wie möglich, damit man Dinge wie die BIM-Methode, Kollisionsprüfung oder Informationen im Modell schon implementieren und überprüfen kann.

TEC21: Was sind die Folgen für das Berufsbild von Planungsfachleuten aus Architektur und Ingenieurwesen?

Ich würde eher fragen: Wo hilft uns die Digitalisierung? Es wird immer Menschen brauchen, die die Ergebnisse, die der Computer produziert, interpretieren können. Auch eine Parametrik kann falsch programmiert werden. Solche Fehler gilt es zu erkennen, und dafür braucht es Fachpersonal. Was wegfallen wird, ist die klassische Fleissarbeit, die die Maschinen schnell und billig erledigen können. Aus meiner Sicht besteht die Herausforderung darin, das Know-how und die Erfahrung, die man im klassischen Prozess gesammelt hat, neuen Mitarbeitern mitzugeben. Das grundlegende Wissen darf trotz neuer Technologie nicht verloren gehen.
Diese Herausforderung gibt es nicht nur in der Planung, sondern auch in der Ausführung, im Handwerk: Im Holzbau wird der Abbund im Werk nur noch mit der CNC-Fräse erledigt. Trotzdem muss ich einem Lehrling beibringen, wie man einen Sparren von Hand abbindet, wie man die Winkel und Ausschnitte berechnet, von Hand anzeichnet und von Hand zuschneidet. Auf der Baustelle, wenn schnelle Entscheidungen zu fällen sind, benötigt man dieses Wissen.

 

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