Über­ar­bei­tung der BIM-An­wen­dungs­hil­fen

Mit dem SIA-Merkblatt 2051 «Building Information Modelling (BIM) – Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode» hat der SIA im Jahr 2018 ein Hilfsmittel zur Anwendung erarbeitet. Rund sechs Jahre später wird dieses nun dem aktuellen Stand der Praxis und Normierung angepasst.

Publikationsdatum
19-04-2023
Raoul Müller
BIM- und Prozessmanager und Leiter Arbeitsgruppe 3, BK442

Das Thema Building Information Modelling (BIM) war in der Planungsbranche noch wenig bekannt, als sich die SIA-Spurgruppe «BIM» am 27. Oktober 2011 zur ersten Sitzung traf. In der Folge bewilligte die Zentralkommission für Normen (ZN) des SIA den Antrag der Spurgruppe zur Erarbeitung eines Merkblatts und damit die Gründung der zuständigen Kommission 2051, die im Jahr 2014 ihre Tätigkeit aufnahm. Nach dreijähriger Arbeit konnte die Kommission 2051 ihren Entwurf in die Vernehmlassung geben.

Die Rückmeldungen waren zahlreich: 60 Personen und Organisationen reichten über 1000 Kommentare und Vorschläge für Textänderungen ein, die alle bearbeitet werden mussten. Die kritische Auseinandersetzung förderte aber auch das Verständnis für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Verständigung und war damit ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Dokuments. Im Dezember 2017 publizierte der SIA das Merkblatt, das im Folgejahr durch die beiden Dokumentationen D0270 und D0271 sowie die Zusatzvereinbarung SIA 1001/11 ergänzt wurde.

International definierter Informationsaustausch

Bereits während der Erarbeitung des Merkblatts formierten sich die internationalen Aktivitäten rund um die Projektabwicklung mittels digitaler Bauwerksmodelle. Im Jahr 2016 wurde das europäische technische Komitee CEN/TC 442 «Building Information Modelling (BIM)» gegründet, an dem sich der SIA von Beginn an beteiligte und die Entwicklungen der Normierung mitgestaltete. Damit wurden auch erste Inhalte aus den internationalen Aktivitäten in das Merkblatt aufgenommen.

Schnell wurde jedoch klar, dass die zahlreichen internationalen Normierungsaktivitäten mittel- bis langfristig einen grossen Einfluss auf das Schweizer Normenschaffen im Bereich des maschinenlesbaren Informationsaustauschs haben würden. Daher wurde 2017 mit den Industry Foundation Classes (IFC) die erste internationale Norm ins Schweizer Normenwerk übernommen. Es handelte sich dabei um eine umfassende Beschreibung und damit um ein Modell für den maschinenlesbaren Informationsaustausch für das Planungs-, Bau- und Immobilienwesen. Weitere Normen in diesem Bereich folgten und werden folgen, damit die Durchgängigkeit des Informationsmanagements zwischen zwei Maschinen optimiert werden kann. Bei der Umsetzung sind hier vor allem die Softwarepartner gefordert, die entsprechenden Normen in ihre Produkte zu übernehmen und damit dem Mehrwert der Normen, einer einheitlichen Grundlage für effektive Anwendungen, Wirksamkeit zu verleihen.

Ähnliche Grundsätze – unterschiedliche Begriffe

Mit der Anwendung von maschinenlesbaren Informationen verändert sich die Form und Art der Zusammenarbeit, denn die Informationsanforderungen werden nicht mehr nur mittels Planunterlagen und Dokumenten beantwortet. Damit ein effektiverer Informationsaustausch möglich wird, müssen sich die Beteiligten zuerst über jene Informationen einigen, die sie tatsächlich benötigen. Das wäre zwar bereits bei einer papierbasierten Version sinnvoll, ist jedoch nicht zwingend und wird daher in der Praxis oft weggelassen. Dass die Strukturierung des Planungsprozesses und der Informationsanforderungen nötig ist, wurde denn auch bereits unabhängig von den internationalen Normierungsaktivitäten im SIA-Merkblatt 2051 konzeptionell beschrieben. Die Grundlagen dazu stammen im Wesentlichen aus dem Projektmanagement und dem Systems Engineering. Mit der Erarbeitung der EN ISO 19650-1 Organisation von Daten zu Bauwerken – Informationsmanagement mit BIM – Teil 1: Konzepte und Grundsätze entstand ein adäquates Produkt auf internationaler Ebene, das ähnliche Konzepte beschreibt.

Warum Wegleitungen

Normen sind per se als allgemeine Verständigung zu verstehen und damit in der Regel abstrakt und nicht immer direkt anwendbar. Eine Eigenheit der SN EN ISO 19650-Normenreihe ist zudem, dass die ­Erarbeitung der Normen erfolgt, ­bevor langjährige Praxiserfahrung vorhanden ist, was zu einer noch grösseren Abstraktheit führt. Der SIA ist bestrebt, die Branche bei der Anwendung der Normen zu unterstützen und publiziert daher seit Jahren Dokumentationen und Wegleitungen. Dies mit dem Ziel, die Zugänglichkeit zu den normativen Grundlagen zu erleichtern und damit in der Praxisanwendung Sicherheit zu schaffen. Mit dem SIA-Merkblatt 2051 besteht ein praxisnahes Dokument, das in der Branche auf breite Akzeptanz gestossen ist. Weiter schaffen die internationalen Normen eine wesentliche normative Grundlage, die in der Schweiz zur Anwendung kommt. Da die internationalen Normen üblicherweise in der Interpretation und damit in der Anwendung um einiges anspruchsvoller sind als nationale Normen, erfüllen die geplanten Wegleitungen zwei Aufgaben: Erstens werden die Praxiserfahrungen aus den letzten Jahren aufgearbeitet und zweitens werden die Konzepte, Begriffe und Definitionen aus den internationalen Normen praxisnah erläutert. Denn für die erfolgreiche Umsetzung der SN EN ISO 19650-Normenreihe ist eine länderspezifische Anleitung zur Umsetzung für Projekte unterschied­licher Komplexität notwendig.

Wo steht der Markt?

Die Anwendung und damit die Durchdringung des Merkblatts in der Praxis ist unter anderem von der Praxistauglichkeit und damit von der Anwendung der normativen Grundlagen abhängig. Mit der geplanten Überarbeitung der be­stehenden Arbeitshilfen will man daher nicht nur ein «Update» der Begrifflichkeiten in den vorhandenen Dokumenten und Vorlagen vornehmen. Es geht vor allem auch darum, herauszufinden, wie hilfreich die bestehenden Unterlagen in der Praxis waren. Das Ziel ist dabei, Bewährtes zu erhalten und zu überführen und da Neues zu schaffen, wo Lücken bestehen. Die entsprechende Umfrage erfolgte zwischen Dezember 2022 und Ende Januar 2023 und wurde in den einschlägigen Medien publiziert. Insgesamt 665 Personen, 464 in Deutsch und 201 in Französisch, nahmen an der Umfrage teil. Die Rückmeldungen wurden durch die Kommission ausgewertet und mit den folgenden wesentlichen Erkenntnissen interpretiert:

Das Merkblatt und die Dokumentationen werden teils als zu abstrakt und theoretisch wahrgenommen. Da die SN EN ISO 19650-Normenreihe nun laufend erneuert wird, können die Anwendungshilfen praxisnaher, länderspezifischer und konkreter gestaltet werden. Eine Wegleitung ist zehn Jahre gültig. Deshalb soll das Dokument ein über mehrere Jahre gültiges und anwendbares Grundlagendokument zur Erläuterung der Bestellung und Anwendung der BIM-Methode in der Schweiz sein, an welches analoge und digitale Inhalte aus relevanten Quellen flexibel angeknüpft werden können. Diese Erweiterungen werden einem kurzfristigeren Erneuerungszyklus folgen.

Widersprüche und Unsicherheiten in der Terminologie von Normen, Anwendungshilfen und Dokumentationen anderer Verbände sollen behoben oder, wo dies nicht möglich ist, erläutert werden. Von den Teilnehmenden beschriebene Hürden in BIM-Projekten, wie Bestellung und Vergütung von Leistungen und Produkten, Umsetzung integraler Zusammen­arbeit in Projekten oder Qualitätssicherung bei Informationslieferungen, sollen adressiert werden.

Die neuen Anwendungshilfen werden auf Basis dieser Ergebnisse, in Anbindung an die auf europäischer Stufe parallel laufende Weiterentwicklung der Guidance on how to implement EN ISO 19650-1 and -2 in Europe sowie Bezug nehmend auf den aktuellen Stand der Normierung erarbeitet. Der aktuelle Terminplan sieht vor, dass die Erarbeitung bis Frühjahr 2024 abgeschlossen sein wird. Die anschliessende Publikation ist gegen Sommer 2024 zu erwarten.

Vernehm­lassung

 

Der SIA legt den Merkblatt­entwurf prSIA 2066:2023-04 Freiräume nachhaltig planen, bauen und pflegen zur Vernehmlassung vor. Der Entwurf ist auf www.sia.ch/vernehmlassungen einsehbar. Für Stellungnahmen steht ein Word-Formular zur Verfügung. In anderer Form können diese nicht be­rücksichtigt werden. Rückmeldungen sind bis zum 3. Juli 2023 einzureichen an SIA2066 [at] sia.ch (SIA2066[at]sia[dot]ch).

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