Wand­re­li­ef in der Mas­se

Bisher hat sich Dämmbeton vor allem für Einfamilienhäuser bewährt. Mit ihrer Mehrzweckhalle in Oensingen SO wagen sich ffbk Architekten und die Ingenieure von BSB + Partner an einen grösseren Massstab und finden eine ausgezeichnete Nutzung für das Material.

Publikationsdatum
28-01-2016
Revision
29-01-2016

Dass eine Beschränkung auf funktionale Prinzipien sehr geglückte Bauwerke ergeben kann, beweist die Multifunktionshalle des Sportzentrums Bechburg. Von aussen sichtbar ist ein 6 m hoher, sorgsam strukturierter Sichtbetonkörper. Wenige grosse Fenster und reliefartig platzierte Schrägen bei den Laibungen und im Eingangsbereich vermitteln Ruhe, Klarheit und Grosszügigkeit.

Die neue Halle dient in erster Linie den Oensinger Sportvereinen, wird aber auch von der Kreisschule Bechburg benutzt. Sie orientiert sich in Lage und Gebäudehöhe an dieser Schulanlage und ist daher rund 3.5 m tief ins Terrain eingegraben. So wirkt sie von aussen als eingeschossiger Bau, den man ebenerdig und direkt auf der Galerie vor der Zuschauertribüne betritt. Zur Halle mit Garderoben und Duschen führen eine seitlich angeordnete Tür und ein Treppenabgang, sodass Sportler- und Besucherströme getrennt sind und sich nicht gegenseitig behindern.

Auf die Forderungen der Einwoh­nergemeinde nach Funktionalität und Wirtschaftlichkeit reagierten die Architekten mit einem durchdachten Farbkonzept und einer ­Beschränkung auf das strikt Not­wendige. Verkleidungen finden sich nur, wo es sie funktional braucht. Überall sonst treten die Materialien direkt in Erscheinung, seien es der Beton der Wände oder die Stahlträger des Dachs.

Dämmbeton als ideale Lösung

Die Reduktion auf möglichst wenige Materialien verlangte konsequenterweise eine Gebäudehülle aus nur einem Baustoff. Hier favorisierten die Architekten einen Dämmbeton: Weil die Halle trotz ihrer langen Seitenansichten nicht zu lang­gestreckt wirken sollte, wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Wände vertikal zu strukturieren. Die mächtige Wandstärke des Dämmbetons bot sich für das Einschreiben eines Reliefs geradezu an. Nachdem sich gezeigt hatte, dass eine zweischalige Betonwand mit Kerndämmung und ein durchgehender Dämmbeton ungefähr gleich hohe Kosten verursachen würden, war der Weg frei für letztere, unkonventionelle Lösung.

Da jedoch noch keiner der beteiligten Planer je mit Dämmbeton gearbeitet hatte, wurde ein beratender Betontechnologe beigezogen. Eine Versuchswand wurde im Betonwerk erstellt, um die Tauglichkeit der vorgeschlagenen Betonrezeptur zu testen und eine Referenzfläche zu haben. Dämmbeton ist schliesslich dafür bekannt, dass er reich an Lunkern sein kann, deshalb empfiehlt es sich gerade bei einem solchen Sichtbeton, die Sichtqualität im Voraus zu untersuchen und auch zu vereinbaren.

Widersprüche gemeistert

Dämmbeton übernimmt statische und bauphysikalische Funktionen, die sich grundsätzlich widersprechen, denn der U-Wert ist proportio­nal zur Festigkeit. Gewählt wurde schliesslich ein LC 8/9, der trotz seiner bescheidenen Druckfestigkeitswerte die über die Hallenträger konzentriert eingeleiteten Dachlasten problemlos aufnimmt. Dämmbeton bildet tendenziell mehr Risse als konventioneller Beton, weil er stärker schwindet. Daher war für die äussere Bewehrung die Rissverteilung massgebend, während es für die innere die Tragsicherheit war. Der poröse Baustoff verlangt zudem eine Tiefenhydrophobierung (vgl. Kasten am Ende des Artikels) der Aussenfläche und erhielt zudem noch einen vollflächigen Graffitischutz.

Zu sehen ist von all dem aber nichts, sondern vielmehr eine erstaunlich hohe und gleichmässige Qualität der Sichtflächen. Dass bei Betonieretappen von immerhin bis zu 6.5 m Höhe keine Kiesnester auftraten, ist aussergewöhnlich und insbesondere dem hohen Einsatz des Bauunternehmers zu verdanken. So zeigt sich Dämmbeton bei diesem Objekt als ein in jeder Hinsicht überzeugender Baustoff: bauphysikalisch, statisch und ästhetisch. Der Miner­gienachweis am Gesamtgebäude wird erbracht, die grossen Wandstärken kompensieren die relativ geringe Druckfestigkeit – und der monolithische Körper ist von beeindruckender, ruhiger Schönheit.


Karbonatisierung und Tiefenhydrophobierung

Karbonatisierung

Durch den Kontakt mit dem Kohlendioxid aus der Luft und durch die Einwirkung von Feuchtigkeit karbonatisiert der oberflächennahe Beton. Anders ausgedrückt: Das Kalziumhydroxid im Porenwasser des Betons wird chemisch in Kalkstein umgewandelt. Erreicht die Karbonatisierungsfront den Bewehrungsstahl, so verliert dieser seinen Schutzfilm, der im basischen Milieu des Porenwassers des (nicht karbonatisierten) Betons stabil ist und den Bewehrungsstahl vor Korrosion schützt.

Dass sich der Bewehrungsstahl in karbonatisiertem Beton befindet, ist allein noch keine hinreichende Bedingung, damit der Stahl zu korrodieren beginnt. Es muss Sauerstoff vorhanden sein – was praktisch immer der Fall ist –, und im Beton muss eine gewisse Feuchtigkeit vorherrschen. Bei einer relativen Betonfeuchtigkeit zwischen 85 und 95 % läuft die Bewehrungskorrosion schneller ab als bei einer solchen von 60 bis 80 %; bei weniger als 60 % findet praktisch keine Bewehrungskorrosion mehr statt.

Die Feuchtigkeit im Beton ist somit der wesentliche Parameter, der je nach Exposition des Bauteils variabel ist. Diese Erkenntnis ist bei der Beurteilung des Korrosionsrisikos und der Wahl der Instandsetzungsmethode entscheidend.

Tiefen­hydrophobierung

Die Tiefenhydrophobierung oder hydrophobierende Imprägnierung ist eine technische Oberflächenbehandlung von Sichtbeton, um die kapillare Aufnahme von Wasser und aggressiven Lösungen zu unterbinden. Sie funktioniert rein physikalisch: Die Wasser abstossenden (hydrophobierenden) Wirkstoffe treten infolge Kapillarwirkung in den Beton ein und lagern sich an den Porenflächen an. Dabei erfolgt keine chemische Re­aktion mit dem Zementstein oder den Zuschlagstoffen. Es handelt sich also um eine Wasser abweisende Imprägnierung des mineralischen Baustoffs Beton.

Die Betonfeuchtigkeit wird reduziert und der elektrische Widerstand erhöht, womit eine Korrosionsaktivität gebremst oder gestoppt wird. Die Dauer der Wirksamkeit einer Tiefenhydrophobierung hängt von der Eindringtiefe und -menge in die oberflächennahe Betonschicht ab, denn die Wirkstoffe werden vor allem durch die UV-Strahlen des Sonnenlichts zersetzt. Ab einer Tiefe von etwa 1 mm sind die Wirkstoffe vor den UV-Strahlen geschützt.

Eine genügende Konzentration bei gegebener Eindringtiefe ist die massgebende Kenngrösse einer Tiefenhydrophobierung. Die heutigen Produkte mit Molekülgrössen im Nanobereich können Eindringtiefen von 4 bis 6 mm ohne Weiteres erreichen und damit auch in der Ausschreibung gefordert werden. In einem solchen Fall hält die hydrophobierende Wirkung wahrscheinlich mehr als 25 Jahre lang an.

Die Qualität einer Tiefenhydrophobierung wird am Bauwerk zerstörungsfrei anhand von Wassereindringversuchen und im Labor anhand von Aufsaugversuchen an Bohrkernen bestimmt. Die Bauunternehmung muss die Imprägnierung nötigenfalls weitere Male applizieren, bis die geforderte Eindringtiefe und Konzentration der Wirkstoffe und damit die Schutzwirkung erreicht sind.

Unter den Bezeichnungen «hydrophobierende Imprägnierung» und «Tiefenhydrophobierung» gibt es verschiedene Produkte auf dem Markt, deren Eignung am konkreten Bauwerk mittels Eignungsprüfungen nachgewiesen werden muss. Angaben und Zertifikate der Produktelieferanten allein genügen nicht, da der jeweils zu behandelnde Beton einen Einfluss auf das Ergebnis hat. Produkte, die an der Oberfläche zu einer Glanzbildung führen, sind zu vermeiden. Clementine Hegner-van Rooden


Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Einwohnergemeinde Oensingen

 

Architektur
ffbk Architekten, Münchenstein

 

Tragwerksplanung
BSB + Partner, Ingenieure und Planer, Oensingen

 

Elektroplanung
Hefti. Hess. Martignoni, Aarau

 

HLS-Planung
Basler & Hofmann West, Zollikofen

 

Bauphysik
Zehnder & Kälin, Winterthur

Magazine

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