Herr Ho­stet­tler und die Pho­to­vol­taik

Ein Kommentar zur diesjährigen Verleihung der Schweizer Solarpreise

Am 18. Oktober wurden die 29. Schweizer Solarpreise und der Norman Foster Solar Award an Solarbauten, Anlagen sowie Persönlichkeiten und Institutionen verliehen.

Data di pubblicazione
17-10-2019

Schön oder hässlich? Der Streit, ob Photovoltaik am Gebäude eine Bereicherung oder eine Zumutung für die Baukultur ist, geht in die nächste Runde. Die Solaragentur Schweiz prämiert auch dieses Jahr Bauherrschaften und Architekten, die Wohn- und Geschäftshäuser zur aktiven Energieproduktion nutzen. Nun hat aber niemand den ersten Preis erhalten; die Jurymitglieder, darunter selbst viele Architekten und Ingenieure, besetzten die nächsten Plätze jedoch gleich doppelt. Bemerkenswerterweise wurden zwei Mehrfamilienhäuser gekürt, deren Entwürfe aus derselben Feder stammen (Bauatelier Metzler und die Plusenergiebauten Küsnacht ZH und Weinfelden TG). Beide Bauwerke sind Holzbauten, die sich auf das klassische Bild der neuen Moderne beziehen. Auch sonst sind in der diesjährigen Sichtung viele gelungene und sorgfältige Projekte vertreten. Im gesamten mit einem Solardiplom ausgezeichneten Baujahrgang ist zu erkennen: Die Photovoltaik wird meistens auf das Dach verbannt; das Gebäude selbst tritt wieder in den Vordergrund. Wo die Siliziumzellen als Fassadenzier dienen soll, wird sie nur mehr unkenntlich angebracht. 

Muss man sich also weiterhin darum sorgen, ob solares Bauen schön sei oder nicht? Im Prinzip nein: Sogar Velounterstände, die mit Photovoltaikmodulen überdeckt werden sollen, werden hierzulande von Architekten entworfen. Gleichwohl darf der Jurybefund immer noch als diskutables Urteil wahrgenommen werden. Über die Ästhetik der PV-Architektur kann und soll man also streiten. Worüber sich die Solaragentur jedoch dringend Gedanken machen muss, ist: Wie geht man als Promoter einer jungen Technologie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Grundlagen um?

Stein des Anstosses ist ein unscheinbarer Aufsatz im Jurybericht. Jonas Hostettler, promovierter Naturwissenschafter ohne weitere Herkunftsbezeichnung, äussert sich zur «Umweltverträglichkeit der PV-Produktion» und schreibt dazu über die unbedenkliche Verarbeitung des Rohstoffs Silizium (Si), das die wesentliche Zutat jedes Solarmoduls ist. Irritierend daran ist jedoch, dass man gleichzeitig nichts darüber erfährt, wie relevant der Lebenslauf einer monokristallinen oder amorphen Si-Zelle für die Umwelt wirklich ist. In der Fachwelt und selbst in Publikumsmedien werden nämlich Ökobilanzen zitiert, wonach die Fabrikationskette doch mit einer potenziellen Umweltgefährdung verbunden ist.

Anerkannte wissenschaftliche Arbeiten aus der Schweiz, die für die Internationale Energieagentur oder das Bundesamt für Umwelt verfasst worden sind, warnen zum Beispiel vor Schadstoffemissionen und dem Eintrag von Schwermetallen. Und ebenso wenig wird darin verschwiegen, dass das Recycling eine ökologische Pendenz ist respektive die Produktion häufig einen lästigen Rucksack mit sich trägt: Chinas Solarfabriken, die etwa zwei Drittel des Weltmarkts abdecken, konsumieren sehr viel fossil erzeugten Strom. Dies prägt den Umweltfussabdruck vieler in der Schweiz installierter und integrierter Solaranlagen (vgl. «Wie klimafreundlich ist Solarstrom?»).

Doch das Dilemma lässt sich beheben, etwa wenn der Umstieg auf erneuerbare Energieressourcen noch stärker als bisher erfolgt und den letzten Winkel dieser Erde erreicht. Die PV-Industrie selbst muss aber solche Hausaufgaben erledigen, will sie tatkräftig mithelfen, das Klimaproblem zu lösen. Und hier ist nun ein Zusatzeffort aus dem Kreis der Abnehmer gefragt. Könnte nicht die Schweizer Solaragentur dazu einen ersten Schritt leisten und einen Preis für das umweltverträglichste Projekt ausloben? Eine Debatte über die anstehenden technischen und ökologischen Herausforderungen anzuregen wäre sicher ebenso hilfreich wie der bisherige Streit um die Ästhetik. Letzterer war im Übrigen nicht umsonst, sondern hat inzwischen ansprechende Resultate hervorgebracht.

Die Gewinner 2019

Bereits zum 29. Mal wurden der Schweizer Solarpreis und der Norman Foster Solar Award verliehen. 
Teilnahmeberechtigt waren energieeffziente Gebäude und Anlagen, die zwischen dem 1. Januar 2017 und 15. April 2019 in Betrieb genommen wurden. 

 

Kategorie A: Persönlichkeiten und Institutionen
 

Persönlichkeiten:

  • Dr. Ruedi Meier, Ökonom und Raumplaner, Bern
  • Ueli Schäfer, Solarpionier und Architekt, Binz ZH
  • Roland Kuttruff, solare Dorfgemeinschaft, Tobel TG
  • Josef Gemperle, Klima-Landwirt, Fischingen TG 
     

Institutionen:

  • Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft, Biel/Bienne BE
  • 202% PEB-Unternehmung Tarcisi Maissen SA, Trun GR
  • Schweizer Partnerschaft HAS Haiti, Ilanz GR
  • Solstis SA, Lausanne VD
  • Ausbildungszentrum Campus Sursee, Oberkirch LU 
     

Kategorie B: Gebäude
 

Norman Foster Solar Award (NFSA) 

  • 182%-PlusEnergie-Siedlung, Tobel TG
  • 118%-PEB-MFH Hutter, Küsnacht ZH
  • 174%-PEB Generationen-MFH, Weinfelden TG 

PlusEnergieBau-Solarpreis

  • 221%-PEB-Kirche Sanierung, Ebmatingen ZH
  • 184%-PEB-Reihenhaus, Meisterschwanden AG
  • 127%-PEB-MFH Sanierung, Murg SG 
     

Migros-Bank-Sondersolarpreis für PEB-MFH

  • 104%-PEB-MFH DeltaRosso, Vacallo TI 
     

PlusEnergieBau-Diplome

  • 520%-PlusEnergie-EFH, Fahrni b. Thun BE
  • 273%-PlusEnergie-EFH, Beringen SH
  • 174%-PEB-Strohballen-EFH, Graben BE
  • 173%-PEB-EFH Sanierung Zihler, Wolfwil SO
  • 119%-PlusEnergieBau SIGA, Werthenstein LU
  • 114%-PlusEnergie-EFH Sanierung, Wollerau SZ
  • 113%-PlusEnergie-MFH Greter, Luzern
  • 108%-PEB-EFH-Überbauung Bäder, Nesslau SG
  • 103%-PlusEnergie-MFH Oeschger, Zürich
  • 101%-PEB-EFH Sanierung, Uetliburg SG 
     

HEV-Schweiz-Sondersolarpreis

  • Sanierung MFH Winkler, Villars-sur-Glâne FR 
     

Neubauten

  • 126%-PlusEnergie-MFH Höngg, Zürich
  • 99%-EFH Familie Ebneter, Appenzell AI
  • 66% Solare Trainingshalle HCD, Davos GR
  • Résidence Silo Bleu, Renens VD 
     

Bausanierungen

  • 154%-PlusEnergie-EFH Matti, Gstaad BE 
     

Kategorie C: Anlagen für eneuerbare Energien

  • Weinunterstand, Milvignes NE
  • Abwasserreinigungsanlage ARA Chur, Chur GR
  • 67% Solarbetriebene Eishalle, Wohlen AG
  • Velounterstand MFH VIVA, Liestal BL 
     

Weitere Infos: www.solaragentur.ch

 

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