Auf­bruch zu mehr Bau­kul­tur

Kulturbotschaft 2021–2024 und Strategie Baukultur

Die aktuellen Entwürfe der Kulturbotschaft 2021–2024 und der interdepartementalen Strategie Baukultur enthalten viele erfreuliche Ansätze. Sie müssen nun konsequent umgesetzt und mit den erforderlichen finanziellen Mitteln unterlegt werden.

Data di pubblicazione
29-08-2019

Der Bund hat die strategische Bedeutung der Baukultur erkannt. Neben der Vernehmlassung zur Kulturbotschaft 2021–2024 läuft bis 20. September 2019 eine informelle Anhörung zur interdepartementalen Strategie Baukultur. Sowohl die Kulturbotschaft 2021–2024 als auch die Strategie Baukultur zeugen von einer Aufbruchstimmung. Der SIA hat ausführlich Stellung genommen und sich mit anderen führenden Orga­nisationen im Bereich Baukultur zusammengeschlossen, um eine ­gemeinsame Grundposition zu vertreten.

Kulturbotschaft 2021–2024

Die Kulturbotschaft regelt alle vier Jahre die Kulturförderung des Bundes. Dazu zählt traditionellerweise das baukulturelle Erbe in Form von Heimatschutz und Denkmalpflege. Mit der Kulturbotschaft für die Jahre 2016–2020 kündigte der Bund erstmals eine Öffnung zu einem umfassenden Verständnis von Baukultur an, das heisst eine Gesamtsicht auf seine raumwirksamen Tätigkeiten einerseits und Massnahmen zur Förderung zeitgenössischer Baukultur andererseits. Auch auf internationaler Ebene setzte die Schweiz ein wichtiges Zeichen: Auf Initiative von Bundesrat Alain Berset verabschiedeten die europäischen Kulturminister im Januar 2018 die Erklärung von Davos, die eine hohe Baukultur für Europa fordert.

Der Entwurf der Kulturbotschaft 2021–2024 stärkt das ganzheitliche Verständnis von Baukultur. Im Bundesamt für Kultur sollen die Bereiche Heimatschutz und Denkmalpflege sowie die zeitgenössische Baukultur künftig unter dem gemeinsamen Titel «Baukultur» geführt werden. Dies entspricht einer langjährigen Forderung des SIA und ist eine logische Konsequenz der neuen Auffassung von Baukultur, die neben dem baukulturellen Erbe auch das zeitgenössische Bauen
umfasst.

Der Entwurf der Kulturbotschaft 2021–2024 setzt erfreuliche Akzente auf den Kompetenzaufbau, auf Vermittlung und Plattformen für den baukulturellen Diskurs.Bewährte Institutionen wie das Schweizerische Architekturmuseum S AM, Archijeunes und die Konferenz Bildschulen sind dabei ausdrücklich zu berücksichtigen.

Das umfassende Verständnis von Baukultur, das der Kulturbotschaft 2021–2024 zugrunde liegt, findet im Entwurf leider keine konsequente Anwendung. Zwar gibt es Architektur als Unterkategorie der Schweizer Kunstpreise, derzeit fehlen aber Schweizer Preise für Baukultur. Der SIA und seine Partner vom Runden Tisch Baukultur Schweiz haben im Manifest zur Baukultur bereits 2011 darauf hingewiesen, dass die Subsumierung von Architektur unter Kunst dem spezifischen Charakter von Baukultur nicht gerecht wird.

Auch bei den Fördermassnahmen von Pro Helvetia reduziert der Entwurf der Kulturbotschaft 2021–2024 Baukultur auf Architektur. Zu begrüssen ist jedoch, dass Pro Helvetia die kritische Reflexion über zeitgenössisches Schaffen verstärken möchte und vertiefte sta­tistische Erhebungen plant, um die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Kulturbereich zu erhöhen.

Begrüssenswert ist ausserdem, dass der Bund die 2018 von den europäischen Kulturministern verabschiedete Erklärung von Davos weiterentwickeln möchte. Die hohen Erwartungen können mit den bereitgestellten Finanzmitteln jedoch nicht erfüllt werden. Die vom Par­lament beauftragte Stärkung der zeitgenössischen Baukultur droht daher auf halbem Weg stecken zu bleiben.

Strategie Baukultur

Die Strategie Baukultur bündelt für die Legislaturperiode 2020–2023 erstmals Massnahmen, die zeitgenössische Baukultur fördern sollen. Sie geht über die klassische Kulturpolitik weit hinaus. Diverse Bundesstellen vom Bundesamt für Bauten und Logistik bis hin zum Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation entwickelten im Rahmen einer interdepartementalen Arbeitsgruppe einen Aktionsplan. Die Federführung lag beim Bundesamt für Kultur.

Mit der interdepartemen­talen Strategie für Baukultur greift der Bund eine langjährige Forderung des SIA und seiner Partner auf, eine sektorübergreifende Gesamtstrategie zur Baukultur zu entwickeln. Es ist sehr erfreulich, dass der Bund nun eine erste Gesamtsicht auf seine raumwirksamen Tätigkeiten vorlegt und diese an den Anforderungen einer hohen Baukultur misst. Die finanziellen Mittel für die Strategie Baukultur sind allerdings so zu erhöhen, dass die vorgegebenen Ziele erreicht werden können.

Aufgaben wie zum Beispiel der Klimaschutz müssen zudem noch stärker als Verbundaufgabe über Departementsgrenzen hinweg begriffen werden. Auch der Beitrag einzelner Bereiche wie Energie oder Raumplanung ist noch zu verstärken beziehungsweise zu klären. Da es sich bei der Strategie Baukultur gemäss Auftrag des Parlaments um eine (Teil-)Strategie «Zeitgenössische Baukultur» handelt, ist mit Blick auf ein umfassendes Verständnis von Baukultur überdies eine Teilstrategie «Baukulturelles Erbe / Erhalt» erforderlich. Hocherfreulich ist wiederum der geplante Mantelerlass zur Baukultur.

Davos Declaration – Partner werden

Die von der Schweiz angestossene Erklärung von Davos «Eine hohe Baukultur für Europa» ist ein Meilenstein für die Anerkennung der grossen kulturellen Relevanz von Baukultur. Organisationen und Einzelpersonen können Partner der Deklaration werden, wenn sie sich zu einer hohen Baukultur im Allgemeinen und zur Erklärung von Davos im Besonderen bekennen. davosdeclaration2018.ch


Stellungnahmen des SIA zu den Entwürfen der Kulturbotschaft 2021–2024 und zur Strategie Baukultur sowie Grundposition führender Organisationen im Bereich Baukultur auf www.sia.ch

Getting the measure of Baukultur – Jetzt anmelden

Das Programm der internationalen Konferenz «Getting the measure of Baukultur» ist seit Anfang August online. Im Zentrum der vom SIA mitorganisierten Konferenz stehen drei Keynote Sessions und vier Parallel Sessions. Die Keynote Sessions widmen sich folgenden Fragen: «What is quality?», «Is quality quantifiable?» und «How to manage quality». Themen der Parallel Sessions sind «Streetscapes», «Workscapes», «Systematising Quality» und «Constructing Identities». Es referieren und diskutieren internationale Expertinnen und Experten aus Disziplinen wie Architektur, Ethnologie, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur, Neurowissenschaften, Soziologie, Stadtplanung, Philosophie oder Psychologie und Bereichen wie Bauindustrie, Digitalisierung, Entwicklung, Erhaltung und Qualitätsmanagement.

Die Konferenz findet am 4. und 5. November 2019 im Pavillon Sicli in Genf statt. Konferenzsprachen sind Englisch und Französisch mit Simultanübersetzung. Der Eintritt kostet 300 Fr., 150 Fr. für Studierende. Programm unter www.getting-the-measure-of-baukultur.ch

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