Von li­ne­ar zu zir­ku­lär

Die Umsetzung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien ist aus ­Nachhaltigkeitsgründen nötig – darin sind sich Behörden und Fachleute aller ­Wirtschaftszweige einig. Eine Tagung in Biel zeigte, wie vielfältig die ­Themen sind und dass zur Circular Economy mehr als Recycling gehört.

Publikationsdatum
09-12-2019

Das Parlament hat im Sommer 2019 dem revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen zugestimmt. Es soll neue Wege eröffnen, nachhaltiger mit Material und Produkten umzugehen – so sollen zum Beispiel kreislaufwirtschaftliche Prozesse bei der Vergabe von Aufträgen für Textilien, Fahrzeuge, Möbel und auch bei Bauten berücksichtigt werden.

In allen Bereichen gehören neben dem in der Schweiz weit entwickelten Recycling drei weitere Prozesse zur effizienten Verlängerung und zum Schliessen von Lebenszyklen: das Vermeiden (Reduce) von Abfall, wozu auch gehört, dass Bauten nicht vorzeitig abgerissen werden, die Reparierbarkeit (Repair) von Bauteilen sowie deren Wiederverwendung (Re-use).

Die Umweltagentur Pusch organisierte Ende Oktober in Biel die Tagung «Paradigmenwechsel in der öffentlichen Beschaffung», um die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Prozesse auszuloten. In einer Einführung zum Thema sprach Josef Känzig, Chef Sektion Konsum und Produkte vom Bundesamt für Umwelt BAFU, auch von der Möglichkeit, mit zirkulären Ansätzen eine erhöhte Wertschöpfung in der Schweiz zu schaffen.

Ein solche kann beispielsweise durch Geräte, Möbel und Bauteile entstehen, die einfach reparierbar sind. Im Reparatursektor werden damit mehr Stellen geschaffen. Darüber hinaus können das auch neue Servicemodelle sein – so das Vermieten von Produkten anstelle ihres Verkaufs. Dabei bleibt der Produzent Besitzer seiner Produkte und kann darüber hinaus im Sinn von «Product as a Service» auch deren Wartung oder die Wiederverwendung durch andere Nutzer organisieren.

Josef Känzig erwähnte aber auch, dass die Ökobilanz von kreislaufwirtschaftlichen Lösungen von Fall zu Fall abgewogen werden muss. So enthalten zum Beispiel manche alten Bauteile Schadstoffe und sollten nicht im Kreislauf gehalten und wieder in die Umwelt verteilt werden, sie müssen fachgerecht entsorgt werden.

Er betonte, innerhalb eines Projekts sei das Potenzial zur Reduktion der Umweltbelastung am grössten, wenn kreiswirtschaftliche Kriterien bereits zu Beginn des Beschaffungsprozesses bei der Bestimmung des Bedarfs berücksichtigt werden, noch vor der Ausschreibung. Naheliegend, dass das nicht nur bei öffentlichen Bauten und Beschaffungsprojekten zutrifft, sondern auch für Projekte im privaten Sektor.

Praktisch umgesetzt

Wie sich Circular Economy im gros­sen Stil umsetzten lässt, zeigte ­Sabien van der Leij, Category Manager Office Furniture der Verwaltung der Niederlande. Sie hat die Möblierung der rund 100 000 Arbeitsplätze der gesamten niederländischen Regierung auf ein kreislaufwirtschaftliches Modell umgestellt.

Die Projektsumme für die kommenden zehn Jahre beläuft sich auf 200 Mio. Euro. Der Weg zur ganzheitlichen Umstellung umfasste zunächst den Entscheidungsprozess der einzelnen Ministerien und ihrer Büros, wie sie ihre alten Möbel mit neuen ergänzen wollen und wann das geschehen soll. Des Weiteren wurde die Zusammenarbeit mit 30 Herstellern etabliert, die ihre Produkte zukünftig so produzieren, dass sie länger halten, im Bedarfsfall reparierbar sind und zurückgenommen werden, wenn sie vom Kunden nicht mehr gebraucht werden.

Um für die nächsten zehn Jahre Zulieferer der niederländischen Regierung zu bleiben, mussten die Firmen ihre Produktionskriterien den neuen Prinzipien anpassen – «either they are in or out», wie es van der Leij pragmatisch formulierte.

Recycling und mehr

Die anschliessende Diskussion in der Gruppe «Baustoffe» – einer der vier Nachmittags-Sessionen neben «Textil», «Fahrzeuge» und «Möbel» – zeigte, dass Schweizer Fachleute im Bauwesen noch eine relativ vage Vorstellung von den Möglichkeiten der Circular Economy haben.

Die drei anderen vor dem Recycling stehenden Prozesse – Reduce, Re-use und Repair – werden zurzeit nur am Rand zur Kenntnis genommen. Es wird aber auch ersichtlich, dass ­unser Land mit den Recycling insbesondere bei Beton und Asphalt europaweit eine Vorreiterrolle einnimmt – auch wenn es aus Transportgründen nicht den rezyklierten Rohstoff, immerhin aber das Know-how exportieren kann.

Technik, ­Produktionsabläufe und wirtschaftliche Absatzstrukturen sowie die Wiederverwendung der Recyclingprodukte am Bau sind gut etabliert. Gerade um diese Stellung auszubauen, wäre mehr Offenheit gegenüber den anderen drei Prozessen bei allen Fachleuten wünschenswert.  

An der Diskussion zum Ende der Veranstaltung war klar: Kreislaufwirtschaftliche Modelle umzusetzen erfordert die Zusammenarbeit von Herstellern, Bauherren und Nutzern. Sabien van der Leij brachte auf den Punkt, wie unterschiedlich die Vorgehensweisen sind: In jedem Fall muss genau definiert werden, wo das Projektziel ist und wie der Weg dahin individuell umgesetzt wird – denn noch sind die Abläufe nicht standardisiert.

Zur Kreislaufwirtschaft in der Schweiz siehe auch: www.circular-economy-switzerland.ch

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