Ei­ne Stadt auf dem Weg zu Net­to Null

Zürich will bis 2040 klima­neutral werden. Viele Lebensbereiche müssen sich verändern – auch die Art und Weise, wie wir bauen und heizen. Das Ziel für den  Gebäudebereich ist gesetzt. Die öffentliche Hand und die Immobilienwirtschaft werden voneinander lernen, wie der Weg dorthin aussehen soll.

Publikationsdatum
06-06-2023

«So bald wie möglich» soll die internationale Staatengemeinschaft frei von Treibhausgasemissionen werden, hält das Klimaabkommen von Paris fest. «Bis 2050» werde die Schweiz klimaneutral, versprechen Bundesrat und Parlament analog zu vielen anderen Ländern aus der Europäischen Union. «Netto null bis 2040» beschloss sogar die Stadtzürcher Bevölkerung mit 75 % der Stimmen vor einem Jahr. Noch ambitionierter ist die Stadtverwaltung: Bis 2035 will die Behörde keine direkten Treibhausgasemissionen mehr verursachen.

Eine ausgeglichene Bilanz, netto null oder klimaneutral meint jeweils dasselbe: Unter dem Strich werden nur noch so viele Treibhausgase (THG) emittiert – CO2 im Verkehr, im Gebäudebereich und in der Abfallverwertung beziehungsweise Methan durch die Landwirtschaft – wie zeitgleich gespeichert werden können. Für die globale Perspektive bedeutet netto null: Werden keine zusätzlichen THG mehr ausgestossen, stabilisiert sich der Gehalt in der Atmosphäre. Das ist eine Grundbedingung dafür, dass die mittlere Erderwärmung nicht über 1.5 °C ansteigt.

Negativemissionen: Wie viel CO2 kann Zürich selbst speichern?

 

«Netto null» meint den weiterhin positiven, nicht vollständig reduzierbaren Treibhausgasausstoss abzüglich der «Negativemissionen». Letztere umfassen denjenigen Anteil von CO2, der aus der Atmosphäre entnommen werden kann. Eine CO2-Entnahme ist möglich durch biologische Senken wie Wälder und Moore, die viel Kohlenstoff (als Ausgangsprodukt für CO2) in der Biomasse und im Boden binden. Technische Eingriffe liess die Stadt zudem bei Kehrichtverbrennungsanlagen untersuchen. Der Befund: Die CO2-Entnahme beim Rauchgas ist möglich. Doch eine dauerhafte Speicherung würde bedeuten: Das aus der Luft entnommene CO2 muss ins Ausland exportiert werden, weil erste Lagerstätten dafür zum Beispiel in Island oder Norwegen entstehen.

Hausgemacht und importiert

Die Stadtzürcher Klimaziele beziehen sich auf die eigenen Territoriumsgrenzen: In zwölf Jahren soll die Verwaltung und fünf Jahre später die ganze Stadt weitgehend treibhausgasfrei funktionieren. Was danach beim Wohnen, Pendeln oder in der Freizeit weiterhin entweicht, muss aus der Atmosphäre wieder entfernt und gespeichert werden können.

Wie gross der Transformationsbedarf ist, zeigt der Vergleich mit dem Stand heute: Aktuell liegt die Pro-Kopf-THG-Bilanz bei 3.1 t jährlich; so viele direkte Emissionen verursachen Heizen, Duschen, Kochen, Einkaufen, Autofahren und alle übrigen Tätigkeiten auf Stadtgebiet. Rahel Gessler, Leiterin Geschäftsbereich Klima- und Umweltprojekte und -programme bei Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich (UGZ), schätzt, dass höchstens 0.5 t CO2 pro Person und Jahr als Negativemissionen kompensierbar wären. Deshalb ist klar: «Wir müssen mit den direkten THG-Emissionen so nah wie möglich an brutto null.»

Zürich will aber auch importierte Effekte reduzieren. Hier konsumierte Güter, Lebensmittel, Baumaterialien und Dienstleistungen verursachen ausserhalb der Stadt – bei der Produktion und entlang der Lieferketten – sogenannte graue Emissionen. Die Bilanz der indirekt erzeugten Treibhausgase liegt aktuell bei 10 t pro Kopf und Jahr. Gemäss dem städtischen Klimaziel sind die indirekten Emissionen im Vergleich zu 1990 um 30 % zu reduzieren. Der Referenzwert und der Zielpfad sind noch in Erarbeitung.

Basiswert 1990: Datengrund­lagen und Monitoring

 

Das Jahr 1990 bildet die Referenz für den staatlichen Klimaschutz. Damals fand in Genf die zweite internationale Weltklimakonferenz statt, in deren Folge die UN-Rahmenklimakonvention beschlossen wurde. Seither formulierte Reduktionsziele beziehen sich jeweils auf den damaligen Stand der THG-­Emissionen. Die Schweiz strebte zum Beispiel für 2020 eine Reduktion um 20 % an; die laufenden Erhebungen im nationalen Treibhausgasinventar ergaben, dass dieses Zwischenziel nicht erreicht wurde.

 

Herausfordernd für die Stadt Zürich ist, die territorialen Emissionen für das Basis­jahr in der Retrospektive abzu­schätzen. Es fehlen verlässliche Datengrundlagen, die sich mit heutigen Bilanzen vergleichen lassen. Erst wenn solche Bilanzen vorliegen, kann unter anderem das Reduktionsziel von – 30 % verbindlich und überprüfbar abgeleitet werden.

Weniger direkte Emissionen

Bei den direkten Emissionen lässt sich das Absenken dagegen einfacher quantifizieren. Als Beispiel die Dekarbonisierung der individuellen und öffentlichen Stadtmobilität: Hier setzt die Stadt auf Massnahmen, die das Verkehrsaufkommen verringern und die Elektromobilität fördern. Industriebetriebe, die in der Stadt angesiedelt sind, sollen ihre Verarbeitungsprozesse vor Ort ebenfalls fossilfrei organisieren. Der CO2-Fussabdruck berücksichtigt ebenso die Bereiche Ernährung und Flugverkehr. Deren spezifische Emissionen sind zwar gleich gross wie der gesamte direkte THG-Ausstoss der Stadt; aber sie werden indirekt verursacht. Ihre Reduktion kann die Verwaltung darum nur beschränkt fördern, zum Beispiel über Informationskampagnen oder Beratungsangebote.

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem E-Dossier «Bauen für Netto Null».

Die CO2-Emissionsbilanz von Gebäuden und der Wärmeversorgung können die Politik und die Verwaltung hingegen direkt beeinflussen. Das Reduktionspotenzial ist erheblich: 55 % der städtischen Direktemissionen entstehen beim Heizen von Wohnungen, Büros und Läden; 60 % des Wärmebedarfs werden aus fossilem Brennstoff erzeugt. «Die CO2-Quellen auf Stadtgebiet sind zum Versiegen zu bringen», bestätigt Silvia Banfi Frost, Energiebeauftragte der Stadt Zürich. Dementsprechend bereitet die Behörde einen koordinierten Ausstieg aus der fossilen Wärmeversorgung für öffentliche und private Liegenschaften vor (vgl. «Ersatz für 20 000 fossil betriebene Heizungsanlagen»).

Im Fokus steht ein vollständiger Ersatz der Öl- und Gasheizungen durch Alternativen mit erneuerbaren Energieträgern. «Überall dort, wo Erd- oder Luftwärmepumpen nicht möglich sind, braucht es einen Wärmeverbund. Und generell ist die Rate der Gebäudesanierungen zu erhöhen, damit der Heizwärmebedarf sinkt», so Banfi Frost. Kantonale Vorschriften und stadteigene Vorgaben für ein energieeffizientes Bauen und den Einsatz von erneuerbaren Energien geben die Richtung bereits vor: Die direkten Emissionen aus der Gebäudenutzung sinken schon länger.

Mehr tun im Baubereich

Um den Baubereich noch klimaverträglicher zu machen, braucht es aber mehr. Auf kommunaler Ebene lassen sich mehrere Trümpfe gleichzeitig ausspielen: Als Planungsbehörde kann die Verwaltung erste Weichen stellen und von privaten Bauherrschaften einfordern, was übergeordnetes Recht zur Reduktion der grauen Emissionen zulässt. Mehr Einfluss nehmen kann die Stadt dagegen beim Festsetzen von Gestaltungsplänen. In solchen Verfahren werden heute schon Vorgaben zur Begrenzung der grauen Energie definiert. Wird bei Arealüberbauungen ein Konkurrenzverfahren durchgeführt, kann die Stadt versuchen, die Grundeigentümer:innen zu überzeugen, sich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus für den Netto-Null-Beschluss einzusetzen.

Damit nicht genug: Mit der kommunalen Energieplanung (vgl. «Ein guter Plan, nicht nur für die Behörde») erhält die Stadtbehörde ein Instrument, um die öffentliche, klimaschonende Wärmeversorgung auszubauen. Ein Koordinationsbedarf dafür besteht etwa in Verdichtungszonen oder dichten Kernzonen (vgl. «Ohne Kamin, wie vor über 100 Jahren»).

Zu guter Letzt ist die Stadt Zürich auch eine grosse Immobilieneigentümerin. Fast 10 % der 55 000 Gebäude auf Stadtgebiet sind eigene Wohnhäuser und Grosssiedlungen sowie grosse und kleine Bauten für Verwaltung, Bildung, Kultur und Gesundheit. Verschiedene Dienstabteilungen kümmern sich um die Projektentwicklung ebenso wie um die Bewirtschaftungsstrategie: Wie klimaschonend werden Schulhäuser, Alterszentren, Museen und Spitäler gepflegt und instand gesetzt? Mit welchen Materialien werden sie erneuert, erweitert oder ersetzt? Und wie werden diese Liegenschaften beheizt? «Allein für Schulhäuser investieren wir jährlich über 150 Millionen Franken. Wie wir den Bestand weiterentwickeln, ist für Netto-Null entscheidend», erklärt Benjamin Leimgruber, Leiter Bereich Schulbauten Immobilien Stadt Zürich.

Evaluationen und Bilanzen

Dass ihr eigener Einfluss über die Betriebsenergie und direkte THG-Emissionen hinausgeht, ist sich die Stadtverwaltung bei eigenen Bauvorhaben bewusst. Ihre internen Standards und Instrumente zur Erfassung und Bewertung von grauer Energie geniessen schweizweit einen pionierhaften Ruf: Ein Variantenstudium in der Projektentwicklung gehört ebenso zur Tagesroutine wie die ökologische Vorprüfung in Wettbewerbsverfahren. Immer wieder taucht die Frage nach dem Umgang mit dem Bestand auf: Wie klimafreundlich ist ein Ersatzneubau? In jüngster Zeit wurden öffentliche und private Bauvorhaben wiederholt kritisiert, weil Rückbau und Ersatz einer Weiterentwicklung im Bestand vorgezogen wurden, wodurch die bereits aufgewendeten Ressourcen vernichtet werden und neue Emissionen beim Bau anfallen.

Auch die Zürcher Stadtverwaltung befasst sich mit solchen Grundsatzentscheiden und projektbezogenen Interessenabwägungen. Tatsächlich hat die Stadt in ihren strategischen Variantenentscheiden nicht nur die CO2-Bilanz zu beachten. Benjamin Leimgruber präzisiert die Güterabwägung bei internen Projektevaluationen: «Das sind ganz grundsätzliche Diskussionen, die weit über die Bestandsfrage hinausgehen. Nutzungsanforderungen, Raumstandards, Normen und Sicherheiten gelten unter der Zielsetzung Netto-Null-Emissionen weiterhin.» Deshalb sei eine Gewichtung der einzelnen Anforderungen jeweils von Fall zu Fall erforderlich.

Die Reduktion von direkten und indirekten THG-Emissionen ist ihrerseits ein zentraler Bestandteil von projektbegleitenden Nachhaltigkeitsanalysen. Bei der Betrachtung einzelner Projekte sind insofern weitere ökologische, soziale und ökonomische Kriterien zu berücksichtigen. Allerdings gilt: Jede projektspezifische Gewichtung darf das Reduktionsziel für das gesamte Immobilien-Portfolio nicht gefährden.

Freiwilliges Mitwirken

Was für die städtischen Organisationseinheiten verbindlich ist, können private Gebäudeeigentümer:innen freiwillig tun. Um das Netto-Null-Ziel auf breiter Basis umzusetzen, sollen auch sie die Emissionsbilanz im Lebenszyklus ihrer Liegenschaften verbessern. So gibt es Gebäudelabels, die eine Begrenzung der grauen Energie beinhalten. Und die Stadtbehörde kann gegenüber privaten Bauherrschaften spezifische Vorgaben bei der Erarbeitung von Gestaltungsplänen und Sonderbauvorschriften einbringen. Allerdings setzen bislang weder kantonales noch nationales Recht auf verbindliche Limiten für indirekte CO2-Emissionen bei der Erstellung von Gebäuden. Eine Verpflichtung, die mit den Anforderungen an einen energieeffizienten Betrieb vergleichbar sind, scheint für die Erstellung noch in weiter Ferne.

Was generell interessiert: Welches sind die Stellschrauben zur Reduktion von indirekten, grauen Emissionen? Gemäss Niko Heeren, Leiter der Fachstelle Umweltgerechtes Bauen im Amt für Hochbauten, sind die wirkungsvollsten: «Erhalten, sanieren, umbauen, wiederverwenden und recyceln.» Falls Neues gebaut werde, sei es kreislauffähig und ressourceneffizient zu erstellen. Optionen mit ähnlicher Wirkung sind ebenfalls: Holz anstelle von Beton, eine höhere Materialeffizienz sowie mehr Suffizienz bei den Nutzflächen. Das Ziel der Stadt, 30 % weniger indirektes CO2 bei der Erstellung von Neubauten, sei schon heute umsetzbar: «Aber nur, wenn alle Register gezogen werden», ergänzt der Fachstellenleiter (vgl. «Forschen, bilanzieren und abwägen – bevor die Stadt baut»). Eigene Potenzialabschätzungen ergeben allerdings, dass die Baustoffindustrie einen bedeutenden Hebel zur Reduktion von indirekten THG-Emissionen besitzt. «Langfristig führt kein Weg daran vorbei, Baumaterialien wie Zement, Stahl oder Holz vollständig CO2-frei herzustellen», führt Heeren aus.

Spielregeln anpassen

Eine substanzielle Reduktion der indirekten Emissionen beim Bauen ist möglich, die Handlungsspielräume aber sind begrenzt, wie bei allen indirekten Emissionen. Die UGZ-Verantwortliche Rahel Gessler erklärt, letztlich sei die Stadt darauf angewiesen, dass die produzierende Industrie auch in anderen Regionen und Ländern ihre CO2-Bilanz verbessert. «Erst dann können wir THG-freie Ware importieren und die indirekten Emissionen markant senken», so Gessler. Auch die breite Bevölkerung geht das etwas an: Sie nimmt eine wichtige Rolle ein, weil sie ebenfalls viel zum Klimaziel beitragen kann, nicht nur mit dem individuellen Verhalten, sondern als Gesellschaft: «Ihre Wertehaltung ist der wichtigste Schalthebel, der die weitere Entwicklung erst möglich macht. Nur so können sich die Spielregeln in allen Konsumsektoren langsam verändern und die Emissionen auf netto null sinken.»

Von der Stadt zu den Privaten

Der Weg von der Vision einer klimaneutralen Stadt über den Zielpfad bis zur praktischen Umsetzung ist also weit und verzweigt (vgl. «Stadtentwicklung», oben). Obwohl die ersten Etappen absehbar sind, zeichnen sich auch Hürden ab. So könnte das prognostizierte Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, das unter anderem mit einer Innenentwicklung von urbanen Zentren aufgefangen werden soll, zu einem Konflikt mit dem Netto-Null-Ziel führen. Falls letzteres nur auf das eigene Territorium beschränkt bleiben soll. Insofern genügt es nicht, wenn sich nur eine Stadt und deren Bauverantwortliche darum kümmern, Netto-Null zu erreichen. Private Akteur:innen aus Immobilienwirtschaft und Bauindustrie müssen ihren Handlungsspielraum ebenso nutzen und ihre Verantwortung wahrnehmen, über einzelne Leuchtturmprojekte hinaus. Ein freiwilliges -Engagement oder das Prinzip Hoffnung reichen aber nicht, um alle Bauherrschaften, Planende und Baustoffproduzenten auf den Netto-Null-Pfad zu lenken. Effektiv fördern die aktuellen gesetzlichen und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen das Netto-Null-Prinzip zu wenig.

Wobei das Reduktionsziel für die THG-Emissionen ja nicht nur das Bauen betrifft: «Letztlich geht es um die Emissionen in allen Konsumbereichen», erklärt Sandra Nigsch, Co-Leiterin Raumentwicklung und Planung beim Amt für Städtebau. Ein nationales CO2-Gesetz könnte die Anforderungen in allen Sektoren vereinheitlichen und die Grundlagen für das Bauen, die Mobilität, die Ernährung und die Industrie gesetzlich gleichberechtigt regeln. Denn der Atmosphäre ist es letztlich egal, wie und wo die Treibhausgase ausgestossen werden. Aber auf die anderen zu warten, ist für Nigsch keine Option: «Wir wollen und müssen jetzt vorwärtsmachen.» Manche Ziele erreicht man, indem man sie setzt; manche Wege entstehen, indem man sie geht. On y va!

Stadtentwicklung: Wachstum als Dilemma für Netto-Null?

 

Mehr bauen, um nach innen zu wachsen, und gleichzeitig weniger bis gar keine Treibhausgase ausstossen: Geht das zusammen? Das Wachstumsdilemma, das in globalen und nationalen Klimadebatten erörtert wird, begleitet auch die lokale Umsetzung des Netto-Null-Ziels in Zürich: Im vergangenen Jahrzehnt ist die Stadtbevölkerung um beinahe 50 000 Menschen angewachsen; in den folgenden knapp 20 Jahren dürften nochmals 60 000 Personen mehr in der Stadt heimisch werden, aufgrund von Zuwanderung, steigender Geburtenzahlen sowie höherer Lebenserwartung. Die Stadtverwaltung rechnet bis 2040 mit einer Bevölkerung von rund 510 000 Zürcherinnen und Zürchern. Die Voraussetzung für eine qualitativ hochstehende Entwicklung schafft der behördenverbindliche Richtplan. Dafür ist zusätzlicher Wohnraum bereitzustellen; die Nutzfläche im Bestand reicht mit dem heutigen Flächenkonsum nicht aus. Zusätzlich braucht es mehr Infrastruktur wie Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulhäuser. Und weil auch die Generation der Babyboomer älter wird, muss die Stadtbehörde zusätzlich Pflegezentren und altersgerechten Wohnraum bereitstellen.

 

Zudem fordert die Bevölkerung weitere Leistungen: Vor gut zehn Jahren beschloss das Stimmvolk das «Drittelsziel» für die städtische Wohnpolitik: Bis 2050 ist der Anteil gemeinnütziger Wohnungen am Gesamtmarkt von 25 % auf 33 % zu erhöhen. Für die Umsetzung zeichnet sich eine städtische und genossenschaftliche Bauoffensive ab. Bis 2030 erwartet der Stadtrat, dass über 1000 zusätzliche Wohnungen unter anderem mithilfe von Ersatzneubauten entstehen sollen.

 

Über die Stadtgrenzen hinausdenken

 

Für die territoriale CO2-Bilanz bedeutet diese Wachstumsprognose: Die direkten und indirekten Emissionen drohen weiter anzusteigen und stellen den Netto-Null-Pfad infrage. Wird die Perspektive aber erweitert, wird aus dem negativen Befund ein positiver Input: «Die qualitätsvolle Siedlungsentwicklung an zentralen Lagen ist selbst eine ökologische Antwort auf das prognostizierte Wachstum», erklärt Sandra Nigsch, Co-­Leiterin Raumentwicklung und Planung beim Amt für Städtebau. Denn jedes Individuum, das in Zürich wohne, brauche durchschnittlich weniger Platz zum Wohnen und lege kürzere Wege zurück. Auch der städtische Verkehrsbetrieb funktioniere effizienter als ein motorisiertes Pendeln über weite Distanzen.

 

Lässt es sich in einer Stadt also ökologischer leben als ausserhalb? Nicht in jedem Fall, «aber im Durchschnitt verursacht es weniger THG-Emissionen», bestätigt Nigsch. Insofern entlastet ein wachsendes Zürich den Druck auf die Landschaft. «Obwohl solche indirekten Leistungen in keiner städtischen THG-Bilanz auftauchen: Wir müssen über die Grenzen unseres Systems hinausdenken.»

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Netto null bis 2040Wie die Stadt Zürich klimaschonend bauen will».

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem E-Dossier «Bauen für Netto Null».

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