Si­gna­tu­re or Col­la­bo­ra­ti­ve Ar­chi­tec­tu­re & En­gi­nee­ring: al­le zu­sam­men oder je­der für sich?

Publikationsdatum
01-02-2018
Revision
02-02-2018

Auch diese Fragestellung geht auf die zunehmende Bedeutung von BIM zurück (vgl. «Bildung für die Zukunft»). Je früher alle am Bau Beteiligten in die Planungsvorgänge eingebunden sind – was ja als expliziter Vorteil dieser Methode gilt –, desto schwerer ist es für die Entwerfenden, eine anfängliche Idee als nicht tragfähig zu bewerten. Mehrarbeit für das Architekturbüro ist unangenehm genug; hängt aber eine zusätzliche Runde für den gesamten Baustellenbetrieb daran, fällt der Schritt zurück noch schwerer. Klar, dass in der Konsequenz manche gute Idee zugunsten der Praktikabilität nicht weiterverfolgt wird und damit der Baukultur vorenthalten bleibt. Auf der Suche nach Lösungsansätzen für dieses Dilemma hat die Plattform für Baukultur «Architektur Dialoge» drei Referenten dazu eingeladen, ihre Idee von Kollaboration zu beschreiben. Der Anlass fand an der diesjährigen Swissbau statt.

Kenn Clausen von 3XN, Kopenhagen, hat bereits während seiner Universitätsausbildung im dänischen Aalborg von Beginn an in wechselnden Teams gearbeitet. Mit der Absicht, die Grenzen der Fachbereiche zueinander zu öffnen, nennt sich das Studium dort «architectural engineering». Diese Erfahrung bezeichnet er als grundlegend für sein Architekturverständnis. Das Büro von 3XN, das gerade das neue Headquarter des Olympischen Komitees in Lausanne baut, versteht sich als interdisziplinäres Team, dessen Interesse ganz allgemein die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Bei der Gestaltung beschränkt es sich nicht auf die Mittel der Architektur. Der abstrakte Schwerpunkt liegt von der Grafik bis zur Statik auf der Entwicklung von Modulen, die beliebig zu vervielfältigen sind. Aus diesem Grund reicht der Umfang der Projekte von einem ephemeren Pavillon in London bis zum neuen Fischmarkt für Sydney. Inzwischen gibt es eine zusätzliche Struktur, GXN, die sich mit der Erforschung von neuen (grünen) Materialien und Konstruktionen für die eigenen Projekte, aber auch für andere Firmen beschäftigt. Die Mitarbeitenden pendeln zwischen den Entwicklungsherden und bringen das Spezialwissen der Experten projektweise zusammen. Dabei befindet sich die Funktion jedes Einzelnen innerhalb des Teams ständig im Wandel. Die eigene Bürostruktur ist ein wichtiges Experimentierfeld. Das Hauptquartier in Kopenhagen ist als eine ebenerdige Häusergruppe mit offenen Begegnungszonen im Innen- und Aussenbereich formuliert. Dort, wo grosse Projekte im Planung sind, eröffnen Satellitenbüros, um alle Vorteile eines vor Ort eingebundenen Planerteams auszuschöpfen. Bedeutend ist die Strategie, alles Wissen, das innerhalb der Büros generiert wird, als Open Source ins Netz zu stellen. Auf diese Weise bieten 3XN und GXN eine Plattform für die virtuelle Gemeinschaft aus allen an ihren Themen interessierten Menschen. In dieser maximalen Offenheit spiegelt sich das Selbstverständnis des Büros wider.

Auch Francis Kéré, Berlin, bezeichnet die Erziehung zur Kollaboration als fundamental. In seiner Heimat Burkina Faso nutzt er den Respekt, der seiner europäischen Ausbildung zum Architekten entgegengebracht wird (siehe auch «Afrikanische Lektionen»). Er unterstützt und lenkt das Zusammenspiel von Bewohnern, die zugleich die Handwerker sind. Oft stösst er allerdings auf Unverständnis, wenn er die Qualität der traditionellen Lehmbauten preist und seinen Entwürfen zugrunde legt – in Afrika erscheinen diese Methoden, die in Europa einen grossen Boom erleben, verständlicherweise als rückständig. Auf Basis der vorhandenen Materialien und Baumethoden vermittelt Kéré Wissen, um die Gebäudestrukturen zu verbessern. Das geringe Kapital fliesst in einfache, aber klug gefügte Stahlkonstruktionen, die die Bauteile aus Lehm ergänzen und haltbarer machen. Dabei kommt ihm die tief verwurzelte afrikanische Kultur der Gemeinschaft entgegen. Je mehr Menschen den Baufortschritt beobachten, desto weiter streut sich das Wissen um die angewandten Methoden. So machen sich die Leute den Bau zu eigen und übernehmen Verantwortung für den Erhalt. Kéré bezeichnet sein Vorgehen als Reinvestition von Fachkenntnis. Diese ganz direkte Kommunikation vernetzt die Fähigkeiten und Kulturen der Bewohner verschiedener Kontinente auf Augenhöhe, jenseits von BIM.

Ganz im Bann von BIM arbeitet der global tätige Klimaingenieur Matthias Schuler, Transsolar, Stuttgart. Er setzt auf die symbiotische Zusammenarbeit zwischen Architekt und Gebäudetechniker. Für die Infrastruktur namhafter Gebäude wie zum Beispiel des Zollvereins in Essen (SANAA) hat er mit seinem Team individuelle Methoden erfunden, die die Energieversorgung der Bauten aus regenerierbaren Quellen ermöglichen – freilich nicht ohne grosse Investitionen in Entwicklung und Systeme. In diesem Sinn ist die Arbeit von Transsolar ein Beitrag zur Forschung, Vernetzung und Förderung innovativer Ansätze. Das Bedürfnis nach interdisziplinären Lösungen unterstreicht die Transsolar Academy, die jedes Jahr sechs Studenten aus aller Welt einlädt, in ihrem Büro mitzuarbeiten. Eine spannende Möglichkeit, um einen Einblick in die Welt der vernetzten Baukultur zu gewinnen.

Die Videoaufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.

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