Ge­bäu­de­tech­nik: Tur­bo der En­er­gie­wen­de?

Swissbau 2014

Fast die Hälfte des Schweizer Energiebedarfs wird von Gebäuden verursacht. Der Energieverbrauch der Gebäudetechnik hat massgeblichen Einfluss darauf, ob die Energieziele 2020 erreicht werden. Beim Themenanlass wurde in Frage gestellt, inwiefern die Gebäudetechnik zur Energiewende beitragen kann.

Publikationsdatum
24-01-2014
Revision
01-09-2015

Nach der Begrüssung durch Adrian Grossenbacher vom Bundesamt für Energie erläuterte Marco Piffaretti, Managing Director der Firma Protoscar SA, die Gemeinsamkeiten von Automobil- und Baubranche. Das Potenzial der Gebäudeautomation stand im Zentrum der Betrachtungen von Nationalrat Jürg Grossen. Am Schluss des Themenanlasses diskutierte die erweiterte Expertenrunde im Podium mit Moderator Beat Giger die Turbofunktion der Gebäudetechnik. 

Berührungspunkte mit Automobilbranche

Marco Piffaretti weiss, wie stark der Einfluss gesetzlicher Rahmenbedingungen auf die Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien ist, vor allem, wenn es um viel Geld geht. Fahrzeughersteller müssen innert 10 Jahren ihren Verbrauch um ein Drittel senken. Für jedes zu viel ausgestossene Gramm CO2 werden sie dann Bussen von etwa Franken zahlen, in Summe Milliardenbeträge.
 
Das hat in der Produktion zu einem verstärkten Augenmerk auf Energieeffizienz und Treibstoffbedarf geführt; allein dieses Jahr gibt es am deutschen Markt 16 neue E-Mobile. Ein ähnliches Bussensystem würde auch bei Gebäuden die Entwicklung und den Einsatz effizienter Systeme vorantreiben. Hier kann die Gebäudetechnik von der Automobilbranche lernen. 

Andererseits hofft Piffaretti, dass sich die Fahrzeughersteller von der Bauindustrie etwas abschauen: Bislang wird nur der Treibstoffverbrauch eines Autos betrachtet, graue Energie wird vernachlässigt. Im Bau gibt es schon die Berücksichtigung der Effizienz und der CO2-Emissionen über die ganze Kette. Wunschziel ist die Energiebedarfskalkulation «from well to wheel». 

Ein weiterer Berührungspunkt der beiden Branchen sind Energiespeicher: Erneuerbare Energie muss zwischengespeichert werden. Die benötigte Speichergrösse und -dauer ergänzen sich mit den Bedürfnissen eines E-Mobils. Eine Batterie ist «ein kleiner Stausee zu Hause» und gehört - wie auch die Leerverrohrung für die Autoladestation - in jeden Neubau. 

Gemeinsam planen

Nationalrat Jürg Grossen vergleicht Gebäude mit Menschen: Die Gebäudehülle stellt die Haut dar, die Elektroleitungen das Nervensystem, die Automation das Hirn. Letztere steht im Zentrum der Energieeffizienzsteigerung. Allein durch den intelligenten Einsatz von Gebäudetechnik können 50% Strom eingespart werden.

Mit Tageslichfühler und automatischer Storensteuerung kann auf 80% des künstlichen Lichts verzichtet werden. Beschattet man die Fassade, die direkt von der Sonne beschienen wird, können solarer Wärmeeintrag und Blendung vermieden werden. Gleichzeitig kommt auf den anderen Gebäudeseiten ausreichend Tageslicht in die Räume. Komfort und Energieeffizienz bilden daher eine Symbiose, und die Gebäudetechnik hat die Schlüsselrolle. 

Damit die maximale Effizienz erreicht wird, muss schon in der Projektierung angesetzt werden. Bauherrschaft, Architekt, IT, HLKS-Planer und Elektroplaner müssen gemeinsam festlegen, wie das Gebäude platziert und beschattet werden soll, welche Materialien und Geräte gewählt werden und wie Betriebsabläufe zu optimieren sind. «Man schafft beim Planen schon sehr viel für die ganze Lebensdauer», so Grossen.

Wie und wie schnell 

In der abschliessenden Podiumsdiskussion herrschte Einigkeit, dass die Gebäudetechnik die Energiewende vorantreiben kann und soll. Lediglich die Fragen «Wie » und «Wie schnell » spalteten die Gruppe. Markus Weber, Präsident des SIA-Fachvereins Gebäudetechnik und Energie, hielt daran fest, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung zum Ziel führt.

Nationalrat Peter Schilliger hingegen geht davon aus, dass Private sich das nicht leisten können und Einzelmassnahmen besser wären. Jürg Grossen warf in der Diskussion ein neues Problem auf: Investiert ein Eigentümer in effiziente Gebäudetechnik, profitieren die Mieter durch niedrigere Energiekosten mehr als der Investor selbst. «Dafür habe ich noch kein Rezept gefunden», so Grossen.

René Senn, stellvertretender Geschäftsleiter der Gebäude Netzwerk Initiative GNI, brachte den Konsens seiner Vorredner auf den Punkt: «Die Gebäudetechnik kann ‹Turbo› sein. Unsere Gesellschaft muss mehr über gelungene Projekte sprechen, um das Positive hervorzuheben, mit einem guten Image geht es noch schneller voran.»

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