Re-use: of­fe­ne­re Ab­läu­fe, aber auch Stär­kung des Hand­werks

Die Veranstaltung von SIA inForm von Ende November war eine Tour d’Horizon zum Thema Re-use. Sie fand vor dem Hintergund des SIA-Positionspapiers «Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie» statt, das im Herbst 2020 publiziert wurde.

Publikationsdatum
06-12-2021

Adrian Altenburger, der den Anlass moderierte, spannte den Rahmen auf: «Die Schweizer Re-use-Szene ist klein, der Vorteil ist, man muss nicht lang suchen und trifft immer wieder dieselben Leute.» Doch es kamen neben bekannten Fachleuten wie Kerstin Müller und Marc Angst von Baubüro in situ oder Peter Richner von EMPA-Nest auch Experten zu Wort, die weniger bekannt sind und das Feld um neue Sichtweisen und Felder öffneten.

Mit seinem Vortrag zum «Primeo Energie Kosmos» in Münchenstein warf Benjamin Hänzi als Bauherrenvertreter ein erfreuliches Licht auf die Terminplanung: «Wir hatten keine Probleme mit Re-use-Material und -Bauteilen, alles war rechtzeitig da – schliesslich warteten wir nicht auf Stahl aus China.» Auf dem Areal wird das Elektrizitätsmuseum in der alten Energiezentrale renoviert, und nebenan soll das neue Science- und Erlebniscenter im Herbst 2022 seine Türen öffnen.

Mit dem Center-Neubau «Faraday» von Rapp Architekten wird ein Pionierprojekt entstehen, bei dem der Life-Cycle-Ansatz möglichst optimal umgesetzt wird. Das aus rezyklierten Materialien erstellte Gebäude soll auch selbst wieder rezyklierbar sein. Zum Einsatz kommen unter anderem rückgebaute Materialien vom Primeo-Energie-Areal sowie Hochspannungsmastenteile von Swissgrid.

Die Methode dazu erläuterte Corentin Fivet von der EPFL in seinem Vortrag. Einmal mehr ist eine wichtige Erkenntnis, dass Bauen mit Re-use-Teilen nicht günstiger ist als ein Neubau. Zwar sind Materialteile teils kostenlos erworben worden, aber der Planungsaufwand fiel dafür schwerer ins Gewicht. Was die Qualität betrifft, so komme es auf die Rohstoffe an. Mit dem alten Parkettboden aus einem Bootshaus fand sicher eine Qualitätssteigerung statt, so Hänzi. Er erwähnte auch, dass der Umgang mit der Gebäudetechnik aufwendiger sei. Es erstaunt also nicht, dass unter diesen Umständen der Einsatz von Re-use bei den Bauphasen eine Verschiebung in Richtung Planung darstellt.

Später kam aus dem Publikum die Bemerkung, einzelne, handwerklich hochwertige Teile wiederzuverwenden sei das eine; wie aber sehe es aus mit dem grossen Materialanfall – etwa Fassadenteile oder Einbauten aus den zahlreichen 1950er-, 1960er-Jahre-Bauten? Dazu Marc Angst von Baubüro in situ: «Bei solchen Bauten steckt ein Grossteil der grauen Energie in der Tragstruktur – diese zu erhalten oder aufzustocken ist schon ein wichtiger kreislaufwirtschaftlicher Ansatz.»

Rechtliche Aspekte

Ein weiterer Vortrag von Lars Mülli, Direktor Gebäudeversicherung Zürich, beleuchtete weniger bekannte Aspekte um den Brandschutz bei Re-use. Auch die Erläuterungen des Rechtsexperten Oliver Streiff zum rechtlichen Rahmen beim Thema Kreislaufwirtschaft brachte interessante Zusammenhänge zutage. Rechtlich gesehen sei die Frage offen, ob Re-use-Teile Abfall seien – in diesem Fall käme das Umweltschutzgesetz zum Tragen. Wenn sie aber als Bauprodukte betrachtet würden, so würde das Bauproduktegesetz angewandt. Streiffs Hinweis, das Privatrecht besser zu nutzen, eröffnet aber Spielraum: In dessen Rahmen können sich Architekten, Bauherrschaften und Gebäudebesitzer direkt absprechen, und müssten nicht darauf warten, bis das öffentliche Recht angepasst wird.

Dass in der Schweiz definitiv Aufholbedarf bei Kreislaufwirtschaft am Bau besteht, ging aus dem Referat von Catherine De Wolf von der ETH Zürich hervor. Die Listen der Organisationen und Plattformen, die sich in Belgien oder in den Niederlanden mit dem Thema befassen, übersteigt das Schweizer Angebot bei Weitem. De Wolf ging auch auf die Rolle der Regierung in diesen Ländern ein, die wesentlich proaktiver ist als bei uns. Eine Frage dazu kam später auch aus dem Publikum: Müssen Planende Eigenverantwortung übernehmen, oder sollen sie auf eine politische Übersteuerung warten? Die Branche sei etwas träge, meint Marc Angst von Baubüro in situ – es brauche den Pioniergeist von Architekten und Ingenieure. Der Fairness halber – gegenüber kompletten Neubauten – muss aber auch das Gesetz nachschieben. Dass sich dies positiv auswirke, habe die Verwertungspflicht beim Recycling gezeigt.

Weiter seien auch Bund und Kantone gefordert, Massnahmen auf gesetzlicher Ebene einzuleiten – das bestätigte auch der Vortrag von David Hiltbrunner vom Bafu, Sektion Rohstoffkreisläufe. Er erwähnte verschiedene Postulate und parlamentarische Initiativen um die Kreislaufwirtschaft und die gesetzlichen Grundlagen. Vermutlich werden darüber hinaus die Kosten bei Re-use in Zukunft zweitrangiger und durch Abgaben aus der Politik übersteuert, denn Bauen ohne Antwort auf die CO2-Frage und den schonenden Umgang mit Ressourcen wird in Zukunft kein Thema mehr sein.

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