Neue Stadträume am Rhein
Im Basler Norden werden mit dem Ausbau des Rheinhafens auf dem Gebiet des ehemaligen badischen Rangierbahnhofs und der damit möglichen Verlagerung der Hafenbahn der Klybeck- und der Westquai frei für neue Nutzungen. Das städtebauliche Konzept von Baukontor Architekten, Zürich formuliert für die beiden Areale eine tragfähige Vision.
Stadtentwicklung zu Beginn des 21. Jahrhunderts bedeutet für unsere bis an die Ränder gewachsenen Städte die Entwicklung bereits bebauter Flächen, die Umwidmung und Transformation bestehender, aus ihrer ursprünglichen Funktionen entlassener Areale zu neuen Stadtbausteinen, deren Potenziale durch kluge Strategien entfaltet werden können. In Basel formuliert das städtebauliche Konzept für den Klybeckquai und die Westquai-Insel die Vision sozial und funktional durchmischter Stadtviertel am Fluss.
Bereits 1896 gab es an diesem Ort Planungen für eine städtebauliche Erweiterung zum Rhein. Die Klybeckinsel sollte durch Aufschüttungen in einem städtebaulichen Erweiterungsgebiet aufgehen und das Klybeckquartier als «Wohnquartier am Wasser» an den Rhein geführt werden. Mit der beginnenden Planung für den Bau des Rheinhafens 1914, dem Aushub des Hafenbeckens und dem späteren Bau des Hafenbahnhofs (1926) wurde diese Idee jedoch aufgegeben und das Quartier (wie auch Kleinhüningen) in der Konsequenz vom Rhein abgeschnitten.
Städtebauliches Konzept für den Basler Norden
Heute sind diese Gedanken im Rahmen der Planungen für den Basler Norden wieder aktuell. Das Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt hat, aufbauend auf den Erkenntnissen aus umfangreichen Planungs- und Evaluationsprozessen (siehe Kasten), für die Transformation der Areale die Erarbeitung eines städtebaulichen Konzepts beauftragt, das deren zukünftige Entwicklung, wie die der Hafenwirtschaft, kanalisiert und ausformuliert.
Das Team um Vittorio Magnago Lampugnani, Baukontor Architekten, Zürich, hat dazu in einem kooperativen Verfahren eine differenzierte und tragfähige Strategie für den Basler Norden entwickelt, als Grundlage für die weitere Planung. Am Klybeckquai und am Westquai entstehen sozial und funktional durchmischte Stadtbausteine mit Raum für über 8000 Arbeitsplätze sowie Bewohnerinnen und Bewohner.
Das Konzept baut auf der Geschichte des Klybeckquai und des Westquai ebenso auf, wie es deren mögliche zukünftige Rolle im städtischen Gefüge des trinationalen Entwicklungsraums formuliert. Eine zentrale Frage war dabei, so Vittorio Magnago Lampugnani, welches Gerüst von Stadträumen eine zukünftige Entwicklung definieren und damit fassen könne.
Die beiden Areale haben unterschiedliche Ausgangssituationen. Während der Klybeckquai mit der teilweisen Verlagerung der Hafenbahn an das Klybeckquartier angebunden wird und sich zu einem lebendigen Wohnquartier am Wasser entwickeln kann, werden auf dem Westquai mit seiner Insellage, der angrenzenden Hafennutzung und seinen historischen Industriebauten neben einem Angebot an kulturellen und Freizeiteinrichtungen, auch zukünftig gewerbliche Nutzungen angesiedelt sein.
Wie sich die Stadtbausteine entwickeln, werden Architekten und Planerinnen in zukünftigen Wettbewerbsbeiträgen definieren können. Baukontor Architekten haben für die beiden Areale die Strukturen und öffentlichen Räume definiert und für die jeweils möglichen Bebauungen typologische Vorschläge erarbeitet. So können diese schrittweise entwickelt werden und auf sich wandelnde Bedürfnisse reagieren.
Potenziale freilegen
Das städtebauliche Konzept bietet somit für die Entwicklung der beiden Areale grundsätzliche Überlegungen zu möglichen Nutzungsdurchmischungen, Parzellengrössen und Bautypen sowie den damit verbundenen Anforderungen an die Infrastruktur und Freiraumgestaltung. Gleichzeitig formuliert es Rahmenbedingungen für die Bebauung (Volumetrien, Höhen) und die Stadtsilhouette, die auch Empfehlungen für mögliche Erdgeschossnutzungen sowie für die Ausbildung der Strassenräume enthält.
Die vorgeschlagene Strategie ist aus dem Lesen und Verstehen des Bestehenden entwickelt, die Analyse von Lage, Ort und Nutzungsanforderungen führt gleichzeitig zur Ausarbeitung neuer städtebaulicher Elemente.
Klybeckquai und Klybeckquartier – Wohnen am Wasser
Mit der geplanten Verlegung der Hafenbahn besteht die Möglichkeit das Klybeckquartier an den Rhein zu führen. Dazu werden, wie bereits in der historischen Planung angelegt, die Querstrassen an den Rhein verlängert. Diese Strassenzüge bilden das Grundgerüst des neuen Stadtbausteins, der die offene Blockstruktur des Quartiers mit einer vielfältigen, durchlässigen Hofbebauung weiterführt.
Vorgesehen ist ein durchmischtes Viertel mit hohem Wohnanteil. Neben einem Schulhaus sind Büronutzungen, Kleingewerbe und Gastronomie vorgeschlagen. Da der Boden der Einwohnergemeinde gehört, können hier unterschiedliche Formen des Wohnens für verschiedene Bedürfnisse, auch günstiger Wohnraum, angeboten werden. Die Querverbindungen aus dem Quartier führen zu Plätzen am Wasser – einem neuen Element im Basler Stadtgrundriss.
Plätze am Wasser
In Basel hat der Flussraum als Freizeit- und Erholungsraum erst mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft an Bedeutung gewonnen. Heute ist das Rheinufer ein langgezogenes Erholungsgebiet, das am Kraftwerk Birsfelden (Hans Hofmann) beginnt und sich bis an den Klybeckquai entwickelt hat. Auch wenn es beinahe überall im Basler Stadtgebiet Zugänge zum Rheinufer gibt, stadträumlich verbunden waren die Stadt und der Fluss bis anhin nicht. Es fehlen in Basel die städtischen Plätze am Wasser wie wir sie aus Triest oder Venedig kennen, Plätze, die Sichtbezüge zum Rhein schaffen und gleichsam einer vierten Platzseite den Rhein als Teil des Stadtraums fassen.
Mit den vorgeschlagenen Wasserplätzen auf dem Klybeckquai entstehen Identifikationspunkte, die den Rhein als Teil der Stadt lesbar machen. Entsprechend ist im städtebaulichen Konzept eine die Plätze rahmende Bebauung mit hohen Häusern vorgeschlagen. Die Rheinpromenade wird weitergeführt, ebenso die sie begleitende Baumallee. Nach dem Vorbild des unteren Rheinwegs schlägt das städtebauliche Konzept vor, die zum Flussraum gelegenen Erdgeschosszonen mit Vorgärten zu ergänzen oder mit Restaurantnutzung zu belegen.
Gleispark
Entsteht am Rhein ein Erholungsraum am Wasser, schafft der Gleispark, der auf den Flächen der ehemaligen Hafenbahn entstehen wird, einen weitläufigen Grünraum. Der Park wird zum Scharnier zwischen dem bestehenden Klybeckquartier und dem Klybeckquai. Wie auch beim Westquai arbeiten die Planer mit dem Vorhandenen. Das ehemalige Gleisfeld wandelt sich zu einem Erholungsraum, der die Geschichte des Ortes nicht verleugnet, sondern erzählt, die Spuren der Hafenbahn bleiben erkennbar. Wie bei vergleichbaren Anlagen, etwa dem Berliner Mauerpark oder der High Line in New York, wird der Gleispark mit seiner industriellen Geschichte eine besondere öffentliche Grünanlage mit eigenem Charakter.
Westquai – eine lebendiger Stadtbaustein
Während der Klybeckquai eine schrittweise Transformation zu einem durchmischten Wohnquartier erfahren kann, bleibt am Westquai das Hafenquartier sicht- und spürbar. Das Areal ist definiert durch bestehende Relikte wie die Hafenkräne und die riesigen Getreidespeicher. All dies macht den Westquai zu einem besonderen Ort. Das städtebauliche Konzept würdigt und stärkt diese eigenständige Struktur und greift in der Gliederung auf diese räumlichen Charakteristika zurück. Zum Dreiländereck, an der Spitze des Westquais, ist ein Platz vorgesehen, zwei weitere Plätze spannen sich zwischen Hafenbecken und Rhein auf. Die Bebauung zum Hafen ist robust und kompakt vorgeschlagen, sie reagiert auch auf die umgebende Hafennutzung, während die zur geplanten Rheinpromenade kleinteiliger angedacht ist. Die vorgesehene Nutzungsmischung aus Büro- und Gewerbebetrieben, Kultureinrichtungen und Gastronomie trägt dem Charakter der Westquai-Insel Rechnung.
Umbau in Etappen
Die Stadterweiterung ist in mehreren Etappen vorgesehen. Zwischen 2025 und 2030 werden erste Parzellen am Klybeckquai bebaut, die zweite Phase folgt ab 2030, die dritte ab 2035. Durch diese Etappierung kann mit der Bebauung einzelner Parzellen begonnen werden, ohne dass noch bestehende Nutzungen, wie etwa die Hafenbahn, bereits verlagert sein müssen. Auch die geplante Verlegung der Haupterschliessung des Klybeckquais nach Innen (die Hauptstrassen sollen zukünftig entlang der (dann ehemaligen) Hafenbahnanlage verlaufen), muss nicht unmittelbar erfolgen.
Die typologischen Feinheiten für die neuen Areale werden in den nun folgenden Wettbewerben festgelegt, ebenso die bauliche Ausgestaltung der die Gebiete abschliessenden Flächen zum Dreiländereck im Norden und auf der ehemaligen Novartis-Parzelle im Süden. Mit der schrittweisen Entwicklung des Basler Nordens lässt das städtebauliche Konzept dem Umbau der Stadtteile den nötigen zeitlichen Raum für ihre Entfaltung.
Das Planerteam von Baukontor hat einen tragfähigen Rahmen und ein ausgewogenes Gefäss formuliert für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung des Klybeckquais und des Westquais und damit die Basis geschaffen für lebendige Stadtbausteine im Basler Norden.
Bisheriger Planungsverlauf
Mit der Modernisierung des Basler Rheinhafens, der Verlagerung der Hafenanlage auf das Areal des ehemaligen Badischen Rangierbahnhofs und dem geplanten neuen Hafenbecken III, eröffnet sich für den Kanton Basel-Stadt die Möglichkeit am Rhein neue Stadtbausteine zu entwickeln und die bestehenden Stadtteile Klybeck und Kleinhüningen an den Flussraum anzubinden (vgl. TEC21 20/2016).
Dabei spielt die Lage der Areale im Dreiländereck in die Planung hinein. Mit den Gemeinden Weil am Rhein (Deutschland), Huningue (Frankreich) besteht ein grenzüberschreitender städtischer Raum, dessen Wachstum zusammenspielt und von den betreffenden Städte und Gemeinden im Rahmen der Entwicklungsvision 3Land zu einer urbanen Teilstadt gedacht und geplant wird (vgl. TEC21 42/2016 und TEC21 43/2019). Das Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt hat daher einen umsichtigen Planungsprozess angestossen und bereits 2006 die Erarbeitung eines städtebaulichen Leitbildes beauftragt. Dieses gab eine sinnvolle Zuordnung der benötigen neuen Flächen für den Hafen die Umwidmung von Klybeckquai und Westquai in urbane Stadtbausteine vor. Ein wichtiges Element dieses Leitbildes war untern anderem die Verlängerung der bestehenden Querstrassen zum Rhein. In der Folge wurden 2009–2010 Testplanungen für die Areale durchgeführt, ein Studienauftrag (2012–2013) überprüfte die Planung in Hinblick auf Ihre Umsetzbarkeit. Mit der Programmation von 2017 war zudem seitens des Kantons die Basis geschaffen für die Definition eines inhaltlichen Leitbilds für den neuen Stadtbaustein.
Mit der Beauftragung von Baukontor Architekten im Rahmen eines kooperativem Verfahrens ein städtebauliches Konzept zu erarbeiten, legte der Kanton Basel-Stadt in der Folge die Grundlage für die weitere Entwicklung. Die Planer haben im Rahmen eines Workshop-Verfahrens den städtebaulichen Rahmenplan für Klybeckquai und Westquai gestaltet, basierend auf der Analyse der bisher für das Gebiet erarbeiteten Studien. Die Workshops fanden unter Beteiligung der Planer statt, die in die vorangegangenen Studien eingebunden waren.
Projektverantwortliche
Beat Aeberhard, Thom Waltert, Susanne Frank
Städtebau & Architektur, Kanton Basel-Stadt
PlanerteamBaukontor Architekten
Vittorio Magnago Lampugnani, Jens Bohm, Christopher Metz
Alle Beteiligten inklusive Begleitgremium und Fachstellen unter www.hafen-stadt.ch