Mul­ti­funk­tio­na­les Sta­di­on – nur auf Zeit?

EM 2008 Rückblick 1/3

Die Fussball-EM in Frankreich weckt Erinnerungen an das gleiche Event hierzulande vor acht Jahren. Rückblickend fragen wir: Was ist aus dem Letzigrund in Zürich geworden? Wurden die Versprechungen und Erwartungen von damals eingelöst?

Publikationsdatum
09-06-2016
Revision
09-06-2016

Die Geschichte der Zürcher Stadien und ihrer oft geänderten oder verworfenen Planung ist verworren. Ursprünglich war alles anders angedacht. Für die Fussball-Europameisterschaft (EM) 2008 hätte eigentlich das Hardturmstadion fertig gebaut sein und zum Austragungsort der Vorrundenspiele werden sollen. Doch Rekurse blockierten bekanntlich den Bau des damaligen Stadionprojekts mit Mantelnutzung («Pentagon» von Meili Peter Architekten) und es wurde klar, dass die geplanten Spiele dort nicht stattfinden konnten. Die Stadt Zürich war von der Uefa fix als Austragungsort für die EM 2008 gesetzt, jedoch ohne Stadion.

Für Leichtathletik und die Öffentlichkeit gedacht

In der Zwischenzeit war der Wettbewerb für das Letzigrundstadion entschieden. Der 1925 errichtete Vorgängerbau sollte durch ein neues Stadion ohne Mantelnutzung ersetzt werden. Das Siegerprojekt «Corculum Impressum» von Bétrix & Consolascio mit Frei & Ehrensperger Architekten besteht aus einer gros­sen offenen Grube im Erdreich, ähnlich dem Urstadion im antiken Olympia, umgeben von überdachten Erdwällen für die Zuschauer. Mitten in der Stadt Zürich sollte ein öffentlich zugänglicher Ort, ein sogenannter Stadionpark entstehen – für Leichtathletik, eine gewisse Anzahl grosser Events, aber auch für kleinere Quartierveranstaltungen. 

Auch für Fussball gebaut

In der verzwickten Situation beschloss der damalige Stadtrat kühn, das Letzigrundstadion ein Jahr schneller als geplant und Fussball-EM-tauglich zu realisieren (vgl. TEC21 24/2008). Das städtische Stadionprojekt fand im Quartier und in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz und schaffte sämtliche Bewilligungshürden ohne eine einzige Einsprache. 2005 wurde der Neubau von der Zürcher Stadtbevölkerung mit einer Mehrheit von rund 75 % gutgeheissen und der Zusatzkredit für die Anpassungsarbeiten EM 2008 mit knapp 70 % Ja-Stimmen bewilligt.

Der Grundstein für ein polysportives Stadion war gelegt, und mit vereinten Kräften und dank planerischen und baulichen Höchstleistungen wurde in Rekordzeit das «Wunder von Zürich»1 vollbracht. Das Stadion wurde 2007 rechtzeitig fertiggestellt und die drei Vorrundenspiele der EM 2008 erfolgreich ausgetragen.

Multifunktionale ­Nutzung

Seit der Fertigstellung wird der mit öffentlichen Geldern finanzierte Letzigrund vom Sportamt der Stadt Zürich betrieben und als polysportives Stadion und Eventstätte rege benutzt. Weltweit bekannt ist das jährliche Leichtathletikmeeting «Weltklasse Zürich». 2014 diente der Letzigrund als Austragungsort für die Leichtathletik-EM. 

Seit über acht ­Jahren und bis auf Weiteres ist der Letzigrund auch das einzige Fussballstadion in Zürich und somit Heimstätte der beiden Fussballclubs FCZ und GCZ. Fast jedes Wochen­ende finden demzufolge Meisterschaftsspiele statt, die je nach dem jeweiligen Gegner von mehr oder weniger Zuschauenden besucht werden. Viermal pro Jahr verwandelt sich der Letzigrund zur beliebten Open-Air-Bühne.

Mit Platz für 50 000 Zuschauer ist das Stadion die grösste Eventstätte der Schweiz und bei den Veranstaltern sehr beliebt. Allerdings musste – bedingt durch die zahlreichen Nutzungen und die kommerziellen Veranstaltungen – nach kurzer Zeit auf die ­ursprüngliche Idee des öffentlich zugänglichen Stadionparks aus betrieblichen und sicherheitstechnischen Gründen verzichtet werden.

Offene Zukunft

Die Frage, wie sich der Letzigrund betrieblich weiterentwickelt, hängt wesentlich von der immer noch offe­nen Frage des Hardturmstadions ab. Nachdem das städtische Stadion­projekt 2013 an der Urne mit 50.8 % abgelehnt wurde, läuft zurzeit ein Investoren-Studienauftrag mit der Absicht, auf dem Hardturmareal unter anderem auch ein Fussballstadion für 18 000 Zuschauer zu errichten (vgl. TEC21 51–52/2015).

Zürich hätte dann tatsächlich zwei Stadien, wobei der Hardturm zur Heimspielstätte der beiden Fussballclubs FCZ und GCZ würde. Der bis anhin auch für Fussball genutzte Letzigrund bliebe Leichtathletikstadion und Eventstätte. Die Idee des frei zugänglichen Stadionparks für das Quartier könnte und müsste in diesem Zusammenhang wieder aufgegriffen werden.

Anmerkung

1 Daniel Kurz, Stadt Zürich (Hrsg.), Stadion Letzigrund Zürich / Stadium Letzigrund Zürich, gta Verlag, Zürich 2007

Am Bau Beteiligte


Eigentümerin
Stadt Zürich, Hochbaudepartement; Immobilien-Bewirtschaftung der Stadt Zürich

Betreiber
Stadt Zürich, Schul- und Sportdepartement; Sportamt der Stadt Zürich

Architektur
Bétrix & Consolascio mit Frei & Ehrensperger Architekten, Zürich

Tragwerksplanung
WaltGalmarini, Zürich

Weitere Informationen
 

Fertigstellung
30. August 2007 (Neubau)
 

Kapazität
24 061 Plätze Fussball international
25 773 Plätze Leichtathletik
26 104 Plätze Fussball Super League
30 930 Plätze Fussball-EM 2008
50 044 Plätze Konzerte
200 Parkplätze (Einstellhalle für Normalbetrieb)
 

Vereine
Fussballclub Zürich (FCZ)
Grasshopper Club Zürich (GCZ)
Leichtathletikclub Zürich (LCZ)

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