Män­gel beim Bau, De­fi­zi­te in der Ver­stän­di­gung

Swissbau 2012

Um 9 Uhr öffnete die Swissbau in Basel ihre Tore. Die Eröffnung wurde mit Ansprachen von bauenschweiz-Präsident Hans Killer und Bundesrat Johann Schneider-Ammann eingeleitet – gerahmt von Protesten der UNIA gegen den aktuellen vertragslosen Zustand im Baugewerbe.

Publikationsdatum
17-01-2012
Revision
01-09-2015

Schneider-Ammann widmete sich der wirtschaftlichen Lage: Als «volkswirtschaftliches Schwungrad» besitze die Baubranche in der Schweiz eine hohe Bedeutung. Im Gegensatz zum umgebenden Ausland beruhe deren Erfolg auf drei Seilschaften: der (trotz aktuell fehlendem Gesamtarbeitsvertrag) stabilen Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dem Zusammenwirken von Finanzindustrie und Realwirtschaft (werden günstige Kredite für (bauliche) Investitionen vergeben?) sowie der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik. Sacha Menz, Architekt und Professor am Institut für Technologie in der Architektur an der ETH Zürich, ergänzte die Ausführungen später noch um eine vierte Seilschaft, diejenige zwischen Forschung, Bauwirtschaft und Politik. Trotz den guten Voraussetzungen werde 2012, so Ammann, auch wegen der internationalen Abhängigkeiten, ein schwieriges Jahr.

Baumängel: gute Ausführung, noch höhere Ansprüche

Menz' anschliessender Vortrag bot denn auch Hand zu konkretem Handeln. Er präsentierte eine Studie, die derzeit an der ETH Zürich mit Unterstützung des Schweizerischen Baumeisterverbandes durchgeführt wird. Die Arbeit mit dem Titel «Bauen ohne Mängel – Wunsch oder Realität » hat das Ziel, einen Überblick über die verbreitetsten Baumängel zu erhalten sowie konkrete Strategien dagegen zu entwickeln. Untersucht wurden 5000 Projekte aus dem Zeitraum 1992–2010. Ca. 8% aller Bauausgaben wurden dabei für die Beseitigung von Baumängeln ausgegeben, wobei lediglich die «wesentlichen», also konstruktiven, Mängel erfasst wurden. Definiert wurde ein Mangel dabei gemäss SIA 118 als «Abweichung vom Vertrag». Das Gros der Reklamationen betrifft die Gebäudehülle, insbesondere die Anschlüsse – eine Folge des energieeffizienten Bauens, das die Hülle immer komplexer werden lässt  

Die Studie empfiehlt fünf Massnahmen, um diesen Strukturen entgegenzuwirken:

  • breite und konsequente Aus- und Weiterbildung für alle Beteiligten, vom Hochbauzeichner bis zum Fachplanenden
  • Nutzung eines Entscheidungsterminprogramm: Zwar werde oft davon gesprochen, doch bei kaum einem Projekt wird es tatsächlich implementiert
  • Ausführliche Vergabegespräche mit den Unternehmungen sowie das Einholen von Referenzen (ist eine Firma in der Lage, das Gewünschte zu liefern?)
  • Obligatorische Prüfung der Ausführungs- und Detailpläne durch Architekt, Bauleiter, Hochbauzeichner
  • Forschung zu beschleunigten Bautechnologien (dieser Punkt kam in den Ausführungen etwas zu kurz ...) 

Wer ist verantwortlich 

Die anschliessende, von Filippo Leutenegger moderierte Podiumsdiskussion nahm das Thema direkt auf. Es diskutierten Sacha Menz, Martin Grüninger (Mitglied der Geschäftsleitung der grössten Schweizer Genossenschaft ABZ), Laurent Vulliet (Vizepräsident SIA), Daniel Niggli (EM2N-Architekten) und Werner Messmer (Zentralpräsident SBV Schweizerischer Baumeisterverband). Die Quintessenz: Die zunehmende Komplexität des Bauens, die damit einhergehende Spezialisierung und das «sequenzielle Denken» (Menz) bergen Gefahren für Planung und Ausführung. Daher braucht es den «Generalistenarchitekten» und das duale Bildungssystem der Schweiz weiterhin – die verschiedenen Zugänge zu den Bauberufen sollen erhalten, die Aus- und Weiterbildung vertieft werden. Werner Messmer wünscht sich eine Betreuung der Bauherrschaften durch die Architekten, Laurent Vulliet regte statt einer Diskussion über konstruktive Mängel eine Debatte über Baukultur, aber auch die (Umgangs-)Kultur auf dem Bau an. Neben dem immer wieder zu hörenden Wunsch nach einem Ansprechpartner, der seine Verantwortung auch tatsächlich wahrnimmt, wurde erneut Sacha Menz konkret: Er präsentierte die Idee einer Bauakademie als Weiterbildungsinstitution für alle Bauberufe.

Informationen zur Swissbau: http://www.swissbau.ch

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