Lehmhybride
Editorial TEC21 6/2024
Bereits in den 1980er-Jahren wurde für den Baustoff Lehm eine Renaissance ausgerufen, die sich in der Praxis jedoch nicht bestätigte. Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise kommt er nun wieder aufs Tapet. Seine ästhetischen, haptischen und raumklimatischen Vorzüge sind bekannt. Und seine energiearme Herstellung, lokale Verfügbarkeit und Kreislauf-fähigkeit prädestinieren ihn als zeitgemässes Baumaterial. Woran liegt es also, dass das Bauen mit Lehm noch nicht alltäglich ist?
An den Prozessen der Bauwirtschaft und fehlendem Wissen: Die Gewinnung und Verarbeitung von Lehm auf der Baustelle sind aufwendig, zeitintensiv und dadurch mit Mehrkosten verbunden, die Unternehmer und Bauherrinnen zu zahlen bereit sein müssen. Zudem fehlen beim Lehm im Vergleich zum Beton 150 Jahre Forschung.
Doch es gibt Hoffnung für die Rückkehr des Naturbaustoffs: In diesem Heft zeigen wir, wie die Innenräume des Hotels Leo in St. Gallen vom lebhaften Charme der Lehmbausteine profitieren, und begleiten ein innovatives Forschungsprojekt, das die Tragfähigkeit von Geschossdecken aus Lehmbögen testet. Dabei wird deutlich, dass sich die spezifischen Eigenschaften des Lehms besonders im Verbund mit anderen Materialien wie Stahl oder Holz optimal einsetzen lassen. Vielleicht ist Lehm nicht das Wundermittel des nachhaltigen Bauens, als das er gern bezeichnet wird, aber sicher einer von vielen Ansatzpunkten, die zum Wandel in der Baubranche beitragen können.