Ge­bäu­de als Kraft­werk

Swissbau 2012

Die Energiewende ist Realität: Der Klimawandel hat eingesetzt, der Peak Oil ist überschritten, der Energieverbrauch steigt. Der beschlossene Atomausstieg verschärft die Situation. Ob der Gebäudepark Schweiz seinen Beitrag zur Energieeinsparung und -erzeugung leisten kann, diskutierten Vertreter von Behörden, Industrie und Hochschulen an der Swissbau-Veranstaltung «Gebäude als Kraftwerk».

Publikationsdatum
20-01-2012
Revision
01-09-2015

Den Einstieg des in vier Teile gegliederten Events vom 19.1.2012machte Jürg Hofer, Leiter des Amts für Umwelt und Energie in Basel-Stadt. Er rekapitulierte die Bemühungen, die der Kanton in den letzten Jahren zum energieeffizienten Bauen unternommen hat: 10-12 Mio. Franken pro Jahr an Subventionen, finanziert über die Energieförderabgabe, oder der 2010 zum zweiten Mal ausgelobte Modernisierungswettbewerb, der vorbildliche energetische Sanierungen auszeichnet. Gleichzeitig wurde aber klar, dass dieses Potenzial von den Eigentümern nur sehr beschränkt ausgeschöpft wird: Die Sanierungsrate beträgt nur 1% des Gebäudebestands im Kanton. Wie also können Bauherrschaften dazu bewegt werden, ihre Liegenschaft energetisch zu ertüchtigen? Jürg Hofer plädiert für Zuckerbrot und Peitsche: Neben Subventionen, dem Wettbewerb und Dienstleistungen wie der Solarstrombörse und dem Solarkataster brachte er die Idee ein, sanierungsunwillige Eigentümer mit einer Abgabe zu belegen, die dann wiederum sanierungswilligen Bauherrschaften zugute kommen könnte. Neben dem Einsparpotenzial geht es aber auch darum, den benötigten Strom möglichst mit erneuerbaren Quellen zu erzeugen: Der Kanton Basel hat das Ziel, in den nächsten zwei Jahren 50'000 m2 an Dachfläche mit Fotovoltaikanlagen zu bestücken – versorgt werden könnten damit bis zu 1400 Haushalte. Zudem gibt es erstmals eine positive Prognose, was den Stromverbrauch angeht: Während dieser in der gesamten Schweiz in den letzten Jahren kontinuierlich anstieg, ging er 2010 in Basel um 1.1 % zurück.

Form follows fuel

Dass der hohe Energieverbrauch lange Zeit als positives Zeichen von Wachstum und Modernisierung betrachtet wurde, machte Peter Droege von der Universität Liechtenstein in seinem anschliessenden Vortrag deutlich. Mittels internationaler Beispiele zeigte er die Dynamik auf, die das Wachstum der Städte und damit auch deren hoher Konsum an Ressourcen in den letzten Jahrzehnten aufwiesen. Gemäss Droege kann aber auch dieser Verbrauch mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden – solange er auf dem aktuellen Niveau gehalten kann. Die Lösung liegt in lokalen, autarken Lösungen: in Projekten wie der IBA Hamburg oder der niedersächsischen Gemeinde Jühnde, die ihren gesamten Energiebedarf aus einem Biomassenkraftwerk deckt, das zu 100 % mit Kuhmist betrieben wird. Solche Ansätze könnten auch für die Schweiz, die immerhin zu 80 % energieimportabhängig ist, interessant sein.

Solares Baumaterial

Das weitaus grösste Potenzial bei den erneuerbaren Energien besteht gemäss Christian Renken, Geschäftsleiter von 3S Photovoltaics in Lyss, bei der Solarenergie. Der Brachenverband Swissolar strebt daher bis 2025 in der Schweiz einen Anteil von 20 % an, und zwar allein über die Nutzung bestehender Gebäudestrukturen. Das Potenzial ist aber weitaus grösser: Tatsächlich nutzbar wären 200 km2 Fläche an Dächern und Fassaden, um das angestrebte Ziel zu erreichen braucht es aber lediglich 90 km2. Wichtig ist dabei die Wechselwirkung mit der Architektur. Renken plädiert für den Einsatz der Fotovoltaik- und Solarthermiemodule als «solares Baumaterial» an Dächern und Fassaden.

Revolution an der Basis

In der anschliessenden Podiumsdiskussion debattierte – wie so oft an der Swissbau – eine reine Herrenrunde, bestehend aus den Referenten sowie Josias Gasser, Geschäftsführer der Josias Gasser Baumaterialien AG und Nationalrat der Grünliberalen, Patrick Hofer-Noser, CEO der Meyer Burger Technology AG, Thomas Jäggi, Geschäftsführer der Jäggi-Bigler AG, und Adrian Schmid, Geschäftsleiter des Schweizer Heimatschutzes. Moderator Axel Simon eröffnete die Diskussion mit der provokanten These, dass die Notwendigkeit von energieeffizientem Bauen zwar unumstritten sei, aber vor allem bekannte Büros mit Prestigeobjekten dies ungern umsetzen würden. Diese These blieb unwidersprochen. Einig war man sich, dass das grösste Potenzial bei erneuerbaren Energien bei der Solarenergie liegt. Es existieren bereits starke Anreize für Hauseigentümer, eine energetische Sanierung durchzuführen - tatsächlich erfolgt die Umsetzung aber eher schleppend, die landesweite Sanierungsrate liegt bei etwa 1.5%. Massnahmen, um diesen Prozess zu beschleunigen, könnte eine eidgenössisch einheitliche Regelung zu Solaranlagen auf Neubauten bieten, ebenso gesetzliche Regelungen, die Bauherrschaften zur Sanierung verpflichten – und, um auf die eingangs gestellte These zurückzukommen – eine verstärkte Zusammenarbeit der Industrie mit den Hochschulen.

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