Farben und Steine
Im Rahmen der Europäischen Tagen des Denkmals besuchte die TEC21-Redaktion die Kirche Bruder Klaus im zugerischen Oberwil und die Wohnanlage «La Tourelle» in Genf.
In diesem Jahr waren die Häuser, die zu den Europäischen Tagen des Denkmals offen standen, unter dem Aspekt einer besonderen Farbgestaltung ausgewählt. Wir haben die schon in ihrer Erscheinung eigenwillige, 1956 in Zug erbaute Kirche Oberwil besichtigt. Ihre allzu modernen Fresken mussten nach Protesten der Kirchgänger jahrelang von einem Vorhang verdeckt werden. Einen weiteren Besuch haben wir der ebenso radikalen wie gelungenen Wohnanlage «La Tourelle» in Genf aus den späten 1960er-Jahren abgestattet: Die Kunst am Bau ist hier ein integraler Bestandteil der Architektur, der bis heute überzeugt.
Kirche Oberwil: Fresken von Ferdinand Gehr
Nachdem seit Ende der 1940er-Jahre die Bevölkerung von Oberwil bei Zug stark gewachsen war, fiel 1953 der Beschluss für einen Kirchenneubau. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben, an dem alle katholischen Architekten aus dem Kanton Zug sowie drei nicht aus dem Kanton stammende Architekten zugelassen waren. Das Preisgericht entschied sich für das Projekt «Zelt Gottes» von Hanns Anton Brütsch und seinem Partner Alois Stadler aus Zug. Es fügte sich etwas zurückversetzt von der Strasse in die Landschaft ein. Im Dezember 1954 begannen die Bauarbeiten. Im selben Jahr wurde auch ein Wettbewerb für die Kunst am Bau ausgeschrieben, den der Maler Ferdinand Gehr gewann. Gehr, der zu Beginn seiner Laufbahn als Stickereizeichner arbeitete, gehört heute zu den international anerkannten Kirchenmalern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk löste aber in den 1950er-Jahren starke Proteste aus.
«La Tourelle» in Genf 1965–1973 von Georges Berthould, Georges Brera, Claire und Oscar Rufer und Paul Waltenspühl
Das Ensemble «La Tourelle» in Genf umschliesst einen rechteckigen Park von 5 ha Grösse. Die vier Riegel beherbergen über 100 Wohnungen – von einfachen Apartments bis zu luxuriösen Duplexwohnungen mit Pool – für rund 2500 Bewohner. Bis heute gelingt eine Durchmischung der Bewohnerschaft.
Kunst am Bau war damals ein selbstverständlicher Teil der Architektur, den die Planer in diesem Fall als Wandbilder auf den Waschbetonwänden in den Erdgeschosszonen einplanten und der den Bauten bis heute eine enorme Klasse verleiht. Ein durchlässiges Entree führt neben den Abstellräumen für Velos und Kinderwagen zu Lift und Treppenaufgängen, denen jeweils eine helle Wartezone zugeordnet ist. Die Eingangsbereiche sind mit extra transparentem, rahmenlosem Glas geschützt und bieten Durchblicke in den innen liegenden Park. Zur Gestaltung der 16 Zugänge haben die Architekten acht Künstler beauftragt, mit denen sie seit ihren Studienzeiten an der Ecole des Beaux-Arts in Paris befreundet waren. Darunter Jean Baier, Jakob Bill, und Jean-Paul Reimers. Ausgestattet mit einem winzigen Budget für Ausführung und Honorar haben die Künstler ihre Entwürfe als Skizzen präsentiert und anschliessend von der vor Ort tätigen Fassadenfirma mit verschiedenfarbigen Kieseln und Glassplittern umsetzen lassen. Denn je mehr Kosten das Material verbrauchte, desto weniger blieb ihnen als Honorar.
Zu sehen sind Wandbilder von Jean Baier, Jakob Bill, Stéphane Brunner, Gérald Ducimetière, Jean Latour, Rolf Lehmann, Jean-Francois Liegme, Charles-Francois Philippe, Jean-Pol Reimers und Corinne Waltenspühl.