Durch­dach­te Ge­stal­tung

Grosspeter Tower, Basel

Die Fassade des neu gebauten Grosspeter Tower in Basel ist komplett mit Solarmodulen bestückt. Technoid wirkt die Fassade trotzdem nicht. Voraussetzung war die Abstimmung der Disziplinen Architektur, Tragwerk und Solartechnik zu einem Gesamtsystem, das die Nutzung mit einbezieht.

Publikationsdatum
15-06-2017
Revision
18-06-2017

Der 22-geschossige Grosspeter Tower steht am südöstlichen Eingang Basels unmittelbar beim Autobahnanschluss A2/A3 und in der Nähe des Basler SBB-Bahnhofs. Mit 78 m Höhe überragt er alle umliegenden Bauten. Einem Wahrzeichen gleich steht das Hochhaus für die Verknüpfung von Architektur, Nutzung, Tragwerk, ­Fas­sadenplanung und Solartechnik zu einem Gesamt­konzept. Das Tragwerk ist entsprechend dem Kräftefluss abgestuft und spiegelt sich in den Riegeln und Stegen der Fassade wider. Der Rhythmus der Fassadenele­­mente korrespondiert wiederum mit der Geschoss­nutzung und gibt dem Gebäude sein typisches Erscheinungsbild. Die Fassadenpaneele mit flächendeckenden Solarmodulen sind gänzlich in die Fassadengestaltung integriert. Es ist ein Projekt, in dem die verschiedenen Disziplinen am Bau sich nicht nur ergänzen, sondern einander bedingen.

Das Hochhaus steht auf einer trapezförmigen Parzelle. Diese ist Teil des Grosspeter-Bebauungsplans und das östlichste der sechs Baufelder. Auf dem Areal sollte der Dienstleistungsbereich um den Bahnhof SBB sinnvoll erweitert werden. Das in einem mehrstufigen Wettbewerbsverfahren entwickelte Bebauungskonzept gewannen 2002 Miller & Maranta Architekten. Zu berücksichtigen waren Optionen für geplante Verkehrs­bauten, das Nationalstrassen-Teilstück der A2 zwischen Bahnhof SBB und Gellert sowie ein fünftes Gleis der SBB. Im Osten sollte ein Hochhaus einen Akzent setzen, der stadtauswärts den Abschluss der Bebauung bildet. Die Projektierung dieses Hochhauses vergab die Bauherrschaft zunächst direkt dem Basler Büro Degelo Architekten. Nach dem Vorprojekt beauftragte die Bauherrschaft die Basler Architekten Burckhardt + Partner. Zusammen mit den Basler Tragwerksplanern von ZPF Ingenieure und weiteren Fachplanern und Spezialisten sind sie für den Grosspeter Tower verantwortlich.

Tragstruktur widerspiegelt Nutzung

Das Gebäude mit Hotel- und Büronutzung setzt sich aus zwei ineinandergreifenden Volumen zusammen und hat von jeder Seite eine andere Form (Abb.). Im sechsgeschossigen Sockelbereich sind Büro­flächen und das Hotel angeordnet, und im 25 × 24 m grossen, im Grundriss also fast quadratischen Hochhaus mit zusätzlichen 16 Geschossen werden bis Mitte Sommer dieses Jahres weitere 11 000 m2 Büroflächen realisiert. Der Mieterausbau ist im «Core and Shell»-Prinzip individuell konzipiert worden. Dabei werden sämtliche Mietflächen vorerst nur in einem Grund­ausbau ausgeführt. Dieser umfasst die Gebäudehülle (shell = Schale) und die zentrale Er­schlies­sung (core = Kern) wie Aufzüge, Treppen­häuser und Installationsschächte. Dadurch ermöglicht die Bauherrschaft unterschiedliche Mieteinheiten von 210 bis 880 m2, die ­variabel ausgebaut, flexibel im Grundriss disponiert und über mehrere Geschosse ­zusammengelegt werden können.

Die Tragstruktur als Skelettbau mit Ortbetonflach­decken von 26 bis 30 cm Stärke ist die optimale Antwort auf diese Anforderungen. Beim Turm sind die Flach­decken mit einer Regelspannweite von bis zu 8 m auf einer Stahlrahmenkonstruktion (Vierendeelträger) in der Fassaden­ebene und auf tragenden Wänden im Kernbereich ge­lagert. Im Sockelbereich lagern die Flachdecken auf Stahlbetonwänden in der Fassadenebene, drei weiteren Kernen und Fertigbetonstützen im Geschoss­innern. Zwei zusätzliche Stahlkernstützen leiten die hohen Lasten aus dem Turm im Gebäudeinnern ab. Das betonierte Untergeschoss wirkt als steifer Kasten, in dem die Kerne und aussteifende Wände eingespannt sind.

Oberhalb des ersten Obergeschosses kragt das Hochhaus um rund 8.8 m aus – eine Vorgabe aus dem Bebauungsplan. Statt es auf seinem kompletten Fuss stehen zu lassen, wurde dem Volumen ein beträchtlicher Teil seiner Standfläche genommen. Unter der Auskragung verlaufen die neue Erschliessungsstrasse und unmittelbar daneben die Gleise der SBB-­Linie Basel–Zürich sowie ein Rad- und Fussweg.

Die Ingenieure von ZPF aus Basel entwickelten ein Tragsystem, das diese statische Rahmenbedingung gezielt berücksichtigte und zugleich der architektonischen Intention des Basler Architekturbüros Burckhardt + Partner entsprach. Die Architekten referenzieren das «Permanent Model» von Monadnock aus Rotterdam, wonach sich die in den unteren Geschossen noch als Lochfassade erscheinende Gebäudehülle mit steigender Gebäudehöhe zugunsten grösserer Fassadenöffnungen auflöst und oben im Turm zur leichten Pfosten-Riegel-Konstruktion wird. Ein nutzungsbezogenes Konzept, da die unteren Geschosse mit dem Hotel nach mehr Privatsphäre verlangen und in den Obergeschossen mit den Büros mehr Transparenz und Ausblick möglich ist.

Das Tragwerk ist ein Vierendeel-System aus Stahl in Form eines gebäudehohen Vierkantrohrs. Ohne störende Diagonalen leitet es die anfallenden vertikalen Lasten in den Baugrund ab. Seiner biegesteifen Rahmenkonstruktion entsprechend trägt es zudem ­horizontale Lasten ab und steift das Gebäude aus. Der zentrale Gebäudekern im Turm leistet dazu rechnerisch einen kleineren Beitrag, weil er für Installationen und Erschliessung perforiert ist.

Um den Innenraum im Hochhaus möglichst effizient und uneingeschränkt – das heisst stützenfrei – nutzen zu können, ist das Tragwerk in die Fassadenebene integriert. Die Planenden haben die Fassaden- und die Tragelemente entsprechend stark aufeinander abgestimmt. Die Fassadenelemente übernehmen die Abmessungen der Tragelemente, wodurch beide mit dem Kräftefluss korrespondieren und so gleichzeitig die Statik und das architektonische Konzept widerspiegeln.

Fassade integriert Solarmodule

In sämtliche Fassadenelemente sind flächendeckende Dünnfilm-Solarmodule integriert. Abgestimmt auf die Breite und Höhe der Fassadenpaneele wurden für alle Gebäudeseiten über 450 unterschiedliche PV-Fassaden­elementtypen auf Mass angefertigt. Doch anders als bei Standardprojekten entstand hier zugleich ein ­Demonstrations- und im besten Fall auch ein Nach­ahmungsprojekt. Denn die Module sind unabhängig von ihrer Ausrichtung, ihrer lokalen Beschattungssituation und der Grösse des Fassadenelements rund um das Gebäude und in unterschiedlichen Abmessungen angebracht. Dies ist nur möglich dank der ausgeklügelten elektrotechnischen Verschaltung und der Mass­anfertigung der Dünnfilm-Solarmodule (vgl. «Mass­geschneiderte Solartechnik», Kasten unten). Die unterschiedlich «ertragreichen» Fassadenseiten – ob Süd-, West-, Ost-, Nordseite oder auf dem Dach – konnten so miteinander verknüpft und ein einheitliches Fassadenbild erreicht werden. In der ausgeführten elektrotechnischen Anordnung lässt sich der Stromertrag unter den gegebenen Rahmenbedingungen optimieren.

Die rund 10 000 Fassaden-Solarmodule mit einer Leistung von 440 kWp generieren zusammen mit dem Dach-Solarkraftwerk (mit einer zusätzlichen Leistung von 100 kWp) eine erwartete Stromproduktion von rund 260 000 kWh/a; sie deckt einen grossen Teil des Grundstrombedarfs. Ein Erdwärmesondenfeld mit 52 Sonden, die 250 m in die Tiefe führen, versorgt zudem die Wärmepumpenheizung und die Kältemaschine mit geothermischer Energie. Während im Winter damit geheizt wird, kann gleichzeitig die Kälte zurückgeführt werden, um sie im Sommer zur Kühlung des Neubaus zu verwenden.

Lesen Sie auch: Im Rahmen einer Simulationsstudie untersuchte ein Entwicklerteam verschiedene Szenarien für ein Erdwärmesondenfeld des Grosspeter Towers. Zum Artikel


Technik folgt Architektur

Die Architekten haben die Solarmodule zusammen mit den Solarplanern des Zürcher «energiebüro» designt. Das Fassadenbild wird dadurch weniger von der Technik bestimmt, ohne dass energetische Ertragseinbussen hätten hingenommen werden müssen. Denn auch wenn die Dünnfilmzellen – im Gegensatz zu herkömmlichen kristallinen Solarzellen – ohne Siebdruck des Frontglases kaum als Solarmodule erkennbar sind, bleiben die fotoaktiven Solarpatches mit den typischen «Nadelstreifen» schwach sichtbar. Indem das Planerteam jeden einzelnen Solarmodultyp bewusst gestaltete, verhinderte es ein optisches Patchwork. Stattdessen ergab sich ein geordnetes Fassadenbild.

Die maximalen Abmessungen der Patches richten sich nach den produktionstechnischen Möglich­keiten. Da nur Solarmodule mit gleicher Spannung zu Strings verschaltet werden können (vgl. «Massgeschneiderte Solartechnik», Kasten unten), mussten die Zellabstände variieren. So kann die Spannung bei unterschiedlichen Modulgrössen ausgeglichen werden. Die Variation ist auf 10 % begrenzt, damit die Veränderung optisch nicht stört.

Gesamtsystem aus Technik, Architektur und Tragwerk

Vor allem aus elektrotechnischer Sicht wird deutlich, dass für ein solches rigoros durchdachtes Projekt neue planerische und produktspezifische Lösungen notwendig sind. Ein aufwendiger, aber aus architektonischen Gründen lohnenswerter Prozess. Denn durch die komplexe und projektspezifisch ausgearbeitete elektrotechnische Anlage und durch die gestalterisch hochwertige Integration der Solarmodule in die Gebäudefassade inklusive Tragwerk profitiert schliesslich das Gesamtkonzept aus Solartechnik, Architektur und Tragwerk. Durch statische und elektrotechnische Rahmenbedingungen ergibt sich aus der energetisch leistungsfähigen Fassade auch ein gestalterisch wirkungsvolles Er­scheinungsbild: Ohne technoid zu wirken, sind die Solarmodule integraler Bestandteil des architektonischen und statischen Gesamtkonzepts.


Massgeschneiderte Solartechnik

Solarmodule können kunden- und projektspezifisch gefertigt werden – gegenwärtig wieder vermehrt und in den verschiedensten Variationen, u. a. auch mit Dünnfilm-Solarzellen. Zudem basiert die elektrische Netzeinbindung – die Wandlung des produzierten Gleichstroms (DC) von Solarmodulen in netzkompatiblen Wechselstrom (AC) – auf neuen Lösungsansätzen.

 

Minimierung von Leistungsverlusten

Bei herkömmlichen Systemen beeinflusst das schwächste Glied (niedrigster Strom) den Ertrag im gesamten Photovoltaik-(PV-)Strang (englisch string = serielle Verschaltung von jeweils einer gewissen Anzahl Solarmodule). Bei Verschaltung von ungleich ausgerichteten Strings auf einen Leistungsoptimierer kommt es zum «Mismatch». Darunter versteht man hier den Leistungsverlust von parallel geschalteten Strings. Ursache ist das zeitlich variable Leistungsvermögen der unterschiedlich besonnten Strings. Der leistungsschwächste String beeinflusst die Leistungsfähigkeit der restlichen Strings. Die Wahl der entsprechenden Dünnfilmtechno­logie minimiert solche Verluste.

 

Stringweise optimiert

Jeweils sechs Solarmodule sind in der Fassade des Grosspeter Towers seriell zu einem String verschaltet. Diese Strings sind etagenweise auf die String-Leistungsoptimierer verschaltet worden. Aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse im Ge­bäudekern und damit brandschutztechnische Vorgaben erfüllt sind, wurden die Modul-Strings unterschiedlichster Ausrichtung (Süd, West, Ost, Nord) – die zeitgleich unterschiedliche Einstrahlung erfahren – auf den gleichen String-Leistungsoptimierer verschaltet. Dies ist in dieser Form ein Novum gegenüber anderen Pro­jekten, die Leistungsoptimierer oft auf Modulebene einsetzen: Bis dato werden in der Solarbranche grundsätzlich nur Solarmodule mit gleicher Ausrichtung (Neigung und Azimut) auf den gleichen Leistungsoptimierer (MPP-Tracker) verschaltet, um den solaren Ertrag sicherstellen zu können.

Die spezifische Dünnfilmtechnologie am Grosspeter Tower begrenzt den Mismatch-Verlust trotz dieser Verschaltung auf ge­ringe 2 bis 3 % (gegenüber kristalliner Tech­nologie mit erwarteten Mismatch-Verlusten im zwei­­stelligen Prozentbereich). Die Spannungen der Solarmodule im beschatteten und im besonnten Zustand gleichen sich aufgrund unterschiedlicher Effekte an, wodurch sich eine allfällige Verschiebung des Arbeitspunkts des jeweiligen Leistungsoptimierers minimiert.

 

Ausgeklügelte Verschaltung

Der Einsatz von String-Leistungsoptimierern für die Netzintegration zeichnet sich dadurch aus, dass sich ein konstantes DC-Spannungsniveau von 460 V ausgangsseitig einstellt. Dies ermöglicht den Einsatz eines einzigen Zentralwechselrichters mit einer Leistung von 350 kW im dritten Untergeschoss des Gebäudes – anstelle von vielen kleineren Stringwechselrichtern. Der Zentralwechselrichter wandelt den DC-Strom in netzkonformen AC-Strom um und speist ihn in die Hauptverteilung der Stromversorgung des Gebäudes ein. Mit der Zentralisierung kann die Stückzahl an Leistungselektronikkomponenten in der Fassade minimiert werden, was auch das Ausfallrisiko der Kompo­nenten – verbunden mit einem hohen Austauschaufwand – und die Brandlast in der Fassade reduziert. Mit der regelmässigen Wartung des einfach zu­gänglichen Zentralwechselrichters beugt man ausserdem allfälligen Störungen dieses zentralen Elements der Technik vor.
(Roland Frei, energiebüro AG, Zürich)

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