«Die For­schen­den schät­zen die in­ter­dis­zi­pli­nä­re Zu­sam­men­ar­beit sehr»

Massnahmen für die Energiewende

Im Rahmen des Aktionsplans des Bundes «Koordinierte Energieforschung Schweiz» entsteht ein Netzwerk von acht Forschungskompetenzzentren. Eines ist das Zentrum «Future Energy Efficient Buildings & Districts» – Leiter Peter Richner spricht über Aufgaben und Ziele.

 

Publikationsdatum
30-01-2017
Revision
31-01-2017

TEC21: Welche Ziele verfolgt das Forschungskompetenzzentrum «Future Energy Efficient Buildings & Districts»?
Peter Richner: Wir möchten dazu beitragen, den ökologischen Fussabdruck des Gebäudeparks Schweiz bis 2035 um einen Faktor 3 gegenüber 1990 zu reduzieren. Der Fussabdruck wird definiert als das Produkt von der Energieintensität in kWh/m2 mal den Kohlenstoffgehalt der Energie in g CO2eq/kWh. Damit werden sowohl die Ziele der Energiestrategie als auch der Klimapolitik adäquat berücksichtigt.

TEC21: Dabei gibt es vier Arbeitspakete. Welches ist das wichtigste?
Peter Richner: Die Arbeitspakete sind gleichberechtigt und entfalten erst in ihrem Zusammenspiel die volle Wirkung. Der Energiebedarf von bestehenden und neuen Gebäuden muss auf ein akzeptables Niveau beschränkt und möglichst mit lokal gewonnener erneuerbarer Energie gedeckt werden.

TEC21: Welche Themen werden den Forschungsbereich prägen?
Peter Richner: Bedeutend sind etwa Hochleistungs-Isolationsmaterialien, intelligente Gläser, neue Beleuchtungskonzepte, gebäudeintegrierte Photovoltaik und Strategien zur Reduzierung des Performance Gap, der Differenz zwischen geplantem und effektivem Energiebedarf. Die benötigte Energie muss nicht zwingend auf dem Perimeter jedes einzelnen Gebäudes gewonnen werden, es kann auch ein Austausch zwischen den Gebäuden mittels lokaler Multienergienetze stattfinden.

TEC21: Was sind die Voraussetzungen?
Peter Richner: Man muss die lokalen Potenziale kennen, Design- und Optimierungswerkzeuge für lokale Netze entwickeln und diese mit tragfähigen Businessplänen verbinden. Schliesslich müssen wir verstehen, wie Innovationen im Baubereich effektiv vom Labor in den Markt transferiert werden können; erfahrungsgemäss geht dabei viel zu viel Zeit verloren, oder vielversprechende Ideen gehen sogar ganz unter.

TEC21: Beheizung, Belüftung und Klimatisierung von Gebäuden erzeugen zusammen rund 40 % des Endenergiebedarfs der Schweiz. In welchem dieser drei Bereiche besteht das grösste Einsparpotenzial?
Peter Richner: Bei der Wärmebereitstellung im Bestand. Wir müssen Lösungen entwickeln, die trotz tiefer Energiepreise marktfähig sind. Dazu gehört neben der Einsparung von Energie auch der gesteigerte Komfort. Hinzu kommt der bereits angesprochene Performance Gap: Wir müssen besser verstehen, wieso es derart grosse Abweichungen gibt, die bei Weitem nicht alle auf individuelles Nutzerverhalten zurückgeführt werden können. Gefragt sind Lösungen, die sich in der Praxis deutlich robuster verhalten.

TEC21: Wo ist ein steigender Energieverbrauch zu erwarten?
Peter Richner: Sollten Hitzewellen wie jene vom Sommer 2015 in Zukunft vermehrt auftreten – und das ist gemäss den Klimamodellen sehr wahrscheinlich –, wird die Klimatisierung dramatisch an Bedeutung gewinnen. Im Juli 2015 betrug der Heat-Island-Effekt in der Stadt Zürich in der Nacht 5 K. Die Temperatur sank phasenweise nicht mehr unter 22 °C, was insbesondere die Schlafqualität stark beeinträchtigt. Dies kann dazu führen, dass Klimatisierung im Wohnbereich zum Thema wird – mit entsprechenden Konsequenzen für den Stromverbrauch.

TEC21: Heute entfällt rund 30 % des landesweiten Stromverbrauchs auf die Gebäude. Wo liegt hier das grösste Sparpotenzial?
Peter Richner: Der Ersatz fossiler Energieträger im Gebäudebereich führt meist zu einer leichten Zunahme des Strombedarfs. Kombinieren wir diese Entwicklung mit einer Steigerung der Elektromobilität, könnte das zu temporären Engpässen in der Stromversorgung führen. Daher tendiere ich dazu, im Gebäudebereich Lösungen den Vorzug zu geben, die durch passive Massnahmen den Energiebedarf massiv reduzieren und mit möglichst wenig zusätzlichem Strom betrieben werden können. Mit anderen Worten: Eine solide wärmetechnische Isolation ist sicher keine schlechte Lösung. Selbstverständlich müssen die lokalen Gegebenheiten immer berücksichtigt werden. Es macht keinen Sinn, ein baukulturell wertvolles Gebäude mit einer 30 cm dicken Isolation einzupacken – vielleicht gibt es im Quartier ja eine Abwärmequelle, die über einen lokalen Wärmeverbund angezapft werden könnte.

TEC21: Welche Bedeutung hat «Future Energy Efficient Buildings & Districts» FEEB&D im Rahmen der Energiestrategie 2050?
Peter Richner: Die Ziele der Energiestrategie und der Schweizer Klimapolitik können nur erreicht werden, wenn der Gebäudebereich einen grossen Beitrag dazu leistet.

TEC21: Welche Teams sind an den interdisziplinären Forschungen des FEEB&D beteiligt?
Peter Richner: Das FEEB&D setzt sich aus Forschungsgruppen des ETH-Bereichs (ETHZ, EPFL, Empa), der Fachhochschulen (HSLU, FHNW) und der Universität Genf zusammen. Sie versammeln Kompetenzen aus Materialwissenschaften, Maschinenbau, Elektrotechnik, Architektur und Sozioökonomie. In den einzelnen Arbeitspaketen arbeiten typischerweise Vertreterinnen und Vertreter aus allen Fachbereichen interdisziplinär zusammen. Dank intensiver Kommunikation innerhalb des FEEB&D ist es gelungen, diese Zusammenarbeit sehr gut zu unterstützen, und die Forschenden schätzen sie sehr. Insgesamt sind gut 100 Forschende in diesem Kompentezentrum aktiv.

TEC21: Gibt es auch Partner aus der Industrie?
Peter Richner: Insgesamt sind rund 30 Partner aus Wirtschaft und öffentlicher Hand eingebunden. Das reicht von bilateralen Projekten zur Entwicklung eines neuen Beleuchtungssystems bis zur Entwicklung von Datenbanken, die das Potenzial erneuerbarer Energie schweizweit mit hoher räumlicher Auflösung aufzeigen.
 
TEC21: Welche Rolle spielen die kantonalen und kommunalen Behörden?
Peter Richner: Insbesondere wenn es um die energetische Vernetzung auf Quartierstufe geht, ist eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand zwingend. Hier rennen wir allerdings offene Türen ein; wir erhalten laufend Anfragen von Gemeinden und Städten, die Unterstützung für eine mittel- bis langfristige Transformation von Arealen und Quartieren wünschen.

TEC21: Wer finanziert die acht neuen Forschungskompetenzzentren?
Peter Richner: Die Forschungskomptenzzentren – die «Swiss Comeptence Centers for Energy Research» SCCER – erhalten eine Grundfinanzierung vom Bund über die Kommission für Technologie und Innovation KTI. Zusätzlich müssen sie Eigenleistungen erbringen und kompetitive Mittel sowie direkte Unterstützung durch Umsetzungspartner einwerben.

TEC21: Gibt es für das FBBB&D einen konkreten Zeitplan, bis wann die Forschungsziele zu erreichen sind?
Peter Richner: Übergeordnet gelten die Ziele, wie sie in der Energiestrategie 2050 des Bundes formuliert sind. Konkret starten die SCCERs jetzt in die zweite Phase, die 2017–2020 umfasst. Gemäss heutigem Planungsstand wird die Unterstützung durch den Bund nach dieser Periode entfallen. Die Institutionen sind aber angehalten, den im Rahmen der SCCER erfolgten Kapazitätsaufbau aus eigener Kraft aufrecht zu erhalten und weiterhin einen Beitrag daran zu leisten, dass die Energiestrategie erfolgreich umgesetzt wird.

ZIG-Planerseminar
Peter Richner wird am 22. März 2017 als Referent am Planerseminar des Zentrums für Integrale Gebäudetechnik (ZIG) der Hochschule Luzern teilnehmen. Er spricht über die «Transformation des Gebäudeparks Schweiz – ein ganzheitlicher Ansatz». Mehr Info: www.hslu.ch/planerseminar


Weiterführende informationen zum Aktionsplan «Koordinierte Energieforschung Schweiz» und zu den acht neuen Forschungskompetenzzentren «Swiss Competence Centers for Energy Research» SCCER: www.kti.admin.ch
Informationen zum Forschungskompetenzzentrum «Future Energy Efficient Buildings & Districts» FEEB&D: www.sccer-feebd.ch

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