Die drit­te Val­ser Er­fin­dung

Publikationsdatum
28-10-2022

Der Eigensinn der Valser hat schon viele Zeitungsseiten gefüllt. Neben der Abfüllstation des Valser Wassers, unterdessen im Besitz von Coca-Cola, und der Therme mit ihrem Hotel, das weiterhin vom nach Dubai abgewanderten Valser Investor Remo Stoffel betrieben wird, ist die Familie Truffer der dritte grosse Arbeitgeber im Dorf. Und ihr neues Geschäfts- und Wohnhaus ist die dritte Valser Erfindung für den lokalen Gneis aus dem Familienbetrieb der Truffers: Nun erscheint er schwebend leicht. Anfangs April dieses Jahres durften die Valserinnen und Valser das soeben fertiggestellte Haus Balma mit den Seiltänzer-Steinen von innen bewundern, im Juni fand die feierliche Eröffnung statt.

Die erste neuzeitliche Erfindung für den Valserstein geschah 1996 mit der Eröffnung der Therme nach dem Entwurf von Peter Zumthor: Stein ist Stein ist Stein, und zwar schwer, ruhend, in horizontalen Lagen. Der Valser Gneis wurde auf einen Schlag weltberühmt. Die Steinhöhen des Verbundmauerwerks der Felsentherme kann Artemis Truffer ohne Nachdenken aufsagen: 3.1 cm – 4.7 cm – 6.3 cm. Zusammen mit dem Fugenmörtel ergeben jeweils drei Steine (in beliebiger Reihenfolge) Schichtungseinheiten in der Höhe von 15 cm. Das rhythmische Therme-Mauerwerk ist seit bald 30 Jahren international nach­gefragt. Sogar die Wand des Schmitteli-­Badezimmers im Erdgeschoss des Truffer­schen Showroom-­Hauses ist im Therme- Rhythmus belegt.

Zumthors Therme für einen Franken

Fast zeitgleich zur Eröffnung des Geschäfts- und Wohnhauses der Truffer AG begann auch in Zumthors erster Valserstein-Erfindung anfangs April ein neuer Abschnitt. Die Gemeindeversammlung hiess einstimmig die Gründung einer «Stiftung Felsentherme Vals» gut, womit das Bad für den symbolischen Betrag von einem Franken wieder im Eigentum der Gemeinde ist. Die drei Stiftungsräte Stefan Schmid, Ludmila Seifert und Peter Zumthor haben allerdings noch nicht getagt. Wer weiss, vielleicht wird ihr erster Beschluss sein, dass die Valserinnen und Valser sich an den Montagabenden wieder im Bad treffen sollen. An diese Abende in ihren Jugendjahren erinnert sich Artemis Anna Truffer lebhaft, wenn man sie nach ihren eigenen Erfahrungen in der Therme fragt.

Vertikal gestellte und aufgehängte Steine

Die zweite Valserstein-Erfindung ist die neue Dorfbrücke, bekannt als Valser­rheinbrücke Vals Platz, nach dem Entwurf der Churer Ingenieure Conzett Bronzini Gartmann aus dem Jahr 2009: Hier wirkt der lokale Gneis in 6.4 cm starken Steinplatten als Bogen mit unterem Zugband, Bogen und Platte bilden dann eine Trogbrücke. Die an die Ufermauern angrenzenden Seitenwände leisten dem zuweilen plötzlichen Hochwasser mit schierer Masse Widerstand. Die beiden Brückenbögen liegen hoch genug über dem Flussbett, um auch grosse Wassermengen durchfliessen zu lassen. Auch die Brücke mit den vertikal gestellten Steinplatten erregte in Fachkreisen Aufsehen, Nachahmungen sind hier aber keine bekannt.

Und nun folgt der dritte Streich: aufgehängte Valsersteine, so dünn geschnitten, dass sie nur einen feinen Schleier um das Gebäude legen. Aus gewissen Blickwinkeln lösen sie sich beinahe auf, ganz im Sinn von Kumas schon früher mehrfach artikulierter Idee eines Anti-Objekts, das vielfache Lesbarkeiten zeigt und sich von keiner Seite her ganz erfassen lässt.

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