«Die Bauarbeiter sind angehalten, in ihren Heimatländern zu bleiben»
Zwischen Tulfes bei Innsbruck und Franzensfeste in Südtirol entsteht derzeit die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt – der 64 km lange Brenner-Basistunnel (vgl. TEC21 20/2018). Aufgrund der Corona-Krise wurde auch diese grösste europäische Baustelle gestoppt. Ein Interview mit Ing. Christian Nemec von der BBT-Abschnittsleitung Bau Österreich.
Espazium: Herr Nemec, die Arbeiten auf den Baustellen des BBT sind aufgrund der Corona-Lage seit 18. März eingestellt. Wurden die Arbeiten an den Südtiroler Baulosen bereits früher beendet?
Christian Nemec: Die BBT SE nimmt als Errichtungsgesellschaft den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihren Tunnelbaustellen äusserst ernst und unterbrach vorsorglich die Bautätigkeiten auf allen BBT-Baustellen. Die Bautätigkeit in Italien wurde bereits am 14. März, auf österreichischem Projektgebiet am 16. März (Baulos Tulfes-Pfons) und 18. März (Baulos Pfons-Brenner) eingestellt. Alle sicherheitstechnisch erforderlichen Massnahmen auf den BBT-Baustellen werden weiterhin aufrechterhalten.
In der aktuellen Lage ist das Bestreben der Bau-Sozialpartner, dass die Arbeiten auf den Baustellen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden können – natürlich nur unter der Prämisse, dass die behördlichen Vorgaben eingehalten werden können. Im Vortrieb ist dies zurzeit nicht möglich. Wenn wie vorgesehen die behördlichen Vorgaben nach dem 14. April angepasst werden, wird durch die bauausführenden Firmen in Abstimmung mit der BBT SE evaluiert, ob eine Wiederaufnahme der Vortriebe möglich ist.1
Sind alle Arbeiten eingestellt, oder können gewisse Aufgaben weiterhin erledigt werden?
Auf allen BBT-Baustellen laufen momentan Schutz- und Absicherungsmassnahmen sowie Arbeiten zur Sicherstellung des Notbetriebs. Während der vorübergehenden Bauunterbrechung sind kleine Teams für Arbeitstätigkeiten wie die Überwachung der Tunnel und der Baustelleneinrichtungen oder die Überprüfung und Wartung der elektrischen Anlagen sowie das Abpumpen des Bergwassers zuständig.
Wie viele Mitarbeiter aus wie vielen Nationen arbeiten derzeit (unter Normalbetrieb) am BBT?
Auf den Baustellen der ARGE auf österreichischem Projektgebiet waren zuletzt 450 Personen tätig, auf italienischem Projektgebiet arbeiteten 1100 Personen. Die Beschäftigen kommen aus vielen europäischen Staaten.
Viele Mitarbeiter sind ja Hunderte Kilometer von der Baustelle entfernt beheimatet. Sind sie nach Hause gefahren, oder warten einige die Corona-Krise vor Ort ab?
Bauarbeiter, die ihren Wohnsitz nicht in Tirol haben, sind angehalten, in ihren Heimatländern zu bleiben. In Italien warten die Bauarbeiter in ihren jeweiligen Herkunftsprovinzen, bis der Baubetrieb wieder startet. Genaue Auskünfte dazu kann aber nur die jeweilige ARGE erteilen.
Die Baulose stehen allesamt nun still. Haben die Planungsbüros ebenfalls den Betrieb eingestellt?
Die Baulose sind quasi ruhend gestellt. Auf einer Tunnelbaustelle wird das ganze Jahr über gearbeitet, ausser an den Osterfeiertagen und zu Weihnachten. Die Arbeiten in den Planungsbüros gehen unvermindert weiter. Mit Homeoffice, Video- und Telefonkonferenzen ist eine Zusammenarbeit sichergestellt.
Kann man schon abschätzen, wie sich die Verzögerung der Arbeiten auf die Baukosten auswirken wird?
Nein.
Wer trägt das Risiko der Bauverzögerung in einer solchen Lage, die Bauherrschaft oder die Unternehmen?
Die diesbezügliche Rechtsfrage ist noch nicht geklärt.
Werden die geplanten Endtermine einfach nach hinten geschoben, oder werden zukünftig Anreize für die Unternehmen geschaffen, die bis jetzt geplanten Endtermine einzuhalten?
Die BBT SE wird alles unternehmen, um Zeitverluste, die durch die Einschränkungen im Baubetrieb entstanden sind, mittels Optimierung der Bauabläufe möglichst gering zu halten. Ob das bei einem bis dato bereits optimierten Bauablauf gelingen kann, ist in Abstimmung mit den ausführenden Bauunternehmen zu bewerten.
Anmerkung
1 Die Abklärungen, ob eine Wiederaufnahme der Arbeiten stattfinden kann, laufen derzeit. Ein Entscheid fehlt bislang. Quelle: Telefongespräch vom 20. April 2020 mit Mag. Manuel Schwab, Kommunikation BBT Tunnelwelten Steinach.
Zur Person
Ing. Christian Nemec, BBT-Abschnittsleitung Bau Österreich
Zum Bauprojekt
Galleria di base del Brennero / Brenner Basistunnel BBT SE
Bozen, Innsbruck
Ca. 1550 Beschäftigte
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