Bar­rie­ren aus Was­ser

Während die Alpen mehr und mehr durch Rekord-Eisenbahn-Basistunnel durchbrochen werden, schafft Norwegen eine ungeheure Autobahn­verbindung entlang seiner Südwestküste. Die E39 wird in erster Linie Fjorde überwinden müssen. Zu Beginn entsteht gleich der längste und tiefste Unterwasser-Strassentunnel der Welt. Und weitere Superlative sind nicht ausgeschlossen.

Publikationsdatum
03-08-2024

In der Mitte Europas hat man sich schon an die langen alpinen Basistunnel gewöhnt. Noch keine zehn Jahre ist die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels als Herzstück der neuen Alpentransversale NEAT her. Mit 57 km war der längste Eisen­bahntunnel an einem für den Tunnelbau geschichtsträchtigen Ort entstanden. Doch dieser Rekord ist bereits angezählt. Der Brenner-Basistunnel soll mit seinen 64 km Länge 2032 in Betrieb gehen. 

Und weitere Basistunnel ­gehen ebenfalls ihrer Voll­endung entgegen: Zwischen Frankreich und Italien entsteht auf der Strecke Lyon–Turin der Mont-­Cenis- (57.5 km), in Österreich zwischen Graz und Kla­genfurt der Koralm- (33 km) und zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag der Semmering-Basistunnel (27 km). Der Ruf der Alpen als unüberwindbares felsiges Hindernis bröckelt: Moderner Tunnelbau erbringt gerade Höchstleistungen. 

Das ist im Norden Europas nicht anders: Norwegen hat aber neben den «gewöhnlichen» felsigen ­Mauern seiner Gebirge noch mit anderen Hindernissen umzugehen, nämlich grossen Barrieren aus Salzwasser. Ein Blick auf die Karte zeigt: An Fjorden und bewohnten Inseln jedweder Grösse mangelt es im Land der Trolle nicht – und auch an Ideen nicht, diese Gewässer zu queren und die Eilande zu verbinden.

Fjorde liegen schön – im Weg

Neben Gas, Erdöl und Zuchtlachs weist Norwegen noch einen anderen Exportschlager auf: Fjorde sind namenstechnisch berühmt und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Kaum ein gebirgiges Land, das einem seiner Seen nicht einen fjordartigen Charakter zuschreibt. Anhand dieser Seen, etwa dem Schweizer Walensee, kann man die Zwiespältigkeit der originalen Fjorde erahnen: Sie sind zwar schön, liegen aber äusserst ungünstig, wenn man sie queren möchte, denn Fjorde schneiden tief ins Land ein. 

Norwegens längster Fjord ist mit 204 km der Sogne­fjord. Auf seiner Höhe verläuft die Grenze zwischen der südlich gelegenen Nordsee und dem europäischen Nordmeer. Oft weisen die Meeres­arme recht unwegsame Steilufer auf, die sich unter Wasser fortsetzen, was zu entsprechend grossen Wassertiefen führt. Und ihre Breite kann mehrere Kilometer ­betragen.

Verschlägt diese Urlandschaft manchem Touristen den Atem, so ist sie für das alltägliche Leben eher unpraktisch und dürfte eilig Reisenden eher Stossseufzer entlocken. Selbstverständlich sind gute Fährverbindungen vorhanden, diese kosten aber Zeit. Und Fjorde zu umfahren ist aufgrund ihrer Ausdehnung kaum eine Alternative. 

Nun spielt sich Norwegens Wirtschaft neben der Hauptstadt Oslo genau dort ab, wo das Land durch das Wasser am zerrissensten ist: an der südwestlichen Küste. Hier liegen die grössten Städte des Landes, von hier geht der Export in alle Welt, hier werden Arbeitskräfte benötigt. Das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wird in ­diesem Landstrich erwirtschaftet. Vor dieser Küste befindet sich auch das grösste Gasfeld Europas mit der grössten Bohrinsel der Welt – der Troll A (vgl. unten: «Norwegen: Viele Rekorde auf wenige Einwohner»). Die jahrzehntelange Erfahrung Norwegens mit der Off­shore-­Technik könnte künftig Auswirkungen auf das bereits begonnene Ausbauprojekt «Ferjefri E39» haben. 

Ziel der Autobahn E39: Fährenfreie Fjordquerungen

Sieben Fähren benötigt man heute, um die beinahe 1100 km lange Strecke zwischen Kristiansand im Süden und Trondheim im Norden auf der Europastrasse E39 zu bewältigen. Die Fähren über die Fjorde verteilen sich allerdings nur auf den Abschnitt zwischen Stavanger und Trondheim. Zwischen Kristiansand und Stavanger existiert die E39 bereits fährenfrei. Die ­Reisezeit summiert sich auf der gesamten ­Route auf etwa 21 bis 22 Stunden. 

Dies will Norwegen ändern. Die E39 soll zur Autobahn ausgebaut werden und durchgehend befahrbar sein: Die Fjorde entlang der Route sollen fährenfrei werden. Das wird die Reisezeit um etwa sieben bis neun Stunden verkürzen. Auch bei den Transport- und Fahrtkosten im Güter- und Personenverkehr erwartet man Vergünstigungen (vgl. unten: «E39: Transportkosten»).

Es ist eine gewaltige Aufgabe, die sich die Norweger zutrauen. Stand heute sind etwa 10 % der Arbeiten abgeschlossen. Es sind vorwiegend die Abschnitte auf Land zwischen den Fjorden. Keine der eigentlichen Meeresquerungen wurde bereits fertiggestellt, die längste allerdings ist gerade im Bau und wird gleich zwei bisherige Weltrekorde Norwegens übertrumpfen: Unter dem Boknafjord entsteht nicht nur der längste Strassentunnel der Welt, er wird auch der tiefste Unter­wasser-­Strassentunnel sein.

Rogfast-Tunnel – Autos tiefergelegt

26.7 km lang wird er sein, der Rogfast-Tunnel, und damit den Lærdals- und auch den Ryfylke-Tunnel auf Platz zwei verdrängen. Sein tiefster Punkt wird im Gneisgestein 392 m unter dem Meeresspiegel liegen. Etwa 300 m tief ist das Meer an dieser Stelle. Auf seiner bogenförmigen Linienführung zwischen Harestad bei Stavanger im Süden und der Insel Vestre Bokn im Norden unterfährt der Tunnel noch die kleine Insel Kvitsøy. Etwa 500 Personen leben hier und erhalten durch eine Anbindung an den Tunnel Zugang zum Festland. Dies ist aber eher ein schöner Nebeneffekt.

Kvitsøy spielt für den Rogfast-Tunnel nämlich eine entscheidende Rolle. Hier sind zwei Lüftungsschächte mit einem Durchmesser von 10 m abgeteuft, einer für die Belüftung, der andere für die Entlüftung des Tunnels. Der Strassenanschluss zwischen Kvitsøy und dem Rogfast-Tunnel erfolgt über den Kvitsøy-Tunnel, der in einem grossen Kreis die 266 m Höhenunterschied überwindet. Mit 7.06 % Gefälle führt dieser spektakuläre Weg auf etwa 4 km Länge zum Rogfast hinab. Zwei unterirdische Kreisverkehre ermöglichen die Zufahrt zu seinen beiden Tunnelröhren. Aber noch weitere Gründe sprechen für die auffällige Linienführung des Rogfast-Tunnels, die mit derjenigen der Fährverbindung Mortavika–Asvagen über den Boknafjord nichts mehr gemein hat.  

Stand der Dinge – auch eine ­Schweizer Tochter sprengt mit

Die Röhren des Rogfast-Tunnels weisen ein Tunnelprofil mit einer Sohlenbreite von 10.5 m auf und be­inhalten zwei Fahrspuren in jede Richtung. Alle 250 m sind Not­haltebuchten und auch Querschläge zwischen den Röhren angeordnet. Im Notfall kann man so schnell zu Fuss in die andere Richtungsröhre wechseln. Mit dem Fahrzeug ist dies alle 1.5 km möglich. Diese befahrbaren Übergänge sind ebenfalls für Rettungsfahrzeuge wichtig, aber auch bei Wartungen, wenn eine Verkehrsableitung erforderlich ist. Die Strasse im Tunnel wird auf eine Geschwindigkeit von 110 km/h ausgelegt sein.

Bei Veröffentlichung dieses Hefts ist der Rog­fast-­Tunnel hochaktuell. Die kleineren Lose des Baus sind fertig­gestellt, auch das Los E15 Kvitsøy mit der Zufahrt zu den Hauptröhren ist abgeschlossen. Beim Haupttunnel selbst sind drei Lose zu unterscheiden. Die Arbeiten am südlichen Abschnitt, als E03 bezeichnet, sind im Gange. Hier hat in einer ARGE mit Stangeland Maskin die Implenia Norge, ein Tochterunternehmen des Schweizer Konzerns, die Federführung. Das Wort «fährenfrei» hat wohl auch bei Unternehmungen einen guten Klang: Bereits 2021 trennte sich die Implenia in Norwegen von der Sparte «Wartung von Fähranlegern», heute baut sie folgerichtig an den fährenfreien Fjorden mit. 

Im Norden sprengt sich das schwedische Bauunternehmen Skanska gerade in Richtung Kvitsøy vor (Los E04). Das grösste Los E02, das den Vortrieb von Kvitsøy aus in beide Richtungen beinhaltet und damit den Zusammenschluss aller Lose ermöglicht, ist kurz vor der Vergabe. Drei Anbieter sind noch im Rennen: diejenigen von E02 und E04 und NCC Norge, wobei hier die am Kvitsøy-Tunnel (Los E15) beteiligten Unternehmen Risa und LNS (Leonhard Nilsen & Sønner) ebenfalls mit an Bord sind. Die Vergaben finden in einem Prä­qua­li­fi­ka­tionsverfahren statt und es kann mit den Anbietern verhandelt werden. Dies geschieht gerade beim Los E02, das eigentlich bereits im April vergeben werden sollte. Die Welt der grossen Tunnel ist relativ klein und bleibt spannend.

Verortung des gigantischen Infrastruktur­projekts «Ferjefri E39».

Und weiter durch die Fjorde

Während die Umsetzung des 1.75 Milliarden Franken teuren Rogfast-Tunnels läuft – seine Inbetriebnahme ist für das Jahr 2033 vorgesehen – sind die Planungen der anderen Fjordquerungen in vollem Gange. Drängte sich am Boknafjord aufgrund seiner Ausdehnung – selbst an seiner schmalsten Stelle, an der Fährverbindung zwischen Mortavika und Arsvågen beträgt seine Breite noch 9 km – ein Unterwassertunnel geradezu auf, bieten sich bei den anderen Fjorden mehrere Möglichkeiten an.

Der von Rogfast nächste Fjord auf der Strecke nach Norden ist der Bomlafjord, der bereits seit dem Jahr 2000 mit einer Röhre untertunnelt ist. Nach einem Studium von sechs Varianten empfiehlt die norwegische Stras­senverkehrsbehörde dem Ministerium für Verkehr und Kommunikation den Bau einer zweiten, parallelen Röhre mit Querverbindungen für Fluchtzwecke, um auch hier eine vierspurige Strasse zur Verfügung stellen zu können.

Bereits weiter fortgeschritten ist das nördlich anschliessende Projekt «Hordfast». Ein Baubeginn ­zweier Brücken über Langenuen und den Bjornafjord könnte schon etwa 2027 stattfinden. Derzeit findet eine technische Bewertung der Brückenentwürfe statt.

Studienobjekt schwieriger Sognefjord

Eine Sonderstellung beim Projekt Ferjefri E39 nimmt der Sognefjord ein. Mit seiner Tiefe von bis zu 1100 m, einer Lockergesteinsüberdeckung von etwa 300 m bis zum Felshorizont und seiner Breite von ca. 3.7 km stellt er ein gewaltiges Hindernis dar. Nach dem Motto «wer es hier schafft, schafft es überall» erfolgten hier bereits in den 2010er-Jahren Studien, wie man schwierige Fjordquerungen technisch lösen könnte. 

Die Vorschläge kann man als spektakulär bezeichnen: Eine Hängebrücke etwa wäre an sich keine Besonderheit. Die über den Sognefjord angedachte wäre allerdings die grösste der Welt. Ihre Pylone an den Ufern wären zwischen 400 und 500 m hoch und ihre Spannweite mit 3.7 km beinahe doppelt so lang wie die der heute grössten Hängebrücke der Welt, der Çanakkale-1915-Brücke in der Türkei. Selbst die nun vor Baubeginn stehende Brücke über die Strasse von Messina am anderen Ende Europas (Sizilien–Festland) würde nicht an eine Brücke über den Sognefjord ­heranreichen.

Etwas weniger aufsehenerregend, gleichwohl technisch hochinteressant würde sich die Umsetzung einer Hängebrücke gestalten, deren mittlere Pylone sich auf schwimmenden Plattformen im Meer abstützten. Die Spannweiten und auch die Pylone wären in einer heute bereits umgesetzten Grössenordnung. Und hier käme Norwegens Know-how aus der Offshore-Technik zum Einsatz: «Tension leg platforms» (TLP) sind eine Bauform für Bohrinseln. Schwimmkörper sind am ­Meeresgrund mittels Stahlseilen und Gewichten verankert und ragen aus dem Wasser heraus. Statt der technischen Aufbauten einer Bohrinsel würden allerdings Pylone im Sognefjord stehen.

Auch eine auf schwimmenden Pontons liegende, aufgeständerte Brücke in Form eines Durchlaufträgers wäre möglich. Kreuzungsmöglichkeiten für Schiffe könnten in Ufernähe oder Fjordmitte entstehen.

Ein neuartiges Konzept stellte eine Unter­wasser-Rohrbrücke (submerged floating tube bridge, SFTB) dar. Ihr Profilaufbau könnte einem Tunnelquerschnitt gleichen, weswegen sie auch als Unterwasser-Schwimm­­tunnel bezeichnet wird. Bei tiefen Fjorden wie dem Sognefjord würde eine abgehängte Lösung an schwimmenden Pontons verfolgt werden. Bei geringeren Wassertiefen könnte die Röhre auch mittels Seilen am Meeresboden und an den Rändern am Festland verankert sein. 

Eine solche Konstruktion wurde bisher noch nie umgesetzt. Gleichwohl ist das Prinzip schon mehrere Jahrzehnte alt. Sogar in der Schweiz lag eine solche Studie schon auf dem Tisch. Im Zuge von Alptransit gab und gibt es heute noch Überlegungen, wie die Fortsetzung von Lugano nach Italien aussehen könnte. Im Ceneri-Basistunnel sind bereits Kavernen eingebaut, die einen späteren Anschluss einer neuen Bahnstrecke ­vorsehen

1995 entwarfen Ingenieure eine Röhrenbrücke durch den Luganersee. Als Vorteil wird, je nach Verankerungsart, die Unsichtbarkeit der Konstruktion angeführt. Nachteile sind hohe Kosten der Konstruktion und eventuell Probleme mit der Annahme durch die Verkehrsteilnehmer. Im Wasser zu fahren dürfte etwas gewöhnungsbedürftig sein.

Wann und ob der Sognefjord jedoch mit neuen Bauwerken gequert wird, ist bei Drucklegung des Artikels noch offen. Aus dem nationalen Verkehrswegeplan NTP 2022–2023 ist er gestrichen. Die Techniken der Fjordquerungen bei diesem topografischen Monster gilt es auch noch weiter auszuarbeiten. Allerdings gibt es 2024 eine Anpassung des nationalen Verkehrsplans. Es bleibt also spannend.

Die in der Studie vorgeschlagenen Techniken und Konzepte könnten vorerst bei kleineren Fjorden an der E39 zum Einsatz kommen. Beim Sulafjord sind fünf Konzepte inklusive einer Rohrbrücke vorgeschlagen. Beim Halsafjord wird es eine Brücke geben: Vier Va­rianten liegen auf dem Tisch.

Wie auch immer Norwegen sich entscheiden wird, die bisher veranschlagten 36 Milliarden Franken einzusetzen: Die zukünftigen Fjordquerungen werden ein Hingucker sein – egal ob sie unter, in oder über den Fjorden verlaufen werden. Und vielleicht wird auch wieder ein neuer Rekord darunter sein.

E39: Transportkosten


Die Regierung Norwegens gab Studien in Auftrag, die die Wirtschaftlichkeit der Verbindung zwischen Kris­tiansand im ­Süden und Trondheim im Norden untersuchten. Dabei kam heraus, dass man heute umgerechnet etwa 2700 Franken für einen schweren LKW auf dieser Route veranschlagen muss. Werden zukünftig die Fährverbindungen durch Brücken- und Tunnelbauten ersetzt, sollten sich die Transportkosten sukzessive verringern: 2035 (wenn der Rogfast-Tunnel in Betrieb ist) würde es 2400 Franken kosten und 2060 noch 1455 Franken. Grob entspräche dies einer Halbierung der Transportkosten. Wird nur der Streckenabschnitt zwischen Stavanger und Bergen betrachtet – hier liegen drei von acht benötigten Bauwerken zur Fjordquerung –, verringern sich die Transportkosten signifikanter: von 630 Franken (2020) auf 455 (2035) und 240 Franken (2060). Dies liegt an einer norwegischen Besonderheit der Mautberechnung: Für neue Bauwerke wird nur in einem bestimmten Zeitraum – etwa bis ihre Baukosten abbezahlt sind – Maut erhoben. 

 

In den genannten Zahlen sind Kosten für Fahrer und auch zeitabhängige Kosten wie etwa Verwaltungsaufwand, Kapitalkosten und Steuern enthalten. Beim Personenverkehr ergibt sich tendenziell ein ähnliches Bild: 2020 kostet die Fahrt eines PKW von Stavanger nach Bergen etwa 150 Franken, 2060 müsste man etwa 65 Franken für die Strecke aufwenden. Aufgrund von getroffenen Annahmen und vor allem der Projektion auf einen weiten Zeithorizont dürften die Zahlen allerdings mit Vorsicht zu geniessen sein. Das vielleicht interessantere Argument für die neue E39 dürfte die Abnahme der Reisezeiten sein.

 

Quelle: Utviklingsstrategi for ferjefri og utbetra E39 – Statens vegvesen; Håndbok V712 – Konsekvens­analyser – Statens vegvesen (Entwicklungsstrategie für eine fährenfreie und verbesserte E39 – Norwegisches Strassenverkehrsamt; Handbuch V712 – Auswirkungsanalysen – Norwegisches Strassenverkehrsamt).

Norwegen: Viele Rekorde auf wenige Einwohner


Noch der längste Strassentunnel

Zum heutigen Zeitpunkt ist der Lærdals-­Tunnel, der die Ortschaften Aurland und Lærdal verbindet, mit ­seinen 24.5 km der längste Strassentunnel der Welt. Täglich durchqueren nur etwa 2000 Fahrzeuge das einröhrige Bauwerk mit einer Fahrspur pro Richtung. Zum Vergleich: Durch den Gotthard-Strassentunnel verkehren etwa 17 000 Fahrzeuge pro Tag. Mit knapp 5.5 Millionen Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von 15 Einwohner/km2 ist Norwegen bedeutend weniger dicht besiedelt als die Schweiz (220 Einwohner/km2) und ihre angrenzenden Länder. 

 

Aufgrund der geografischen Lage ist Norwegen nicht als Transitland einzustufen. Oslo als grösste Stadt Norwegens und Bergen an der Westküste haben durch den Lær­dals-­Tunnel jedenfalls eine winter­sichere, fährenfreie Verbindung. Ohne den Tunnel müssten Fahrzeuge im Winter auf eine Fähre über den Sogne­fjord (hier auch Lærdalsfjord genannt) ausweichen. 

 

Berühmt sind die drei farbig be­­leuchteten Kavernen des Lærdals­­Tunnels, von denen sich auch Touristen angezogen fühlen. Sie dienen der Verkehrssicherheit, um Ermüdung und Beengtheit der Durchreisenden vorzubeugen. Ebenfalls aussergewöhnlich: Anhalten und Staunen im Tunnel ist hier erlaubt. Ängstliche Gemüter dürfen nur nicht daran denken, dass der Tunnel keinen Not­ausgang hat.
 

 

Noch der tiefste und längste Unterwasser-Strassentunnel

Gleich neben dem Rogfast-Tunnel liegt der Ryfylke-Tunnel. Seit 2019 hält er den Rekord des tiefsten Unterwasser-Stras­sentunnels. Mit seinen 14.4 km ist er auch der weltweit längste Unterwasser-­Stras­sentunnel (am tiefsten Punkt: 292 m unter dem Meeresspiegel).

 

Das grösste von Menschen je bewegte Objekt – für immer?

Bereits seit 30 Jahren im Dienst ist die Bohrinsel Troll A. Sie ist das grösste von Menschen je bewegte Objekt, die grösste Bohrinsel und Gasförderplattform der Welt. Mit einer Höhe von 472 m und einem Gewicht von 685 000 t steht sie im 303 m tiefen Wasser der Nordsee. Die Betonkonstruktion haftet mit 19 Vakuumankern am Meeresgrund. Gebaut wurde sie im Gandsfjord bei Havanger, zusammengesetzt im Vats­fjord. Der Unterbau ist eine Condeep-Konstruktion (concrete deep water structure), eine Form einer gravity base structure (GBS). Zehn Schleppschiffe bugsierten die Konstruk­tion, die beim Transport 227 m Tiefgang aufwies, durch den Boknafjord – hier entsteht gerade der Rogfast-Tunnel – auf das offene Meer an ihren Bestimmungsort etwa 70 km vor der Mündung des Sognefjord.

 

Es könnte sein, dass dieser Rekord für immer bestehen bleibt. Der Grund ist nicht die Verabschiedung aus dem Öl- und Gaszeitalter, sondern vielmehr eine Innovation in Sachen Fördertechnik. Die Idee entstand am Standort Zürich des Konzerns MAN Diesel & Turbo. Entwickelt wurde ein «Subsea-Kompressor», der auf dem Meeresboden steht. Mit seiner Hilfe kann der benötigte Druck erzeugt werden, um das Gas aus dem Gasfeld zu pressen. Bisher waren diese Kompressoren auf den Förderplattformen über Wasser installiert, was zu einem immensen Energieverbrauch führte. 

 

Die neue Entwicklung verbraucht nur etwa 10 % der Betriebsenergie, kann von einem Schiff aus gesteuert werden und ermöglicht es, ein Gasfeld bedeutend besser auszubeuten. Mit der alten Technik ist oft nur eine Ausbeute von etwa 40 % möglich. Diese neue Technik kommt seit 2016 in Norwegens Asgard-Gasfeld zum Einsatz. Ob also zukünftig nochmals Riesenobjekte wie die Troll A den Boknafjord durchqueren, bleibt offen. Der Rogfast-Tunnel stünde einer Überfahrt jedenfalls nicht im Weg.

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