Cham­bres de lu­xe - Kunst­ho­tel

Ausstellung im Kunstmuseum Thun

Der 1875 eröffnete Thunerhof war einst ein Hotel im Berner Oberland. Das Haus steht noch, allerdings nicht mehr als Hotel. Seit 65 Jahren sind dort Büros der Stadtverwaltung untergebracht und –ein Glücksfall –das Kunstmuseum Thun. Derzeit erzählt die Ausstellung «Chambres de luxe» vom Leben in Hotels, vom Schicksal des Unterwegsseins und vom Leben im Heimatlosen.

Publikationsdatum
08-10-2013
Revision
01-09-2015

Zwölf Künstler und drei Künstlerpaare haben sich für diese Ausstellung mit dem Thema Hotel beschäftigt, die Räume in Beschlag genommen und neues Leben eingehaucht. In Hotels kann man alles tun, was man im Leben sonst tut: schlafen, lesen, arbeiten, lieben, sich langweilen, gebären und sterben zum Beispiel. Die Ausstellung «Chambres de luxe» zeigt, wie Hotelzimmer oft als Ersatz für das eigene Atelier gedient haben und Produktions- wie Lebensstätte auf Zeit waren, was Künstler mit Hotelmobiliar anstellen, wie sie auf Zeit benutzte Räume neu sehen und was sie zum perfekten Service zu sagen haben. Sogar als Hoteliers waren und sind Künstler tätig.

La chambre no 13, Hotel Carcassonne

Das Zimmer des kleinen Pariser Hotels, in dem Daniel Spoerri (*1930) zwischen 1959 und 1965 auf 12 m2 gelebt und gearbeitet hat, ist mittlerweile selber zum Kunstwerk geworden. Spoerri hatte es anhand von Skizzen und Fotografien rekonstruiert und so den Ort seiner künstlerischen Anfänge, wo er die ersten «Fallenbilder» schuf, wie eine eingefrorene dreidimensionale Momentaufnahme festgehalten. Die Rekonstruktion steht in einem der prächtigen Säle des Thunerhofs und wirkt wie ein Clochard in abgewetztem Anzug inmitten einer eleganten Gesellschaft. Ein künstlerisch selbstbewusster und intelligent reflektierender Clochard allerdings und selber so etwas wie eine Fallenskulptur.

Von der Realität zum virtuellen Erleben

Spoerris Arbeit ist eine der insgesamt 15 Positionen, die den Ortswechsel und die Räume auf Zeit in Hotels thematisieren. Das Projekt «Everland» von Sabina Lang (*1972) und Daniel Baumann (*1967) zum Beispiel, ein Einzimmerhotel als transportierbarer Pavillon aus Holz, entstand für die Expo 02 in Yverdon, wanderte anschliessen nach Leipzig und Paris und ist derzeit in Burgdorf deponiert. In der Ausstellung sind die Gästebücher und ein kleines Modell präsent.

Chantal Michel (*1968) wiederum zeigt ein nachgebautes Zimmer aus dem Grand Hotel Bürgenstock bei Luzern, das 2006 ein halbes Jahr leer stand und ihr als Arbeitsort diente. Gezeigt werden zudem die Video- und Fotoarbeiten die sie in diesem Raum geschaffen hat.

Anders das virtuelle Hotel «Vue des Alpes» von Monica Studer (1960) und Christoph van den Berg (*1962), das nur nach Voranmeldung und allein über die Website www.vuedesalpes.com besucht und genutzt werden kann. In Thun ist nun erstmals das Zimmer 400 als Ausschnitt des Hotels und räumlich begehbare Installation gebaut.

Spuren des Erlebens in Hotels

Alighiero Boetti (1940-1994) hat 1971 in Kabul (Afghanistan) gemeinsam mit seinem Freund Gholam Dastaghir das «One Hotel» mit rund 30 Schlafplätzen geschaffen. Es war bis 1977 in Betrieb und diente Boetti zeitweilig als Arbeitsort. Gezeigt wird eine der gewebten Wandteppich-Weltkarten die er 1971-1994 in Afghanistan produzieren liess. In Bezug dazu steht die Suche des mexikanischen Künstlers Garcia Torres (*1975) nach diesem verschwundenen Hotel, dokumentiert mit Dia, Video und Internetrecherche. Mit dem Künstlerhotel TwoHOTEL im brasilianischen Bahia, 2013 innert drei Wochen aus billigem Sperrholz gebaut, bezieht sich Fabian Marti (*1979) indirekt ebenfalls auf Boetti.

Andere Spuren des Erlebens in Hotels hält El Frauenfelder (*1979) mit ihren nach Fotografien gemalten Bildern von Interieurs fest, die an Edward Hopper erinnern und dennoch eine eigenständige Position einnehmen. Und mit dem Detail der in jedem Hotel zu findenden Fluchtplan hat der selber in einem Hotel in Davos aufgewachsene Jules Spinatsch (*1964) eine witzige Fotoserie geschaffen die er «EXIT Strategies» nennt.

Der Thunerhof als Gesamtkunstwerk

Die Schau wäre um vieles ärmer ohne die liebevoll und detailreich dokumentierte Geschichte des Orts dieser Ausstellung, den Thunerhof. Das nach den Plänen des Berner Architekten Adolphe Tièche innnert zwei Jahren Bauzeit und mit 50 % Budgetüberschreitung (!) eröffnete Grand Hotel bestach durch seine idyllische und doch zentrale Lage und durch ein eindrucksvolles Interieur mit schönem Parkett, edlem Mobiliar und kostbaren Teppichen wie Leuchten. Seine ornamentalen Wand- und Deckenmalereien sind für Besucher des Museums vor allem in Eingangsbereich noch sichtbar. Das Haus blickt auf eine bewegte Geschichte mit Hochs und Tiefs zurück. Und bis zum 24. November darf es nun Kunstwerke beherbergen, die sich wiederum mit dem Thema Hotel beschäftigen, eine Ausstellung, die von diesem Ort ihren Sinn bezieht und nicht nur Sinn macht, sondern schlicht auch Freude. 

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