Ba­dens Er­be und Ge­gen­wart

Eine Ausstellung und ein neuer Architekturführer zeigen ausgewählte Bauten der Limmatstadt.

Publikationsdatum
12-04-2023

Geschichtsträchtig, wirtschaftsstark und kulturvoll: Baden behauptet sich mit Selbstbewusstsein – obwohl es mit rund 20‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern selbst für Schweizer Verhältnisse eine kleine Stadt ist. Aber ihre Bedeutung geht weit über ihre Grenzen hinaus. Schon die Römer, die vor 2000 Jahren ihr Legionärslager in Windisch aufbauten, zog es nach Baden. Sie waren es, die die heilenden Kräfte des Badener Thermalwassers entdeckten. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Baden ein wichtiger Kurort mit wechselhafter Geschichte. Andererseits spielte Baden aber auch eine bedeutende Rolle in der Industrialisierung der Schweiz. Beide Faktoren prägen das städtebauliche und architektonische Antlitz der Stadt an der Limmat.

Zur Auseinandersetzung mit der Baukultur Badens regt nun sowohl eine Ausstellung im Historischen Museum Baden als auch eine Neuerscheinung aus dem Verlag Hochparterre an. Dahinter stehen die beiden Architekturhistoriker Fabian Furter und Patrick Schoeck. Ihre Auseinandersetzung mit dem Baubestand der Stadt Baden begann bereits 2008, als sie den Auftrag erhielten, ein «Inventar Baukultur Baden» zu erstellen.

2011 waren die Arbeiten abgeschlossen – und die Idee, einen neuen Architekturführer herauszugeben, geboren. Schliesslich war jener aus dem Jahr 1994 längst vergriffen und veraltet. Aber erst 2020 ging es an die Umsetzung. Mit der Edition Hochparterre und dessen Redaktor Werner Huber, einem Baden-Kenner, war ein Partner für das Projekt gefunden.

Von der Altstadt bis Dättwil

Das Ergebnis sind rund 260 Seiten, prall gefüllt mit Texten, Fotos und durchweg neu gezeichneten Plänen zu 120 Bauten aus den letzten 150 Jahren, die das Stadtbild prägen. Der grösste Teil der Fotos wurde eigens für diesen Architekturführer erstellt, die Grundrisse und Schnitte der Bauten sind sorgfältig aufbereitet. Übersichtspläne erleichtern die Orientierung in dem nach Stadtquartieren gegliederten Katalogteil. Der Architekturführer entrollt sich von Quartier zu Quartier an – von der langgestreckten Altstadt über das Bäderquartier und Burghalde bis nach Dättwil.

Zu entdecken gibt es Bekanntes und Erwartbares wie die Villa Langmatt, 1901 von Curjel Moser im englischen Landhausstil entworfen, die 1962–64 von Fritz Haller erbaute modernistische Kantonsschule oder das 1959 bis 1968 von Bölsterli und Weidmann im «International Style» ersonnene BT-Hochhaus. Zahlreich vertreten sind im Führer auch Bauten von Hans Loepfe, hat er doch das Stadtbild Badens wie kein anderer Architekt geprägt. So setzte er 1924/25 einen städtebaulichen Akzent mit einem Doppelhaus- und Reihenhaus-Ensemble im Meyerhof-Quartier.

Die jüngere Zeit prägten Büro wie Meier Leder und Burkard Meyer Steiger (seit 1997 Burkard Meyer Architekten). Ersteres entwarf 2005 den von seiner grünen Glasfassade geprägten Neubau der NOK/Axpo, aber auch einen beispielhaften Bau für genossenschaftliches Wohnen mit 16 schlicht gehaltenen Wohnungen (2013–2017) an der Gartenstrasse. Burkard Meyer Steiger prägten dagegen die Neubebauung an der Bahnhofstrasse aus den Jahren 1979 bis 1984, ein vielfach gegliederter Backsteinriegel im Stil der Postmoderne. Postmoderne Verspieltheit charakterisiert auch ihren 1985 gebauten Wasser- und Aussichtsturm Baldegg, einen 35 Meter hohen Turm auf oktogonalem Grundriss. Und zwischen 1997 und 2003 erstellen Burkard Meyer Architekten in zwei Etappen drei Stadthäuser in einem gelungenem Zusammenspiel von Beton, Backstein und grossen Fensterflächen, 2006 folgte das Wohn- und Geschäftshaus Falken, ein sechsgeschossiges, scharfkantig modelliertes Gebäude auf unrelmässigem Grundriss, der an einem neuralgischen Punkt der Stadt einen selbstbewussten Auftritt hat. 

Neben all den männlichen Akteuren sticht die Architektin Lisbeth Sachs heraus, die 1939 – frisch von der ETH den anonym ausgeschrieben Architekturwettbewerb für das Kurtheater gewonnen hatte, jedoch kriegsbedingt erst 13 Jahre realisieren konnte. Mit seiner affinierten Wegführung, sinnlichen Materialisierung, dem gläsernen Foyer und dem Wechselspiel mit dem Kurpark ist es ein Juwel in der Architekturgeschichte Badens – das kürzlich von Boesch Architekten sensibel saniert wurde. Neben Bauten wie diesen zeigt die Publikation aber auch ausgesuchte Architekturperlen aus früheren Zeiten – so beispielsweise das «Gloggehüsli» genannte Portierhaus des Baumeisters Louis Mäder von 1891, ein biedermeierlicher Giebelbau, der zu den ersten Bauten der damals gerade gegründeten elektrotechnischen Firma der Ingenieure Charles Brown und Walter Boveri gehörte.

Utopia Baden

Ein Kapitel des Buches ist zudem der Utopie gewidmet: So erfährt man, dass Baden nur knapp dem Projekt Riverfront von Simon Halstead Associates entkommen ist, einer «Mischung aus Wellnessbad, Luxushotel, Einkaufszentrum und Casino .... im Stil einer Collage aus Jumbochalet, stalinistischer Zuckerbäckerarchitektur und japanischer Pagode», wie Fabian Furter schreibt. Stattdessen eröffnet an dieser Stelle 25 Jahre später der wuchtige Riegel des Wellnessbads Fortyseven aus der Feder Mario Bottas.  Bedauernswerter ist da, dass auch Richard Neutras Entwurf der Villa Sontheim von 1964 nie umgesetzt wurde – sein Bau im Stil der kalifornischen Moderne überzeugte den BBC-Verwaltungsratsdelegierten Rudolf Sontheim nicht.

Beiträge zu einzelnen Themen wie Brücken und Hochhäusern, verschwundenen Bauten wie das Franzosenhaus, ja sogar Haltestellen und Kiosken runden das Bild von Baden genauso ab wie der Blick über die Stadtgrenzen hinaus. Entstanden ist eine Pflichtlektüre, die zur Auseinandersetzung mit dem baulichen Gesicht der Limmatstadt einlädt. Kongenial ergänzt wird der Führer durch die Ausstellung im Historischen Museum: Dort präsentieren die beiden Buchautoren als Kuratoren zusammen mit dem Badener Architekturbüro Balissat Kaçani Trouvaillen wie Pläne, Modelle und audiovisuelle Beiträge, die nicht zwischen zwei Buchdeckel passen. Auf einer 40 Meter langen und drei Meter hohen Wand lassen sie rund 100 Bauten aus dem Architekturführer zu einer Idealstadt verschmelzen. Darin finden Gebäude zusammen, die sonst kilometerweit auseinander stehen. So wird es im Museum möglich, durch eine Fabrikstrasse, eine Eighties Avenue oder eine Kulturmeile zu schlendern und vermeintlich längst bekannte Bauten mit neuen Augen zu entdecken.

Die Ausstellung «Die gute Architektur» im Historischen Museum Baden ist noch bis 10. September 2023 zu sehen.
Weitere Infos: museum.baden.ch

Stadt Baden (Hg.), Fabian Furter, Patrick Schoeck (Texte), René Rötheli, Felix Wey (Fotografie): Architekturführer Baden. Gebäude, Freiraum, Infrastruktur. Edition Hochparterre, Zürich 2023, ISBN 978-3-909928-76-7, 49.– Fr.

 

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