Son­nen­en­er­gie: ei­ne Fra­ge – zwei Mei­nun­gen

Publikationsdatum
01-11-2012
Revision
25-08-2015

Beim Thema Sonnenenergie scheiden sich die Geister: Die einen sehen in der nahezu unerschöpflichen Energiequelle die Möglichkeit, die Energiewende zu schaffen. Für die Skeptiker überwiegen die schwierige Einbindung ins Netz sowie die ökologischen Nachteile in Herstellung, Gebrauch und Entsorgung. Wie viel Potenzial hat die Technologie? Und wo setzt man sie sinnvoll ein – auch in gestalterischer Hinsicht? TEC21 bat zwei Experten, ihren Standpunkt darzulegen. 

Beat Kämpfen

«Fünf Kernkraftwerke müssen ersetzt werden. Der Bundesrat hat deshalb eine neue Anbauschlacht beschlossen. 1939 ging es um die Produktion von Nahrungsmitteln, heute geht es um die Produktion von Solarenergie. Solarpaneele auf der Zürcher Sechseläutenwiese und generell in der freien Landschaft kommen kaum infrage. Unser riesiger Gebäudepark hat aber nicht nur das weitaus grösste Effizienz-, sondern auch das ungleich grösste Produktionspotenzial. Jeder Einwohner der Schweiz konsumiert für Wohnen, Arbeiten und Freizeit rund 80m2 Geschossfläche. Diese werden von circa 20m2 Dachfläche und 40m2 Fassadenfläche umhüllt. Angenommen, nur die Hälfte der Dachflächen und nur ein Viertel der Fassadenflächen sind für die solare Energiegewinnung sinnvoll nutzbar, verbleiben doch 10m2 Dachfläche und 10m2 Fassadenfläche pro Einwohner. Wenn unsere Gebäude nach den Regeln des energieeffizienten Bauens erstellt würden, genügten diese 20m2 Oberfläche, um mindestens die ganze Betriebsenergie unserer Bauten zu decken. Bäume nutzen ihre Oberfläche, um mittels Photosynthese Licht in chemische Energie umzuwandeln und zusammen mit dem Wasser aus dem Erdreich ihre Lebensenergie zu gewinnen. Häuser können mittels Solarthermie Licht in Wärme und mittels Photo­voltaik Licht in Elektrizität umwandeln, das Erdreich kann der Pufferung dienen. Viele moderne Bürogebäude haben einen Fensteranteil von nicht mehr als 40 %, die übrigen 60 % der Fassade werden gern mit schwarzem Naturstein verkleidet. Dieser ist schön und edel, beinhaltet aber viel graue Energie. Wenn wir ihn durch einen solarthermischen oder photovoltaischen Kollektor ersetzen, wird zwar gleich viel graue Energie verbraucht, nach zwei Betriebsjahren wird der Kollektor jedoch zum Energieproduzenten. Die Architekten sind heute gefordert, mit den neuen technischen Möglichkeiten (firmitas) nicht nur bei der solaren Anbauschlacht (utilitas) mitzuhelfen, sondern damit auch Schönheit (venustas) zu generieren. Die Chance ist da, unsere Bauten und Städte in ästhetischer Hinsicht zu revolutionieren!»

Peter Richner

«Der Beitrag der Photovoltaik an die schwei­zerische Stromversorgung betrug 2011 149 GWh bzw. 0.25 % des Gesamtangebots. In allen aktuell diskutierten Szenarien über die zukünftige Stromversorgung der Schweiz wird von einer Vervielfachung dieses Beitrags in den nächsten Jahrzehnten ausgegangen, und bis zum Jahr 2050 soll die Photovoltaik sogar mehr zusätzlichen Strom liefern als die Wasserkraft – für die Photovoltaik ist eine Zunah­me um 11.12 TWh und für die Wasserkraft um 8.57 TWh geplant. Damit diese Neuausrichtung der Stromversorgung gelingen kann, müssen noch einige Herausforderungen gemeistert werden: Der Preis pro kWh Strom muss noch weiter fallen. Dazu tragen Zellen mit einem höheren Wirkungsgrad und tieferen Produktions- und Installationskosten bei. Die Entwicklung der letzten Jahre und ein Blick in die Forschungslabors stimmten ­diesbezüglich optimistisch. Dank Dünnfilm­technolo­gien nimmt der Anteil der grauen Energie ab, und die Energierücklaufzeit sinkt auf weniger als 10 % der Lebensdauer der Module. Durch ein konsequentes Recycling lässt sich auch die Problematik der Verwendung seltener Elemente beheben.
Viel anspruchsvoller sind der notwendige Abgleich zwischen Stromangebot und -nachfrage und die wechselnde Beanspruchung des Stromnetzes aufgrund der stark schwankenden Produktion von erneuerbarem Strom aus Sonne und Wind. Die Lösung wird eine Mischung aus kurz-, mittel- und langfristigen Speichertechnologien in Kombination mit rasch verfügbaren (fossilen) Kraftwerken sein, die über ein im Vergleich zu heute viel leistungsfähigeres und intelligenteres Netz verbunden sein werden. Für den Erfolg der Solartechnologie braucht es also sowohl bei den Netzen als auch bei den Speichertechnologien zahlreiche Innovationen.
Noch fehlen dafür diverse Schlüsselelemente, aber wir haben auch noch 20 bis 30 Jahre Zeit, um neue Technologien zu entwickeln und umzusetzen. Zentral ist ein gezielter Einsatz der Mittel für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Noch wichtiger ist vielleicht die Vermeidung von marktverzerrenden Mechanismen. Statt der Unterstützung der Photovoltaik durch die KEV würde man besser bei anderen Energieträgern wie der Kernenergie, die durch die Beschränkung der Haftungssumme hochgradig subventioniert werden, für Kostenwahrheit sorgen.»

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