Schaff­hau­ser Ab­stim­mung über den Schutz des Rhein­falls

Der Rheinfall soll für eine energetische Nutzung nicht mehr länger Tabu sein. Umwelt- und Fischereiorganisationen wehren sich dagegen und finden, der grösste Wasserfall Europas soll so bleiben, wie er ist.

Publikationsdatum
14-05-2014
Revision
01-09-2015

Am kommenden Wochenende befindet die Schaffhauser Bevölkerung über eine Anpassung des kantonalen Wasserwirtschaftsgesetztes. Die von der Regierung und dem Kantonsparlament angestrebte Änderung würde einen Höherstau des Rheins beim Kraftwerk Schaffhausen ermöglichen. Beim Rheinfall wäre es zudem denkbar, mehr Wasser zur Stromproduktion zu nutzen. Unter dem geltenden Gesetz ist beides nicht möglich. Mit der Änderung des Wasserwirtschaftsgesetzes will der Kanton Schaffhausen die rechtlichen Grundlagen schaffen, um die Wasserkraft besser nutzen zu können. 

Ideen für ein zweites Kraftwerk 

Die Nutzung der Wasserkraft am Rheinfall ist nicht neu. Es ist auch der Grund, weshalb Industrie und Gewerbe sich in Neuhausen ansiedelten. Kaum bekannt ist, dass bei Neuhausen heute schon ein kleines Wasserkraftwerk mit einer Francisturbine in Betrieb ist. Mit 25m3 Wasser pro Sekunde entnimmt es dem Rhein jedoch nur einen bescheidenen Teil seines Wassers. Im Jahresmittel stürzen etwa 370m3 Wasser pro Sekunde über die Felsen. 

In den letzten Monaten wurde nun aber bekannt, dass die an der Rheinkraftwerk Neuhausen AG beteiligten Stromkonzerne Axpo und EnAlpin auf der Zürcher Seite des Rheinfalls gerne ein zweites Kraftwerk realisieren würden. Gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte Martin Steiger, der Verwaltungsratspräsident der Rheinkraftwerk Neuhausen AG, die Nutzung würde den Rheinfall als Tourismusspektakel nicht beeinträchtigen. Ein grosser Teil des Wassers könnte dem Rhein beispielsweise während der Nacht entnommen werden. 

Erinnerungen an Rheinau 

Für viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser sind die Flusslandschaft und der Rheinfall auch eine emotionale Angelegenheit. Nicht vergessen sind die Zeiten, als man mit einer Initiative in den 1950er-Jahren gegen den Bau des nur zehn Kilometer unterhalb des Rheinfalls gelegenen Kraftwerks in Rheinau gekämpft hatte. Die eidgenössische Volksabstimmung ging 1954 zwar verloren; als einziger Kanton nahm Schaffhausen die Initiative jedoch an. 1962 befürwortete hingegen eine deutliche Mehrheit des Schweizer Volkes den Natur- und Heimatschutzartikel in der Verfassung. Dieser ebnete den Weg für das Natur- und Heimatschutzgesetz und dieses wiederum ist die Grundlage für das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Der Rheinfall liegt zusammen mit Rheinau im BLN-Objekt Untersee-Hochrhein.    

In der bewegten Zeit der Auseinandersetzung um Rheinau ist auch der Rheinaubund als schlagkräftige Umweltorganisation entstanden. Vor wenigen Jahren fusionierte er mit der Umweltorganisation Aqua Viva – und seit kurzem heisst die Organisation auch so. Aqua Viva wehrt sich vehement gegen die Änderung des Wasserwirtschaftsgesetzes. Der Rheinfall als einzigartiges Naturdenkmal dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. 

Klare Mehrheit im Kantonsparlament 

Das Schaffhauser Kantonsparlament hat der Gesetzesänderung mit 44 zu 5 Stimmen überraschend deutlich zugestimmt. Es wird deshalb interessant sein, ob das Schaffhauser Stimmvolk die Entscheidung des eigenen Parlaments korrigiert. 

Auch wenn die Bevölkerung dem Willen von Regierung und Parlament folgt: Der Weg bis zu einem zweiten Kraftwerk am Rheinfall wäre lang und ungewiss. Zum einen hat bei einem konkreten Projekt der Kanton Zürich ein gewichtiges Wort mitzureden. Und zum anderen müsste die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ein Gutachten erstellen, weil das Projekt in einem BLN-Objekt liegt. Und selbst wenn die Stellungnahme der ENHK Gutachten positiv ausfallen sollte, hätte unter der jetzigen Gesetzgebung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Bundessgericht zu entscheiden, ob ein Wasserkraftwerk an einem so sensiblen Ort zulässig ist. 

Natur- und Landschaftsschutz steht zur Debatte 

Im Rahmen der Energiewende ist es jedoch denkbar, dass in den nächsten Jahren der Natur- und Landschaftsschutz aufgeweicht wird. Auf eidgenössischer Ebene gibt es solche Bestrebungen. Insbesondere die vom Zuger Ständert Joachim Eder eingereichte Parlamentarische Initiative zielt darauf ab, die Rolle der ENHK zu schwächen. Die Schaffhauser Abstimmung kann somit als Auftakt in der politischen Auseinandersetzung zwischen der Förderung der erneuerbaren Energien und dem Natur- und Landschaftsschutz gesehen werden. Es steht einiges auf dem Spiel – nicht nur in Schaffhausen. 

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