Ein schmaler Pfad für mehr Natur
Das Naturschutzgebiet Hopfräben liegt am Ufer des Vierwaldstättersees, der Zugang zum Wasser ist teilweise verbaut. Die Renaturierung des Verlandungsbereichs wurde mit einer Schutzplanung für das dahinter liegende Flachmoor kombiniert.
Schwyz ist ein Voralpen- und Moorkanton. Wohl am bekanntesten ist Rothenthurm. Diese Hochmoorlandschaft hatte die Schweiz vor 31 Jahren zur Annahme des Moorschutzartikels verleitet. Seither sammelt die kantonale Umweltbehörde wichtige Erfahrungen, wie das strenge Gesetz für Eigentümer, Nutzer und Besucher verbindlich umgesetzt werden kann. Im Moor darf an sich nichts verändert werden, und auch die Zugänglichkeiten sind zu beschränken. Verbote funktionieren aber nicht immer. Gemäss Remo Bianchi vom Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons Schwyz werden Lösungen häufig besser akzeptiert, wenn sie auch gegensätzliche Ansprüche verbinden. «Konkret heisst das: Zwischen Naturschutz und Naherholung gilt es einen Ausgleich zu finden.» Auch im Hopfräben direkt neben dem Siedlungsgebiet von Brunnen wird nun ein solcher Spagat geübt.
Grossräumlich ist der Standort eine der wenigen Flachuferzonen am Vierwaldstättersee. Im Kern enthält diese Landzunge ein Streuried als letzten Rest des Muotadeltas. Das Areal steht auf der Liste der Flachmoore von nationaler Bedeutung. Es ist bäuerliches Grundeigentum und wird standorttypisch genutzt und gepflegt. Die knapp sieben Fussballfelder grosse Fläche besticht durch ihre ökologische Qualität: Sauergräser, Schilfgürtel und Wasserpflanzen bilden die ökologisch wertvolle Vegetation; Fische, Wasservögel und Amphibien profitieren von der Verlandungszone, so gut es eben geht.
Denn wie der Augenschein vor Ort verrät, drängt der Mensch bis hart an den Rand. Das Feuchtbiotop wird von Gewerbe- und Erholungsinteressen in die Zange genommen. Im Norden und Süden steckt je ein Campingplatz den Schutzperimeter ab. Im Nordwesten bildet eine öffentliche Badeanstalt die künstliche Grenze. Und auch eine Kieswaschanlage gehört zur einengenden Nachbarschaft. Einen Puffer, der Raum für die natürliche Dynamik bieten würde, gibt es kaum. Doch auch für Wanderer, Biker und Hundefreunde ist das Muotadelta attraktiv. Örtliche Hängegleiterschulen peilen eine nahe gelegene Landewiese an. Fussgänger suchen derweil eine Abkürzung dem Vierwaldstättersee entlang. Misslungene Anflugmanöver und Trampelpfade hinterlassen mehr als nur temporäre Spuren im empfindlichen Feuchtgebiet.
Im Einzelnen und in der Summe sind die Störungen für die besondere Flora und Fauna unerträglich und unkontrollierbar geworden. Um weitere Konflikte zu verhindern, hat die Kantonsbehörde vor zweieinhalb Jahren einen Schutzplan in Kraft gesetzt. Die einvernehmliche Lösung mit Grundeigentümern, Nachbarn und der Gemeinde wartet nun auf den Abschluss ihrer Umsetzung. Ausstehend ist die Bewilligung dreier Einzelprojekte, die gemeinsam der ökologischen Aufwertung von Uferzone und Flachmoor dienen.
Widerstand an den Grenzen
Die ersten Schritte zum Schutz des Feuchtstandorts unternahm die Gemeinde Ingenbohl vor fast einem halben Jahrhundert. Aber erst 2011 wurde die Dringlichkeit der Angelegenheit erhöht. Bis 2016 verhandelten die Behörden von Brunnen und des Kantons Schwyz mit Eigentümern und Nutzern über eine Neuordnung des räumlichen Geflechts. Eine ökologische Bewirtschaftung mit Düngerverbot wurde nie infrage gestellt. Die härteren Nüsse waren an den bisherigen Grenzen zu knacken: Weil die Schwyzer Behörde den Abstand zwischen Flachmoor und Erholungsnutzung vergrössern wollte, sprach man mit den Nachbarn über eine Umlegung der Campingplätze westlich und östlich des Biotops. Einer wehrte sich juristisch dagegen. Ohne Erfolg: Das Bundesgericht lehnte die Beschwerde ab.1
Anfang 2016 setzte der Kanton Schwyz den neuen Nutzungsplan Hopfräben in Kraft. Im Osten muss der Zeltplatz Flächen für eine Pufferzone freigeben. Im Gegenzug wird das davor liegende Seeufer zu einem attraktiven Badeplatz umgestaltet. Ein Sichtschutz und ein kleines Fliessgewässer sollen den öffentlichen Bereich vom Flachmoorperimeter abtrennen. Denn ennet dieser neuen Grenze erhält die Natur nun Vorrang. Dafür muss das harte Seeufer aber aufgeweicht werden.
Aktuell schützt ein künstlicher Damm aus Abbruchmaterial das natürliche Hinterland; dieser wird gemäss Renaturierungsprojekt durch einen Überflutungsbereich mit Graben und Teich ersetzt. Danach soll ein künstliches Unterwasserriff 25 m seeseitig der heutigen Uferkante den Wellenbelastungen standhalten und trotzdem dynamische Umlagerungsprozesse ermöglichen. Seine Oberkante liegt 20 cm unter dem Mittelwasserspiegel, sie soll die anlaufenden Wellen brechen und zugleich in der Flachwasserzone verhindern, dass das Moorufer erodiert. Je nach Wasserstand, Wellen- und Windsituation wirkt das Riff unterschiedlich. Die Ingenieure dimensionieren es mithilfe von Wellenmodellierungen und binden es im Untergrund ein, damit es selbst nicht erodiert oder von den Wellen zerstört wird.
Dank dem Dammrückbau wird die Verbindung zwischen Moor und See wiederhergestellt, und beide Ökosysteme werden vernetzt: Wasservögel, Fische und Amphibien finden im verzahnten Ufer zusätzliche Brut- und Laichplätze. Auf dem Wasser ist zudem ein 200 m breiter Streifen mit Bojen markiert; das Seeufer vor dem Hopfräben ist für Schwimmer und für das Befahren oder Ankern mit Booten neuerdings tabu.
Die Natur am Ufer gewinnt
Die Abflachung des Ufers wird auch in den Bereichen fortgesetzt, die als kommunale Badezone zugänglich sein werden. Hierfür werden massive Steinblöcke entfernt, um flache Strände und Kiesbuchten ausbilden zu können. Damit die uferparallele Strömung das Material des neugestalteten Abschnitts nicht verfrachtet und dieses den Einlauf des Hechtgrabens verstopft, werden Umlenkbuhnen rechtwinklig zum Ufer bis in eine Wassertiefe von 2.5 m gezogen.
Während die Natur am Ufer gewinnt, steht am Nordrand der Flachmoorparzelle die Naherholung im Vordergrund. Die kantonale Schutzplanung sieht hier einen neuen Wanderweg vor, der mehrheitlich durch die Pufferzone und teilweise über den Rand des Streurieds führt. Den Hopfräbenweg hiess das Bundesgericht in Lausanne gut. In der Urteilsbegründung wurde die Strategie anerkannt, die sich die Schwyzer Planungsbehörde zur Entflechtung der Nutzungen ausgedacht hatte. Der schmale Moorpfad soll weitere Störungen vermeiden und eine «schutzverträgliche Besucherlenkung» ermöglichen. Vorgesehen ist ein Weg auf Holzprügeln und mit Kiesabdeckung, der höchstens 1.4 m breit ist. Als Sichtschutz für die Vögel auf der Riedfläche können halboffene Palisaden oder Sträucher dienen.
Aktive Beteiligung, hängige Beschwerde
Der Hopfräben hat eine lange Geschichte. Das bezieht sich auf die natürliche Entstehung und inzwischen auch auf die Anerkennung der ökologischen Werte: Bereits im frühen Mittelalter wird die Verlandungszone urkundlich erwähnt. Ab dem 16. Jahrhundert wird sie sogar zum Fischereischongebiet erklärt. Und Ende des letzten Jahrhunderts setzt sich die Besorgnis durch, dass der Rest der einstigen Moorfläche besseren Schutz verdiene.
Inzwischen beteiligen sich weitere Kreise aktiv an der Aufwertung des naturnahen Standorts: Das Elektrizitätswerk des Bezirks Schwyz will hier verfügbaren Raum nutzen für einen ökologischen Ausgleich zur Wasserkraftgewinnung an der benachbarten Muota. Eine zusätzliche Gewässerrinne in der Moorpufferzone soll dem seltenen Bachneunauge neue Laichplätze bieten. Und am Ufer könnte eine Bucht dem Hecht als Rückzugsort dienen. Beide Eingriffe würden gleichzeitig eine Trennlinie zwischen öffentlichem Seeufer und Biotop bilden. Das Konglomerat an baulichen Massnahmen wird dazu führen, dass der Flora und Fauna sowie dem Menschen eigene Nutzungsräume zugewiesen werden.
Insofern scheint ein glückliches Ende vieler Bemühungen in Sicht; gut ist es, trotz ausdiskutierten Projekten und zur Genehmigung eingereichten Plänen, aber noch nicht. Abermals steht die Bereinigung eines juristischen Streits aus. Die Schwyzer Umweltorganisationen wehren sich gegen den Abbruch eines alten Badehauses am Aufwertungsufer; auch der Kanton rügt die Gemeinde deswegen. Ein gültiger Entscheid dazu steht aber noch aus, weswegen auch die Baubewilligung sistiert ist. Klarheit herrscht hingegen, was am Ufer vor dem Flachmoor geschehen darf: Um die Fauna vor äusseren, physischen und visuellen Störungen besser abzuschirmen, muss nun auch hier ein Sichtschutz erstellt werden, dessen Höhe sich an Standards in anderen Naturschutzgebieten orientiert. Diesen Vorschlag der Naturschutzorganisationen hat die kommunale Bewilligungsbehörde als Zusatzauflage akzeptiert. Somit stünde der baldigen Aufwertung des Flachmoors Hopfräben inklusive Ufer nichts mehr im Weg.
Anmerkung
- Bundesgerichtsentscheid (BGer) 1C_222/2015 vom 26. Januar 2016.