«Wir müssen uns bewe­gen» 

Matthias Gmür amtiert seit Kurzem als Präsident der Berufsgruppe Technik (BGT) beim SIA. Seine Aussenperspektive ist für ihn dabei nur von Vorteil.

Data di pubblicazione
08-03-2023


Matthias Gmür, Sie waren bis vergangenen Sommer ein Unbekannter innerhalb des SIA, noch nicht einmal Mitglied. Erst mit Ihrer Bewerbung als Präsident der Berufsgruppe Technik (BGT) kam Ihr Name ins Spiel. Was hat Sie dazu bewogen, sich für dieses Amt zu bewerben?

Matthias Gmür: Es stimmt, der SIA und ich hatten zuvor keine gemeinsame Geschichte. BGA-Präsident Philippe Jorisch hat mich auf dieses Amt aufmerksam gemacht. Wir kennen uns schon seit dem Gymnasium und arbeiten nun auch an gemeinsamen Projekten – er als Architekt und ich für Energie- und Gebäudetechniklösungen. Sein Hinweis kam genau zu einem Zeitpunkt, an dem für mich feststand, dass ich mich vermehrt für die Planungsbranche engagieren will.


Von Haus aus sind Sie Umweltingenieur, haben dann aber fünf Firmen im Gebäudetechnikbereich mitgegründet. In einer davon leiten Sie die Geschäfte. Wie kam es dazu?

Studienkollegen und ich haben unsere Masterarbeiten im Bereich von Ökobilanzierungen geschrieben, ich zu Abfallwirtschaft, meine Kommilitonen zu Gebäudetechnik. Die von uns in diesen Masterarbeiten erstellten Softwares wollten wir weiterentwickeln und gründeten deshalb eine Firma. In der Gebäudetechnikbranche kamen wir mit unserem Produkt schnell an Aufträge. So rutschten wir in die Branche hinein.


Worum geht es bei dieser Software?

Wir entwickeln, optimieren und analysieren mit ihr Energiekonzepte für Gebäude, indem wir verschiedene Technologien und Konzepte zusammennehmen, vergleichen, mischen und dann auswerten. Wir suchen nach Lösungen, die einen ökologischen Impact haben und zeigen, inwiefern sie sich finanziell lohnen.


Zurück zu Ihrem Engagement als BGT-Präsident. Dieses startete offiziell am 1. März. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Noch ist mir nicht gänzlich klar, wo ich überall ansetzen kann, was mehrheitsfähig ist, respektive was mitgetragen wird. Die Strukturen dazu muss ich noch besser kennenlernen. Während meines Amts möchte ich aber unbedingt das Verständnis für die Gebäudetechnik als Teil eines gesamtheitlichen Gebäudekonzepts stärken, insbesondere aus energetischer Sicht.


Sie sind als Rookie in den Ring gestiegen. Inwiefern erachten Sie diese Ausgangslage als Nach- beziehungsweise Vorteil?

Meine Aussensicht ist definitiv eine Chance. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bis vor einigen Monaten nur ein vages Bild vom SIA. Ich nahm ihn vor allem als normenbildende Institution wahr. Aus meiner Sicht sollten die Mitglieder und die Öffentlichkeit zum einen noch besser wissen, was läuft. Zum anderen sind die Mitglieder der Gradmesser für das, was der Branche unter den Nägeln brennt. Hier will ich als BGT-Präsident ansetzen und die Nähe zu den Sektionen und den Mitgliedern suchen.


Die Mitglieder stehen also für Sie als BGT-Präsident im Fokus?

Ja, ich verstehe mich als Vertreter der Berufsgruppe und möchte die Mitglieder deshalb ins Zentrum rücken. Weil die BGT mit 750 Mitgliedern die kleinste der vier SIA-Berufsgruppen ist, kann ich gezielter den Kontakt suchen und versuchen, Mitglieder vermehrt an Bord zu holen. In der BGT müssen wir den Spagat schaffen, Hochschulabsolventen besser anzusprechen und Nicht- Hochschulabsolventen optimal einzubinden. Ich bin diesbezüglich offen für Ideen, Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge.


In den vergangenen Jahren waren die grossen Themen bei der BGT BIM und Low-Tech / No-Tech. Sind das auch für Sie wichtige Themen?

Unbedingt. BIM wird leider zu wenig konsequent umgesetzt. Es gibt Planende, die wir noch von den Vorteilen von BIM überzeugen müssen. Diesbezüglich liegt sicherlich Arbeit vor uns, aber der Aufwand wird sich lohnen.


Und wie sieht es mit Low-Tech / No-Tech aus?

Aus meiner Sicht sind dies unschöne Begriffe, weil sie eben auch implizieren, auf Gebäudetechnik verzichten zu wollen und sie eine Trennlinie zwischen den verschiedenen am Bauprozess Involvierten ziehen. Doch heute müssen wir interdisziplinär zusammenarbeiten, um den optimalen Einsatz der vorhandenen Technologien und Komponenten zu planen. Gerade wenn es um Klimaziele geht, ist kein anderer Ansatz möglich.


Sie nennen Klimaziele. Welcher Weg schwebt Ihnen vor?

Auch in seiner Vision betont der SIA diesen interdisziplinären Ansatz – gemeinsam setzen wir uns für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum. Zudem hat die Schweiz das Pariser Klimaabkommen unterschrieben und verpflichtet sich, bis 2050 klimaneutral zu sein. Hierzu gibt es nur einen Weg, und der heisst vorwärts. Wir alle müssen dieses Ziel konsequent verfolgen.


Das machen wir noch nicht …

Theoretisch wissen wir, was momentan möglich ist und wo wir uns weiterentwickeln und weitere Lösungen suchen müssen. Wir als Fachexpertinnen und -experten der Planungsbranche müssen unseren Wissensvorsprung nutzen, damit wir das Potenzial der vorhandenen Möglichkeiten auch ausschöpfen. Entsprechend sind wir auch als Verein gefordert, hinzusehen und uns zu positionieren. Wir müssen die Branche dazu bringen, dass alle am gleichen Strang ziehen.


Was muss dazu aus Sicht der BGT geschehen?

Ich glaube, die Stellung der Ingenieurinnen und Ingenieure muss gestärkt werden: Wir müssen uns in einem Planungsprozess als interdisziplinäres Gesamtteam verstehen, das ein gemeinsames Ziel verfolgt. Wir sind immerhin mitverantwortlich, dass der Gebäudepark Schweiz nach den gesamtgesellschaftlichen Zielen der Schweizerinnen und Schweizer gebaut wird. Wir wollen die Klimaneutralität erreichen und die Verdichtung vorantreiben. Das machen wir gemeinsam mit Architektinnen, Architekten und anderen am Bauprozess involvierten Personen.


Sie haben schon mehrmals das Team betont. Wieso ist Ihnen dieses so wichtig?

Ich versuche immer gesamtheitlich zu denken und alle mitzunehmen. Ein Vorhaben soll am Schluss nicht für eine Einzelne oder einen Einzelnen besser werden, sondern für das gesamte Team. Wir müssen zudem auch als Verein gemeinsam weiterkommen – und zwar in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Wir müssen Ideen und Projekte anstossen, die allen Berufsgruppen helfen und nicht Partikularinteressen verfolgen.


Was schwebt Ihnen für die Planungsbranche in naher Zukunft vor?

Derzeit sind die gesellschaftlichen Herausforderungen so gross, dass wir gar nicht viel falsch machen können, ausser uns nicht zu bewegen. Wo wir heute die technologischen Möglichkeiten haben, klimaneutral zu sein, müssen wir sie konsequent anwenden. Wo nicht, müssen wir unsere Emissionen reduzieren und kompensieren. Und wir als Ingenieurinnen und Architekten müssen unsere Verantwortung wahrnehmen, Bauherrschaften auf ökologische Bauprozesse hinzuweisen.

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