Ge­lo­cht, ge­drückt, ge­stanzt, ge­lun­gen

Quader ergeben die klare Form, die Einhüllung in Edelstahlbleche das auffällige Streifenmuster. Mit der selbst hergestellten Fassade, die es so nicht im Katalog gibt, umhüllt ein Nidwaldner Metallbauunternehmen sein neues Produktions- und Repräsentationsgebäude.

Data di pubblicazione
12-11-2022

Gut möglich, dass Sie heute schon ein Produkt der Werner Keller Technik AG in Händen hielten. Ein Standbein der Firma ist nämlich die Produktion von Brief­kästen aus Aluminium in verschiedenen ­Designs und Farben. Die Schwesterfirma der Werner Keller Metallbau AG produziert Blech­produkte mit Schwerpunkt auf Serienproduktion und Klebetechnik. Zusammen stellen die beiden Unter­nehmen nahezu alles her, was aus Metall rund um das Haus gewünscht ist: Metall- und Glasfassaden, Wintergärten, Balkone, diverse Blecharbeiten, aber auch An­fertigungen für die Industrie, etwa Halterungen für Flugzeugtragflächen für die Pilatus-Werke.

Und wenn die Firma ein neues Gebäude braucht, dann fertigt und montiert sie grosse Teile davon gleich selbst. ­Dies geschah bereits 2012 mit einem aussergewöhnlichen, weinroten Bau. Neben diesem ragt nun, seit 2020, eine neue Halle mit integriertem Hochregallager in den Nidwaldner Himmel. Fernab vom standardisierten Industriebau mit gedämmten Trapezblechprofilen, entstand hier eine komplett in Edelstahl gehüllte Werkshalle mit ausgedehntem Showroom für die Produkte im Obergeschoss.

Fassade als Showroom

Wobei eigentlich die Fassade schon eine Art eigener Showroom ist. Der Firma war es ein Anliegen, an der neuen Aussenhaut gewissermassen zu zeigen, was sie alles produktionstechnisch zu leisten vermag. Diese Intention ist im gesamten Gebäude immer wieder spürbar. Eine beeindruckende Treppe in schwarzem Stahl leitet zu den Ausstellungsflächen im Obergeschoss. Dort steht ein Modell der Treppe, das als Kugelbahn die Firmengeschichte erzählt. Daneben grüsst ein Wilhelm Tell aus Edelstahl, und eine blecherne Berglandschaft lockert den Bereich fast spielerisch für die eigentlichen Erzeugnisse und Anschauungsobjekte der Firma auf.

So ist die Edelstahlfassade aus langen, aufgekanteten, rechteckigen Blechen wohl eher eine logische Konsequenz der Firmengestaltung und nicht nur eine schmückende Verhüllung als nettes Beiwerk des Gebäudes. 13 verschiedene Muster, die in unterschiedlichen Verfahren hergestellt wurden, fanden Verwendung: gestanzte Lochbleche etwa, Glattbleche oder gedrückte Paneele, alle in Chrom-Nickel-Stahl als vorgehängte Fassade ausgeführt.

Die durch Spiegelungen und Lichtspiele nie eintönig wirkende Hülle geht über die gesamte Höhe des Gebäudes, vom zurückversetzten Dachaufsatz abgesehen. Einzig einige Lichtbänder mit anthrazitfarbenen Fensterrahmen durchbrechen die metallene Wand. Diese Fassadenunterbrechungen sind dort angeordnet, wo am meisten Licht im Innern benötigt wird: auf Personenhöhe im Erdgeschoss in der Produktion etwa und im Obergeschoss bei den Büroräumlichkeiten und Teilen des ausgedehnten Showrooms.

Andernorts, wie im Treppenhaus, das von einem ungewöhnlich grossen Fensterflügel belichtet wird – seine Grösse reizt das Machbare eines zu öffnenden Fensters aus – laufen die Edelstahlpaneele vor dem Glas weiter. Auch im grossen Besprechungsraum, dem grössten Teil des Showrooms, und in den oberen Bereichen der Werkstätten hängen die Paneele vor den Gläsern. Dies gibt dem Gebäude von aussen eine gewisse Struktur und schafft im Innern unterschiedliche atmosphärische Stimmungen, abgestimmt auf die Tätigkeiten.

Beleuchtung agiert mit Tätigkeit

In den Produktionszonen treten die vorgehängten Bleche gar nicht so sehr in Erscheinung. Sie decken hier etwa die oberen zwei Drittel der Fensterflächen ab. Die Vielzahl an Werkzeugen, Maschinen und Materialien lenkt den Blick von den Fenstern ab. Werkbänke sind oft vor den normalen Fenstern ohne vorgehängte Paneele angeordnet. Die oberhalb der Arbeitsplätze montierten Bleche wirken von innen eher wie herabgelassene Storen. Und diese Funktion als Sonnenschutz erfüllen sie selbstverständlich auch.

Im Besprechungsraum hingegen bekommen die Bleche vor den Fenstern ein ganz anderes Gewicht, wirken nichtsdestotrotz aber nicht einengend oder beklemmend. Vielmehr lenken sie den Blick oder die Konzen­tration auf das wesentliche des Raumes – die Besprechung, in der man sich gerade befindet. Eine fast kontempla­tive Atmosphäre kann hier durch die Hülle entstehen.

Auch im Showroom ist die vor den Fenstern durch­laufende Fassade eher ein angenehmer Begleiter am Rande – im wahrsten Sinne des Wortes – als ein ungewollter Blickfänger. Die Sicht und das Interesse der Besucher wird auf die ausgestellten Stücke wie Wintergärten, Balkongeländer, Form- und Designmuster oder Blechbodenbeläge für Terrassen geleitet.

Die Büros hingegen verzichten auf den stäh­lernen Vorhang. Dies liegt zum Teil daran, dass die Raumtiefe bei normaler Raumhöhe recht gross ist, vielleicht aber auch daran, dass man sich bei den planenden und administrativen Arbeiten einen gewissen, vorausschauenden Weit- und Ausblick erhalten möchte. Die Entscheidung, in diesen Bereichen die Edelstahl­blechfassade zu unterbrechen, war richtig, bestätigt Geschäftsführer Markus Christen. Die natürliche Belichtung ganz ohne Einschränkung durch die Fassade am Büroarbeitsplatz bietet natürlich Vorteile: Durch normale, aussen angebrachte Lamellenjalousien ist eine individuelle Einstellung möglich, abgestimmt auf Tages- und Jahreszeit.
Bleibt noch hinzuzufügen: Bis die Fassade vor den gewählten Fenstern Wirklichkeit werden konnte, gab es durchaus Diskussionsbedarf. Die Behörden ­waren anfangs aufgrund der Einschränkungen des ­Tageslichts an Arbeitsplätzen nicht sehr angetan. Das Ergebnis kann sich nun allerdings sehen lassen – von aussen wie auch von innen.

Vordach mit Fassade

Die Fassade ist für ein Metallbauunternehmen zweifelsohne repräsentativ. Die Repräsentation hört aber nicht dort auf, wo es etwas zu repräsentieren gibt, sprich Kundenverkehr zu erwarten ist. Vielmehr umhüllt sie das Gebäude komplett. Selbst auf der Rückseite der Halle, die dem direkt anschliessenden Berghang zugewandt ist, setzt sie sich fort. Dieser hintere Teil ist die An­lieferungszone für das im Gebäude integrierte Hoch­regallager – durch ein Fenster kann ein Kunde vom Showroom aus Einblick in dieses nehmen. Die Anlieferung ist mit einer normalen Blechkonstruktion bedacht. Damit diese aber nicht wie ein angehängter Fremdkörper wirkt, ummantelten die Architekten von UNIT das Dach ebenfalls mit der Edelstahlfassade. Die dadurch entstehende Auskragung ­bildet einen interessanten ­hinteren Gebäudeabschluss und erinnert in gewissem Sinne an einen grossen Schiffsrumpf eines Flussdampfers – die Engelberger Aa ist nicht weit entfernt.

Davonschwimmen wird die noble Halle aber kaum, vielmehr kann man eine solche ungewöhnliche Konstruktion einer Produktionsstätte wohl als Standortbekenntnis des Unternehmers interpretieren. Oder wie der Eigentümer Werner Keller des Öfteren betonte: Er habe kein Ferienhaus – das Geld hierfür stecke in seiner Fassade. Vielleicht macht man so aus einem Standort Heimat.

Gewerbegebäude Keller Metallbau, Dallenwil

Bauherrschaft
Werner Keller Metallbau, Hergiswil


Architektur
UNIT Architekten, Hergiswil


Tragkonstruktion
CES Bauingenieur, Hergiswil


Stahlkonstruktion, Fassadenbau, Fenster
Werner Keller Metallbau, Hergiswil


Baumeisterarbeiten
Eberli Bau, Sarnen


Fertigstellung
2020

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