Pa­ra­die­sli, Löi­fu, Bue­ber – der neue Mar­zer

Gesamtsanierung und Erneuerung Freibad Marzili Bern

Das Siegerprojekt zur Sanierung des Berner Freibads Marzili entwickelt die bestehende Anlage weiter. Mit dem «Löifuweg» wird der zugeschüttete Aarelauf zwischen dem neuen Bootshafen im Süden und dem Bueberseeli nachgezeichnet.

Data di pubblicazione
23-02-2022

Studienauftrag für Generalplanerteams im selektiven Verfahren

Reden die Berner vom Marzili, ist zumeist das Freibad gemeint, auf Berndeutsch «der Marzer» genannt. Es liegt am Ufer der Aare zu Füssen des Bundeshauses, und Marzili ist zudem der Name des gleichenorts gelegenen Stadtquartiers mit rund 1500 Einwohnern.

Ursprünglich war das Freibad Marzili eine Insel zwischen Aarefluss und dem Kanal der «Kleinen Aare» («Löifu»), der bei der Umgestaltung um 1970 durch Mäder Brüggemann Architekten und aufgrund der schlechten Wasserqualität zugeschüttet wurde. Nordseitig liegt der «Bueber», das Männerbad, südseitig das Frauenbad mit dem «Paradiesli» und mittendrin das ­Familienbad mit den Badebecken. Der «Bueber» ist seit 2019 entschlammt und mit einem Zugangskanal vonseiten Aare wieder in Betrieb. Das ist eine der zahlreichen baulichen Massnahmen, die im Lauf der Jahre das Marzilibad verändert haben, und das erste Modul der nun anstehenden Sanierung.

Keine radikalen Änderungen

Eine Entwicklungsstudie von Architekt Rolf Mühlethaler, w + s Landschaftsarchitekten und IUB Engi­neering im Auftrag der Stadt Bern lotete das Potenzial der Gesamtsanierung und Erneuerung aus. Diese Studie, die radikale Veränderungen aufgrund der hohen Zufriedenheit der Gäste mit der bestehenden Anlage und ihrer grossen kulturgeschichtlichen Bedeutung ausschloss, bildet eine wesentliche Grundlage für die Gesamt­sanierung und Erneuerung des Freibads Marzili. Nebst der Öffnung der inneren Aare und dem Konzept für den Verkehr und die Gastronomie war auch die Partizipation der Badegäste Teil ­dieser Studie.

Komplexe Aufgabe

Die Aufgabe ist vielschichtig, war aber klar umschrieben. Die Identität und der Charakter des Freibads Marzili ist zu erhalten und weiterzuentwickeln, indem die Qualitäten des Bads gestärkt und die Infrastruktur dem gesellschaftlichen Wandel wie auch den neuen betrieblichen Anforderungen angepasst werden. Der stadtbildprägende Land­schaftsraum des Marzilibads soll als öffentlicher Erholungsbereich am Wasser auch künftig erhalten bleiben und noch gestärkt werden. Dazu kommen technische Anforderungen wie der Hochwasserschutz und ein unterirdischer Entlastungskanal für den Sulgenbach und den ­Könizbach. Die Projektvorschläge haben auch den historischen Baubestand zu integrieren, denn die bestehende Holzarchitektur für Garderoben und Kabinen sind im Bauinventar als erhaltenswert eingestuft.

Rege Beteiligung

35 Planungsteams reichten aufgrund der Ausschreibung vom 5. November 2020 ihre Bewerbungs­un­ter­lagen ein; ­sieben von ihnen wurden zur Teilnahme ausgewählt.

Laut Jury lagen die Schlüsselfaktoren für eine qualitätsvolle Erneuerung und Weiterentwicklung insbesondere bei der Neugestaltung des Haupteingangs mit Gastronomie an der Marzilistrasse, bei der Frage nach dem Mehrwert einer Verschiebung der Schwimmbecken und den Vorschlägen für einen neuen Wasserlauf in Erinnerung an den ehemaligen «Löifu».

Die Entwürfe wurden bezüglich der freiräumlichen, architektonischen, technischen und betrieblichen Qualitäten diskutiert. Die Teams erstellten ein Gesamt­konzept zur langfristigen Entwicklung des Freibads. Die Abhängig­keiten zwischen den verschiedenen baulichen Massnahmen wurden erkannt und liessen sich aufeinander abstimmen. Dies ist von Bedeutung, denn die Gesamtsanierung und Erneuerung sollen aufgrund der betrieblichen Rahmenbedingungen und der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Bern in Etappen umgesetzt werden.

Sanfte Transformation

«Ökoton», das Siegerprojekt (Team 07, Trachsel Zeltner Architekten, Thun und Joliet Suter Architekten, Biel), schlägt ein Angebot für die Nutzungen des Freibadparks während und auch ausserhalb der Bade­saison vor. Der Entwurf wird so in hohem Mass den Projektzielen gerecht, ist attraktiv gestaltet und verspricht eine grosse Akzeptanz im Quartier und darüber hinaus.

Dieses Gesamtkonzept überzeugt mit einer sanften Transformation. Die Randbereiche des Bads sollen gestärkt werden, und die ­Mitte ist als grosszügiger Park mit ­Liegewiese und Wasserbecken freigehalten. Die bestehenden qualitätsvollen Bauten und Anlagen werden sorgfältig angepasst und weitergenutzt. Referenz dieses Gesamtkonzepts ist die historische Struktur des Marzilibads um das Jahr 1938.

Der Kanal der Kleinen Aare, der «Löifu», wird bei diesem Projekt als zusätzliche Wegverbindung vom «Bueber» zum Frauenbad und weiter Richtung Süden nachgezeichnet. Das Aufgreifen dieser historischen Spur verbindet die verschiedenen Bereiche des Areals auf selbstverständliche Art. Neue Baumgruppen und Liegepritschen sind so platziert, dass der Verlauf des ehemaligen «Löifus» im Areal wieder erkennbar wird. Die Neubauten setzen die bestehende Einfassung des Marzilis mit den Holzkabinen fort. Die bestehenden Baumgruppen der Liegewiese werden mehrheitlich erhalten und ergänzt. Bis die neu gepflanzten Bäume genug Schatten spenden, kommen Sonnensegel zum Einsatz.

Die Anbindung an das Quartier ist überzeugend gelöst. Das neue zweigeschossige Eingangsgebäude mit dem Hauptzugang zwischen der Bäckerei und dem Neubau liegt dort, wo sich die öffentlichen Nutzungen im Quartier bereits heute konzentrieren. Dieser Zugangsbereich mit Bäumen und sein Eingangsgebäude mit Loge, Gastronomie, Dachterrasse und Betriebsräumen wartet mit attraktiven Aufenthaltsflächen für die Gäste mit direktem Sichtbezug sowohl zum Quartier als auch zum Freibadpark auf.

Die vorgeschlagene Etappierung sieht in einem ersten Schritt das Erneuern von Becken und Bädertechnik sowie der Garderoben und Sanitär­anlagen vor. Anschliessend folgen das neue Betriebsgebäude und die Umnutzung der Badewärterhäuser für die Gastronomie. Die dritte Etappe umfasst den Neubau des Eingangsgebäudes und die Anpassungen im Freiraum vom «Bueber» bis zur Dampfzentrale. Als letzte Etappe ist die Umgestaltung im Bereich des Spitzes mit dem erweiterten Bereich für Spiel und Sport und dem Bootshafen für das Auswassern der im Sommer zahlreichen Gummiboote der «Aare­bötler» vorgesehen.

Unspektakulär, aber überzeugend

Das auf den ersten Blick unspektakuläre Projekt «Ökoton» entpuppe sich bei näherer Betrachtung als raffinierte, sorgfältige Weiterentwicklung des heutigen Marzilis, so die Einschätzung durch die Jury. Die ausführlichen Analysen, verbunden mit einem sehr guten Verständnis für die vorhandenen Qualitäten und Defizite, bilden die Grundlage für den gekonnt ausgearbeiteten Vorschlag. Vor allem der behutsame Umgang mit dem Bestand und die gezielte Aufwertung, insbesondere an den Schnittstellen zum Quartier, überzeugen, und auch die Wünsche und Bedürfnisse aus der Partizipation sind mit dem Siegerprojekt weitgehend erfüllt. Bern darf sich auf einen stimmigen «Marzer» freuen und ihn wie gewohnt kostenlos besuchen.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Empfehlung zur Weiterbearbeitung

Team 07: Trachsel Zeltner Architekten, Thun; Joliat Suter Architekten, Biel; Akkurat Bauatelier, Thun; Duo Landschaftsarchitekten, Lausanne

Weitere Teilnehmende

Team 01: Balliana Schubert Landschaftsarchitekten, Zürich; Pool Architekten, Zürich; Takt Baumanagement, Zürich
Team 02: Bruther Architectes, Paris; Valier, Zürich; Maurus Schifferli ­Landschaftsarchitekten, Bern
Team 03: Kast Kaeppeli Architekten, Bern; égü Landschaftsarchitekten, Zürich; Omlin Architekten, Bern
Team 04: Matti, Ragaz, Hitz Architekten, Liebefeld-Bern; SKK Landschaftsarchi­tekten, Wettingen; FritschiBeis, Bern
Team 05: Mentha Walther Architekten, Zürich; Fanzun, Chur; Carolin Riede, Landschaftsarchitektin, Dietikon
Team 06: Morger Partner Architekten, Basel; Meta Landschaftsarchitektur, Basel; Martini Schäfer Baumanagement, Basel

FachJury

Thomas Pfluger (Vorsitz), Architekt, Stadtbaumeister, Hochbau Stadt Bern; Rolf Mühlethaler, Architekt, Bern; ­Stefan Rotzler, Landschaftsarchitekt, Gockhausen; Paola Maranta, Architektin, Basel; Gian Weiss, Architekt, Bern; Beatrice Friedli, Landschaftsarchitektin, Bern; Heinrich Sauter, (Ersatz), Architekt, Bereichsleiter, Hochbau Stadt Bern

SachJury

Alec von Graffenried, Stadtpräsident; Franziska Teuscher, Gemeinderätin, Direktorin für die Direktion Bildung, Soziales und Sport; Christian Bigler, Leiter Sportamt Stadt Bern; Kristina Bussmann, Leiterin Immobilien Stadt Bern; Markus Waber, Bauberater, Denkmalpflege Stadt Bern; Tobias Würsch (Ersatz), Bereichsleiter Entwicklung + Realisierung, Stadtgrün Bern

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