Star­ke Form mit hap­ti­schen Rei­zen

Areal Rosengarten, Zürich

Ein Baukörper aus Backstein von Atelier Scheidegger Keller schafft es, dem Unort an der lärmigen Bucheggstrasse in Zürich urbanen Charme zu verleihen. Auch innenräumlich prägen taktile ­Materialien das neue Zuhause für Studierende.

Data di pubblicazione
13-08-2021

Auf dem Stadtplan von Zürich betrachtet, scheint das Grundstück an der Buch­egg­strasse, in Verlängerung der umstrittenen Rosengartenstrasse, fantastisch zu liegen: nah zum Escher-Wyss-Platz, einem lebendigen öffentlichen Raum und Verkehrsknotenpunkt, unweit der Erholungsgebiete an der Limmat und am Käferberg, gut erreichbar von den Unigebäuden am Campus Irchel und der ETH am Hönggerberg.

Ein unbestreitbares Plus, das allerdings von einer enormen Belastung geschmälert wird: Täglich passieren rund 56 000 Autos die Achse. Lärm und Abgase zwingen die Anwohnenden dazu, ihren Lebensraum von der Strasse abzuschotten. Eine weitere Schwierigkeit liegt im starken Gefälle des Terrains entlang der Bucheggstrasse von rund 6 m von West nach Ost.

Bollwerk mit Aussenbezug

Den ungünstigen Voraussetzungen widersetzt sich nun ein eigenwilliges Haus mit roter Klinkerfassade, das einen Hauch von Working-Class-Charme verströmt. Die Strassenfassade stellt dem Verkehr eine ordentliche ­Masse entgegen und schirmt den dahinter liegenden Quartierpark ab, der sich gen Süden öffnet. Der ansteigenden Topografie folgend sind die einzelnen Wohn­häuser ablesbar und addieren sich zu einer Grossform. So nimmt das Gebäude sowohl auf die kleinmassstäb­liche Bebauung als auch auf die grossmassstäbliche Verkehrsachse Bezug.

Während sonst eher abgewandte Häuser die lärmige Strasse säumen, gewähren hier hohe Fenster Einblicke in die Wohnräume. Die Strassenfassade ist wie ein Bogen gespannt, und weil die Kastenfenster direkt hinter der äusseren Schale angeschlagen sind, weben sie sich in das textile Bild der Ziegel ein. Das, was zuerst als ­Mauer erscheint, löst sich bei näherer Betrachtung in einzelne Körper mit Varianten am Anfang und Ende der Zeile auf.

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Vor der Kreuzung mit der namensgebenden Rosengartenstrasse biegt die Fassade mit einem weichen Radius um die Ecke. Geometrisch ergibt sich aus dem Zylinder mit kegelförmigem Dach ein Gebäudekopf, der eine heitere Geborgenheit ausstrahlt. An dieser dem Verkehrslärm besonders exponierten Stelle ist im Erdgeschoss eine Gewerbeeinheit vorgesehen.

Die anschliessende kürzere Front lässt den Baukörper kompakt und trutzig erscheinen. Geht man an ihr entlang, öffnet sich der Blick auf die durchlässigere Rückseite und den 2000 m² grossen öffentlichen Park, in dem die Transitachse kaum mehr hörbar ist. An der parkseitigen Fassade bilden gleichformatige Fenster die Rückzugsräume der Studierenden ab. Mit den gleichen Bauteilen entstehen im Ausdruck zwei unterschiedliche Fassaden.

Unterbrochen wird der Rhythmus an den offenen Loggien mit Feuerstellen, die sich jeweils zwischen zwei nebeneinanderliegenden spiegelgleichen Wohnungen befinden und von deren Bewohnenden gemeinsam nutzbar sind. Der Backstein der Aussenhaut zieht sich hier ins Innere und formt mit Treppen, Feuerstellen und überhohen Kaminen eine bauliche Skulptur, die – auch im übertragenen Sinn – die Verbindungsstellen zwischen den Hausgemeinschaften markiert.

Von der Grossform zum Detail

Assoziationen zu Handwerk, Erdverbundenheit und Authentizität, die Backsteinbauten im Allgemeinen ­wecken, verankern das Gebäude im urbanen Gefüge. Als prominente Wegmarke teilt es den Strassenlauf in einen oberen und einen unteren Teil. Obwohl es in Zürich zahlreiche historische Backsteinbauten gibt, fügt sich der Bau nicht in diese Tradition.

Die monochrome Erscheinung ist ungewohnt. Mit den Ziegeln und dem ebenso roten Dach, das mit flachen Biberschwänzen gedeckt ist, definiert sich das Volumen zuerst über Kubatur und Farbe und erst auf den zweiten Blick über die Materialität. Vor der grünen Wiese des Quartierparks und neben den zurückhaltenden Nachbarhäusern wirkt das Rot fast poppig und erinnert an die postmodernen Bauten von Aldo Rossi. Im Gegensatz zu dessen Heransgehensweise ­gelangten die Planenden hier aber nicht von aussen an die archetypische Form, sondern entwickelten sie aus den Grundrissen und Schnitten heraus.

Gemeinsam und jeder für sich

Das «Studentenwohnhaus Rosengarten» bietet Platz für 130 Studierende ansässiger Hochschulen; bis zu zehn Personen nutzen eine der insgesamt 18 Gemeinschaftswohnungen. Jeweils zwei der doppelgeschos­sigen Einheiten liegen übereinander und teilen sich den Hauseingang. Die zentrale zweigeschossige Wohn- und Aufenthaltshalle mit offener Küche ist der Dreh- und Angelpunkt des WG-Lebens jeder Maisonette und hat sich in den vergangenen Monaten bereits als Co­working-Space für die Studierenden bewährt.

In den Wohnungen ist jede Wohnform denkbar – Familienwohnungen ebenso wie Alterswohnen. Aufgrund der Lage und des Bedarfs eignen sie sich im Moment besonders für Studierende. Durch die Nähe zur ETH, die verhältnismässig günstigen Mieten und die durch die Grundrisse propagierte gemeinschaftliche Lebensform ist zu erwarten, dass sich das Haus als feste Grösse im Stadtplan der Studierenden, insbesondere denen der Architektur, etablieren wird.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 23–24/2021 «Rohe Schönheiten».

Nicolas Feldmeyer erläutert seine Kunst am Bau «Into the Rose Garden» in diesem Video.

Areal Rosengarten, Zürich

 

Bauherrschaft Siedlung: Stiftung für Studentisches Wohnen Zürich (SSWZ)

 

Bauherrschaft Öffentlicher Freiraum: Grün Stadt Zürich

 

Architektur: Atelier Scheidegger Keller, Zürich

 

Landschaftsarchitektur: Kolb, Zürich

 

Tragwerksplanung: Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur

 

Baumanagement: BGS, Rapperswil

 

Fassadenplanung: Monotti Ingegneri Cosulenti, Locarno

 

Bauphysik: Bakus, Zürich

 

Einstufiger Projektwett­bewerb im selektiven Verfahren: 2014

 

Ausführung: 2018–2021

 

Gesamtfläche: 4990 m2

 

BGF: 6610 m2

 

Wohnfläche: 3570 m2

 

Nutzung: Studentisches Wohnen, städtischer Kindergarten und Kinderbetreuung, private Kinderkrippe, Gewerbe

 

Kosten Hochbau: 28 Mio. Fr.

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