Eu­ro­pa nor­miert die An­wen­dung der BIM-Me­tho­de

Normen – EN-ISO-19650-Reihe

Bis anhin liessen sich die zur Verfügung stehenden Normen zur ­Anwendung der BIM-Methode an einer Hand abzählen. Seit Mai 2017 ist das Datenaustauschmodell «IFC – Industry Foundation Classes» ins Schweizer Normenwerk integriert. Ende 2017 publizierte der SIA das ­Merkblatt SIA 2051, darauf folgten 2018 zwei ergänzende Dokumentationen.

Data di pubblicazione
14-11-2019
Fritz Häubi
Vizepräsident der SIA 2051 BIM und Mitglied der CH-BK 442

Ab sofort ergänzt die EN-ISO-19650-Reihe das Schweizer Normenwerk zur Anwendung der BIM-Methode. Der Inhalt dieser neuen Normenreihe ist umfassend: Er reicht von Grundkonzepten über das Bestellen und Liefern von Informationen während des gesamten Gebäudelebenszyklus bis hin zu Auswirkungen des Informations­man­agements auf die Sicherheit von Bauwerken. Formell beschränkt sich die EN-ISO-19650-Reihe bewusst darauf, Prozesse des Informations­man­agements zu beschreiben. In der Praxis ist hingegen eine klare Abgrenzung zwischen Sachprozessen, Projektmanagement- und Informationsprozessen sowie Informationsmanagement oft schwierig.

Die EN-ISO-19650-Reihe hat ihren Ursprung teil­weise in britischen Standards, die die Beschaffungsprozesse und den Betrieb von Bauwerken unter Anwendung der BIM-­Methode regeln. Dieser Ursprung führte bei der Erarbeitung der EN-ISO-19650-Reihe zu kontroversen Diskussionen. Doch konnte dank dem Engagement der Schweizer Delegation eine weitgehende Öffnung für unterschiedliche Planungskulturen erreicht werden. Aufgrund der Mitgliedschaft der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV) im Europäischen Komitee für Normung (CEN) werden europäische Normen automatisch Bestandteil des Schweizer Normenwerks. Dies betrifft auch die EN-ISO-19650-Reihe. Bis zum Jahresende erscheinen SN EN ISO 19650-1 «Concepts and prin­ciples» und SN EN ISO 19650-2 ­«Delivery phase of the assets». Drei weitere Normen werden in den kommenden Jahren folgen.

Inhalte der neuen Normen

SN EN ISO 19650-1 beschreibt Grundsätze des Informationsmanagements über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Im Zentrum stehen Informationslieferungen, die sich aus Zielen bzw. Informationsanforderungen ergeben. Ergänzend erfolgen Erläuterungen zu den verschiedenen Funktionen und Rollen der beteiligten Anspruchsgruppen sowie zu den Fä­higkeiten und Kapa­zitäten der Informationslieferanten. Die Rollen des Informationsbestellers und des Informationslieferanten werden bewusst von den vertrag­lichen Funktionen der Auftraggeber und Auftragnehmer abgegrenzt. In der Praxis ist aber wohl der Infor­­­mationsbesteller oft mit dem Auftraggeber und der Informations­lieferanten mit dem Auftragnehmer gleichzusetzen.

Ist SN EN ISO 19650-1 noch bewusst allgemein gehalten, ist SN EN ISO 19650-2 für eine Norm – zumindest für Schweizer Verhältnisse – ungewohnt detailliert. Sie beschreibt, gegliedert in verschiedene Phasen, wie Informationen – ausgegeben aus digitalen Bauwerksmodellen – zu bestellen und zu liefern sind. Trotz der während der Erarbeitung erzielten Verallgemeinerung ist immer noch erkennbar, dass sie inhaltlich auf einem TU-­ähnlichen Beschaffungsprozess beruht.

Würdigung

Die EN-ISO-19650-Reihe stärkt zweifellos eine gemeinsame europäische Verständigung zu Begriffen und Prozessen bezüglich der BIM-Methode.

Der erste Teil enthält neben einer umfangreichen Behandlung von Informationsanforderungen weitere wertvolle Definitionen. Dies gilt insbesondere für Konzepte virtueller Projekträume (CDE), das Arbeiten mit den verschiedenen Status von Informationen, den Umgang mit den unterschiedlichen Entwicklungsständen von Modellen und ­Dokumenten (LOIN) sowie Fragen der Informationsqualität. Grundsätzlich lassen sich die Konzepte aus der SN EN ISO 19650-1 auf unterschiedliche Abwicklungsmodelle adaptieren.

Aufgrund ihres Ursprungs ist die SN EN ISO 19650-2 deutlich schwieriger mit der Schweizer Pla-nungs- und Baukultur zu verein­baren. Obwohl im Kern der BIM-Methode verankert, ist das in der Schweiz gepflegte partnerschaftliche Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer kaum spürbar. Der Besteller bestellt, und der Lieferant liefert. Den Parteien werden dabei sehr detaillierte Aufgaben zugewiesen. Das gilt nicht nur für den Auftragnehmer, sondern auch für den Auftraggeber. Obwohl der Fokus der Normenreihe auf dem Informationsmanagement liegt, überlagern sich in SN EN ISO 19650-2 Informations- und Projektmanagement, was die Abgrenzung zwischen Informations- und Sachprozessen schwierig macht. Ohne projektspezifische Adaptierung ist dieser Normenteil nicht anwendbar. Die Norm muss sich in der Praxis erst bewähren, und dies, obwohl sie Experten basierend auf dem heutigen Stand der Technik erarbeitet haben. In der Einleitung wird da­rum bewusst darauf hingewiesen, dass die Norm noch nicht als «best practice» und damit auch nicht als anerkannte Regel der Baukunde gilt.

Anwendbarkeit in der Schweiz

Die Schweiz war und ist bei der Erarbeitung der EN-ISO-19650-Normenreihe eingebunden. Deshalb ergeben sich durch die neuen Normen keine grundsätzlichen Widersprüche zum Merkblatt SIA 2051 «Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode». Dieses behält seine Gültigkeit für die Schweiz weiterhin. In der praktischen Anwendung empfiehlt die Schweizer Begleitkommission CH-BK 442 BIM, die neuen Normen aus der EN-ISO-19650-Reihe nicht als Vertragsbestandteil zu erklären. In den Normen wird mehrfach erwähnt, dass sie zwingend projektspezifisch anzupassen und nicht pauschal auf alle Bau- und Immobilienprojekte anzuwenden sind.

Der SIA verzichtet zudem bewusst auf eine Übersetzung der beiden Dokumente in die Landessprachen. Es hat sich gezeigt, dass diese kaum zu leisten ist, ohne den Inhalt zu verfälschen. Der SIA wird bei beiden Normen ein Vorwort sowie einen Anhang in den Landessprachen hinzufügen, der im Wesentlichen aus einem umfassenden Begriffsglossar besteht. Zudem hat sich die Begleitkommission entschieden, eine Wegleitung zur Anwendung der beiden Normen auf Deutsch und Französisch zu erarbeiten. Die Kommission ist überzeugt, damit einen wert­volleren Beitrag zur korrekten Anwendung der Normen zu leisten, als wenn diese nur in die jeweiligen Landessprachen übersetzt würden.

Kurse zur Normenreihe EN-ISO-19650

Der SIA wird zum Inhalt und der Anwendung der Normenreihe EN ISO 19650 im kommenden Halbjahr Kurse anbieten:
29. Januar 2020, 16 – 18 Uhr
7. Juli 2020, 16 – 18 Uhr
www.sia.ch

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