West­flü­gel des Lan­de­smu­seums Zü­rich wie­de­re­röff­net

Wandeln durch Raum und Zeit

Data di pubblicazione
11-10-2019

Die Sanierungs- und Erweiterungsgeschichte des Landesmuseums ist beträchtlich. Bereits 2002 gewannen Christ & Gantenbein den Wettbewerb für die Erweiterung und Sanierung der komplexen Anlage. Deren vorletzter Flügel – der Westflügel mit seinen vielbeachteten «Period Rooms» – wurde nun wiedereröffnet.

Die von Stadt und Bund erworbenen historischen Raumarchitekturen (Period Rooms) waren für den Bau des Landesmuseums in der Stadt Zürich sowie für den Entwurf Gustav Gulls massgebend: «[] hier hatte ich nun die schönste Gelegenheit mit einer Reihe vorhandener Raumelemente, deren jedes ein individuelles Recht beanspruchen durfte, einen Bau zu componieren.»1. Es handelt sich um originale Innenräume, die ihren Ursprungsorten entnommen wurden, um dem Besucher Interieurs von der Gotik bis zum Barock vor Augen zu führen. Die historischen Zimmer bestimmten die Museumsarchitektur und waren gleichzeitig didaktischer Teil der Ausstellung.

War der Historismus des Landesmuseums lange Zeit umstritten, so wird er nun wieder zunehmend als kulturelles Projekt und reiche Inspirationsquelle verstanden. So arbeitet sich das Architektenteam von Christ & Gantenbein seit einigen Jahren mit zunehmend grosser Freude an der Architektur des Historismus ab, wie Emanuel Christ betont. Für das Verständnis des ursprünglichen Zustands half die grossartige Sammlung mit Schwarz-Weiss Fotos aus der Zeit der Eröffnung 1898. Das Interessante am Historismus sei nicht so sehr die Sehnsucht nach einer vermeintlich besseren Welt in der Vergangenheit, sondern vielmehr, die eigene Existenz in Beziehung zur Geschichte zu setzen, das heisst eine Vision für die Zukunft zu schaffen, die mit der Vergangenheit in Beziehung steht.

Doch wie schafft man es, die widersprüchlichen Anforderungen – technischer und denkmalpflegerischer Art – zu bewerkstelligen? Der Westflügel stellte durch die mehrere hundert Jahre alten «Period Rooms» die schwierigste Sanierungsetappe dar: Zur Ertüchtigung des Tragwerks und zur Integration von Erdbebensicherheit, Brandschutzanforderungen sowie neuer Haustechnik mussten alle Interieurs von Restauratoren ausgebaut werden, um nun im wieder eingebauten Zustand die neueste Technik zu verkleiden. Die Leistung der Architekten basierte auf einer intensiven historischen Forschung und Recherche, wie sie für viele Architekten des 19. Jahrhunderts üblich war.

Die Auseinandersetzung mit Gulls Historismus hat sich gelohnt. Sie brachte mit der Zeit Verborgenes und Demoliertes erneut zutage – vor allem natürliches Licht und farbiges Ornament. Zugemauerte Fenster und verschlossene Lichthöfe wurden wieder geöffnet und instand gesetzt, die Deckenmalereien der Kapellen und die dekorativen Fliesenböden rekonstruiert. Das Zurückversetzen in den Originalzustand ermöglicht es nun, die Vielfalt räumlicher, nahezu moderner Raumverbindungen und Durchblicke zu entdecken, die mitsamt den geschichtsträchtigen Spolien, Interieurs und der Dauerausstellung «Die Sammlung» ein Gesamtkunstwerk entstehen lassen.

Mehr zum Landesmuseum Zürich: «Gefalteter Monolith» in TEC21 11/2017 «Beton, exponiert».

Zitat Gustav Gull in Period Rooms. Die Historischen Zimmer im Landesmuseum Zürich, Zürich 2019, S. 223.

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