Ver­wal­tung 4.0

Mit dem Projekt «eBaugesucheZH» peilt der Kanton Zürich das papierlose Baugesuchsverfahren an. Die aktuell laufende Testphase verspricht eine erfolgreiche Etablierung der zugehörigen Plattform.

Data di pubblicazione
23-08-2019

Der analoge Behördengang, um eine Baubewilligung im Kanton Zürich zu beantragen, kann lang und papierintensiv sein. Je nach baulichem Vorhaben sind bis zu 20 verschiedene kantonale Fachstellen der Bau- oder Volkswirtschaftsdirektion in den Prozess involviert. Damit eine möglichst effiziente Abwicklung des Gesuchs erfolgt, sind vom Antragsteller die Bändigung eines stattlichen Papiertigers, Geduld beim Abwarten des Bauentscheids und von den Bewilligungsinstanzen eine enorme Koordination gefordert. «Mit dem Projekt ‹eBaugesucheZH› werden Abläufe nun vereinfacht, automatisiert und transparent gestaltet», sagt Christian Kaul, Abteilungsleiter Geoinformation des Amts für Raumentwicklung und Kantonsgeometer des Kantons Zürich.

Ausgehend von der E-Government-Strategie des Bundes (Periode 2013 bis 2016) hat der Regierungsrat des ­Kantons Zürich im November 2015 das Projekt «Elektro­nische Baubewilligungen» in den kantonalen E-Govern­ment-Umsetzungsplan aufgenommen und die Bau­direktion mit dessen Ausführung beauftragt.

Unter Leitung der Fachstelle Datenlogistik des kantonalen Amts für Raumentwicklung wurde per Ende Juni dieses Jahres eine entsprechende Pilotapplikation ­fertiggestellt. Eine erste Testanwendung in der Fläche findet ab September 2019 während drei Monaten in sechs ausgewählten Gemeinden – Aesch, Aeugst a.  A., Dübendorf, Pfäffikon, Richterswil und Winterthur – statt. Das Ziel dieser Probezeit ist ein umfangreicher Funktionstest der Applikation und die Verifizierung der zugehörigen Prozesslandschaft.

Integration verschiedener Funktionalitäten

Im Kanton Zürich werden pro Jahr insgesamt knapp 15000 Baugesuche eingereicht. Etwa jedes fünfte davon muss von Gesetzes wegen durch kantonale Instanzen beurteilt werden. Nur schon die Baugesuchseingabe ist ein komplexer und aufwendiger Prozess: Neben dem eigentlichen Gesuch sind – je nach Art des Vorhabens – durch den Antragsteller zahlreiche Zusatzdokumente einzureichen.

Im Extremfall müssen bis zu 20 Formulare mit teils redundanten Angaben ausgefüllt und als Beilage mit dem baulichen Dossier der Bewilligungsbehörde physisch unterbreitet werden. Sind lediglich kommunale Bewilligungsinstanzen involviert, beschränkt sich die Anzahl solcher Baugesuchsdossiers auf drei Exemplare. «Handelt es sich um komplexe Bauvorhaben und findet eine umfangreiche Beurteilung statt, fordern kommunale Fachstellen aber oft zahlreiche Dossiervervielfältigungen ein», so Christian Kaul.

Weitere Beiträge zum Thema finden sich in unserem E-Dossier

Einige Gemeinden und auch die kantonale Verwaltung haben in ihren Systemen bereits auf eine elektronische Aktenführung umgestellt. Dazu müssen die auf Papier eingereichten Dossiers eingescannt werden. Aufgrund der Diversität an Bauverwaltungssystemen ist aber die Durchgängigkeit von den kommunalen zu den kantonalen Prozessen nicht gegeben. Deshalb erfolgt die Weiterleitung der Baugesuche von den Gemeinden an den Kanton in der Regel auf Papier.

Mithilfe von eCH-Standards (E-Government Standards), die der neuen kantonalen Plattform zugrunde liegen, schafft der Kanton Zürich nun dieser Barriere Abhilfe. eCH definiert Standards im Bereich von E-Government. Diese fördern die effiziente Zusammenarbeit zwischen Behörden, Unternehmen und Privaten. «Für ‹eBaugesucheZH› wurde eigens ein bestehender Basisstandard weiterentwickelt», erzählt Christian Kaul nicht ohne Stolz.

Mit dem Projekt und der zugehörigen Plattform setzt der Kanton an verschiedenen Hebeln an. In erster Linie soll der administrative Aufwand zur Einreichung eines Baugesuchs reduziert werden. Dafür stellt die Plattform den Gesuchstellenden ein benutzerfreund­liches, interaktives und intelligentes Formular zur ­Verfügung, das automatisch die Vollständigkeit der Informationen (inkl. Integration der Katasterdaten der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen) unterstützt, Redundanzen bei der Eingabe beseitigt und je nach Erfordernis (z. B. bei Betroffenheit des Grundwassers) Zusatzformulare generiert.

An den Schnittstellen zu den Gemeinden sorgt die neue Plattform für einen reibungslosen Datenfluss: Die individuellen Verwaltungssysteme werden durchgängig in den elektronischen Prozess eingebunden. Ausserdem vernetzt die Plattform alle Beteiligten des Baubewilligungsprozesses und schafft so die Möglichkeit für partizipative und parallele Prüfprozesse. Damit wäre zwar rein technisch eine komplett papierlose Gesuchsbearbeitung möglich, jedoch erfordert das Gesetz neben der elektronischen Einreichung nach wie vor ein analog unterzeichnetes Belegexemplar.

Transparenter, schneller und effizienter

Die Absichten des Projekts «eBaugesucheZH» umfassen also mehr als eine blosse Vereinfachung des Baubewilligungsprozesses. Mit dem aktuellen Entwicklungsstand der Plattform wird eine vollständig elektronische Eingabe des Baugesuchsdossiers ermöglicht. Der eCH-Standard integriert die Prozesse der kommunalen und kantonalen Verwaltung und wahrt so die Funktio­nalitäten aller Beteiligten. In der Praxis bedeutet das, dass die Gesuchstellenden ihr Baugesuch weiterhin bei der zuständigen Gemeinde einreichen. Bedarf das Begehren einer Beurteilung durch kantonale Fachstellen, übermittelt die Gemeinde es via Plattform an die Leitstelle für Baubewilligungen zur kantonsinternen Geschäftsverwaltung.

Die Harmonisierung mittels eCH stellt dabei den automatischen Datenaustausch sicher. Durch die zentrale Ablage aller relevanten Dokumente erübrigt sich ausserdem eine Dossierzirkulation; das Prüfverfahren kann damit bei allen kommunalen, kantonalen und weiteren Instanzen gleichzeitig erfolgen. Dies bringt letztlich einen Zeitgewinn mit sich. Auch bildet die Plattform während des Prüfverfahrens die Fortschritte in Echtzeit ab, was den Beteiligten eine automatische Auskunft über den Stand des Verfahrens ermöglicht.

Da allen am Baugesuch Beteiligten (Bauherren, deren Vertreter, Planer und Behörden) ein Zugriff auf die Plattform möglich ist, fungiert diese auch gleichzeitig als Informationsdreh­scheibe – so teilt die Bewilligungsbehörde beispielsweise auch den Bauentscheid über die Plattform mit. Überhaupt sind die Interessen aller Beteiligten schon in der jetzigen Projektphase berücksichtigt: Neben Behördenvertretern sind auch Vertreter der Gesuchsteller in die Projektorganisation eingebunden, und am ersten Probebetrieb im vergangenen Jahr haben verschiedene Baufachleute (Architekten) und Vertreter des Haus­eigentümerverbands mitgewirkt.

Derzeit ist der Zugang zur neuen Plattform noch nicht öffentlich. Erst soll im Pilotbetrieb ab September 2019 die Funktionsweise des Gesamtsystems zusammen mit den sechs ausgewählten Gemeinden vertieft geprüft werden. Die Aufnahme des Beta-Betriebs (erster öffentlicher Grossbetrieb) ist für Januar 2020 vorgesehen. Dafür ist die Projektleitung aktuell noch auf der Suche nach Gemeinden, die daran mitwirken wollen. Der ­flächendeckenden Einführung von «eBaugesucheZH» steht also noch ein Reifeprozess bevor.

Elektronisch oder digital?

Elektronische Prozesse im Baubewilligungsverfahren sind an sich nicht neu. In den vergangenen Jahren haben bereits mehrere Kantone in Zusammenhang mit der E-Government-Strategie von Förderbeiträgen des Bundes profitiert und entsprechende elektronische Lösungen geschaffen (vgl. Kasten «Genève numérique» unten). Neu hingegen ist, dass Plattformlösungen wie «eBaugesucheZH» die Gesamtheit der bewilligungsrelevanten Dokumente elektronisch verwalten, die einzelnen Behördensysteme integrieren, eine parallele Partizipation aller Beteiligten in Echtzeit erlauben und so als zentrales Kommunikations- und Informationsinstrument dienen.

Bis zur vollständig digitalen Abwicklung von Baubewilligungsverfahren (z. B. Einreichung und Behandlung der Baugesuche anhand eines digitalen Modells, die digitale Planauflage oder die rechtskräftige Erteilung eines Bauentscheids) sind aber noch einige Hürden zu überwinden. Laut Christian Kaul muss sich einerseits die mentale Bereitschaft unter den Beteiligten – wie etwa die bauherrenseitige Akzeptanz einer digital signierten Baubewilligung – noch bedeutend weiterentwickeln. Andererseits sind die Zürcher Behörden gemäss rechtlichen Rahmenbedingungen dazu angehalten, vielerlei Verfahrensschritte wie beispielsweise die Eröffnung des Bauentscheids per Einschreiben analog zu vollziehen.

Diese Herausforderungen hat die Verwaltung erkannt und macht sich zurzeit Gedanken zu möglichen Weiterentwicklungen. Eines der längerfristigen Ziele nach der flächendeckenden Etablierung der Plattform ist das komplett papierlose Verfahren. Laut Christian Kaul verarbeiten die einzelnen Fachstellen des Kantons Baugesuche intern bereits seit einem knappen Jahr ohne Papier.

Ein vollständig digitaler Prozess würde jedoch auch beinhalten, dass weder für die Gesuchstellung noch für die amtliche Verarbeitung, die Projektauflage, die Erteilung der Baubewilligung, die Bauabnahme oder die Archivierung papierne Dokumente erforderlich sind. So macht man sich innerhalb der Baudirektion bereits jetzt Gedanken, wie der mit «eBaugesucheZH» eingeschlagene Weg zur vollständigen Digitalisierung weitergeführt werden kann.

Die aktuelle Projektentwicklung im laufenden Dialog mit den Betroffenen fördert zumindest einmal die mentale Bereitschaft für eine Umsetzung dieser Vision. Und wenn sich die Digitalisierung kontinuierlich noch auf weitere Behördengeschäfte ausbreitet, wird auch die Rechtslage nicht länger nachstehen.

Genève numérique

Neben dem Kanton Zürich befinden sich zahlreiche weitere Kantone in einem digitalen Veränderungsprozess – so auch Genf. Mit dem Projekt «Genève numé­rique» ist die kantonale Verwaltung eine treibende und führende Kraft in der digitalen Transformation. Teil des Projekts ist die Digitalisierung der Baugenehmigungsverfahren. Wie auch der Kanton Zürich baut Genf eine digitale Plattform zur Abwicklung von Baugesuchen auf. Für beschleunigte Verfahren ist diese bereits mit einem vollständig digitalen Prozess in Betrieb. In der nun angelaufenen zweiten Phase des Digitalisierungsprojekts ist beabsichtigt, die Plattform auch für ordentliche Baubewilligungsverfahren auszubauen.

Innerhalb der nächsten vier Jahre ist zudem ­vorgesehen, das Baubewilligungsverfahren an neu ­entwickelte, digitale Verwaltungstools (z. B. das neue digi­tale GIS) und Informationsquellen anzubinden. Schliesslich soll im Zuge des Vorhabens die Einreichung von Baugesuchen in Form von 3-D-Modellen möglich werden. Erste Pilotversuche dazu laufen ­bereits. 

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