De Foi­fer und ’s Weg­gli

Überführung Bernstrasse Ost, Suhr

Wie zahlreiche andere Gemeinden im Schweizer Mittelland leidet Suhr unter zunehmendem Verkehrsaufkommen während der Rushhour. Nun soll der Ort nicht nur vom Verkehr entlastet werden, sondern ­obendrein ein gestalterisch ansprechendes Brückenbauwerk erhalten.

Data di pubblicazione
16-05-2019

Jahrelanger Leidensdruck und finanzpolitische Hemmnisse veranlassten den Kanton Aargau zu einer umfassenden Lösungssuche. Nun endlich zeichnet sich verkehrliche ­Genesung in der Gemeinde Suhr ab. Im Zuge der abgeschlossenen Vorstudie konnte die Linienführung für das Teil­projekt Ostumfahrung optimiert werden; zugleich wurde deutlich, dass die Anbindung dieser Umfahrung an die Bernstras­se Ost und die Niveau­befreiung des Bahnübergangs eine echte Herausforderung darstellen.

Zur Neugestaltung des Bahnübergangs hat das Departement für Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau einen Wettbewerb ausgelobt. Gesucht war eine gestalterisch ansprechende und zugleich landschafts- und raumverträgliche Alternativ­lösung zur spiralförmigen Überführung der Vorstudie. Das Objekt sollte an die Verkehrsachsen Richtung Süden (neue Ostumfahrung), Osten und Westen (Bernstras­se) angeschlossen werden. Dabei war der Uferraum entlang der Wyna attraktiv zu gestalten und dem Denkmalschutz der bestehenden Wynabrücke Rechnung zu tragen.

Zugleich lotete das BVU in diesem Wettbewerb Möglichkeiten aus, den Verbrauch an Fruchtfolgeflächen zu minimieren und den ­Dorfeingang von Suhr aufzu­werten. Ausserdem sollte den dor­tigen engen Platzverhältnissen Rechnung ge­tragen und ausreichend Kapazitäten für das künftige Ver­kehrs­auf­kom­men geschaffen werden. Damit umfasste der Wettbewerb die Themen Bau­in­ge­ieurwesen, Architektur, Verkehrsplanung und Landschaftsgestaltung.

Den Kreis neu erfunden

Aus den insgesamt acht Teilnahmeanträgen wählte das Preisgericht fünf Wettbewerbsteilnehmer aus. Während sich drei der fünf präqualifizierten Projekte stark an die «Amtsvariante» aus der Vorstudie anlehnten und sich dabei in links- oder rechtsdrehenden Spiralansätzen verdrillten, wagten zwei Teilnehmer, sich gänzlich davon zu lösen, und boten bislang ausser Acht gelassene Gestaltungsformen an. Die Projekte «Integral» (Fürst Laf­franchi) und «Mesa» (DSP) liefern funktional überzeugende Lösungen, indem sie den Anbindungsknoten in der Situation in eine logische Lage bringen: das Projekt «Integral» als Kreisel im Terrain und das Projekt «Mesa» als T-Knoten auf Niveau eines Überführungsbauwerks. Damit entsprachen beide Projekte den wesentlichen Randbedingungen und brachten gleichzeitig neue Denk­ansätze ein. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Projekten besteht darin, dass «Integral» das Überführungsbauwerk der künftig untergeordneten Verkehrs­beziehung Richtung Ortszentrum widmet, wogegen «Mesa» das Objekt in der Achse der Ostumfahrung mit einem Ast Richtung Zentrum ausrichtet. Beiden Projekten gemeinsam ist, dass die Fahrtrichtung der ­Verkehrsströme konsequent in die Linienführung und Geometrie der Bauwerke aufgenommen wird. Diese beiden verkehrs­technisch logischen Ansätze schaffen damit ­echte Alternativen gegenüber der Spiralform der Amtsvariante.

Integrale Lösung

Letztlich überzeugte das Projekt «Integral» das Preisgericht in seiner Gesamtheit. Im Modell wirkt die Spannbetonbrücke als filigraner Strassenast, der aus der Wynaschleife in Richtung des Zentrums von Suhr herauswächst. Die Fein­heit des Baukörpers zeigt sich ebenfalls im Rendering: Zusammen mit den V-Stützen ergibt sich aus ­allen Blickrichtungen eine gute Einpassung in die Landschaft an der Orts­einfahrt von Suhr. Erfolgsrezept des Siegerprojekts und Garant für die Schlankheit des Bauwerks ist unter anderem der komplette Verzicht auf Spur­erweiterungen auf und an den Brücken­enden. Mit ­Ausnahme der Langsamverkehrs­entflechtung am Kreisel liefert das Projekt dennoch für alle Verkehrsbeziehungen überzeugende Lösungen. Für die K 235 von und nach Buchs wird die neue Wynabrücke den Ansprüchen des hohen Verkehrsaufkommens gerecht. Während der meisten Verkehrszeiten ermöglicht der Kreisel dem motorisierten Verkehr einen optimalen Fluss ohne Rückstau. Sollten ver­tief­te Simulationen von Verkehrsspitzen­stunden dereinst Kapazitätsengpässe identifizieren oder eine Dosierung der Ortsdurchfahrt erwünscht sein, liesse sich der Kreisel nachträglich mit einem Bypass oder einer Verkehrssteuerung funktional anpassen.

Mit der gewählten Knotenform und dem bestechenden Brückenbauwerk erfüllt das Projekt die Anforderungen an die verkehrstechnische Leistungsfähigkeit und nimmt minimal Platz in Anspruch. Alles in allem wurde so eine wahrlich integrale Lösung gefunden. Eine, die sich mehrwertig und unaufdringlich ins Bestehende einbettet, eine städtebauliche Aufwertung schafft, den intakten Gewässerraum der Wyna so weit als möglich schont und so eine Balance zwischen überzeugender Technik und dem Erhalt der natürlichen Umgebung schafft. Eine Lösung aber auch, die den Mut hat, Interessen zu priorisieren und den Abbruch zweier betroffener Gebäude offen anzudenken.

Denkmalschutz als Denksport

Neben der Erscheinungsbild und dem Tragwerkskonzept zeichnet sich das Projekt «Integral» besonders durch den sorgfältigen Umgang mit der rund 250 Jahre alten und unter kantonalem Denkmalschutz stehenden Wynabrücke aus. Der ­motorisierte Verkehr soll über eine neue Wynabrücke geführt und die alte Brücke – wohlgemerkt die äl­teste Kantonsstrassenbrücke im Aargau – allein dem Langsamverkehr vor­behalten werden. Aus Sicht des Denkmalschutzes eine lobenswerte Umnutzung, die indes eine verkehrstechnische Herausforderung mit sich bringt. Für den Langsamverkehr, der künftig von und nach Suhr über die neue Überführung fliessen wird, muss bei der weiteren Entwicklung des Projekts am Anschlusskreisel eine konfliktfreie Entflechtung vom motorisierten Verkehr gefunden werden.

Bedeutender Meilenstein

Für das Gesamtprojekt «Verkehrs­infrastruktur-Entwicklung Raum Suhr» und insbesondere das Teil­projekt Ostumfahrung Suhr konnte mit dem durchgeführten Wett­be­werb ein wichtiger Meilenstein gelegt werden – mit überregionalem Charakter: Laut BVU entsteht mit der Überführung eine der längsten Brücken im Kanton. Daneben zeigt das Ergebnis, welchen Mehrwert das Wettbewerbsverfahren im Ingenieurwesen bringen kann. Es schafft Raum für Lösungen, die sich im konventionellen Projektierungsprozess nicht ohnehin finden oder entwickeln lassen. Dafür braucht es einen Veranstalter, der neuen An­sätzen offen und weitsichtig gegenübertritt. Diese Aufgeschlossenheit zeigte das BVU bei der Wahl des Verfahrens und mit dem getroffenen Entscheid.

Die Objektkosten belaufen sich gemäss Schätzung auf 15 bis 20 Millionen Franken (inkl. neuer Wyna­brücke und Langsamverkehrsinfrastruktur). Die weitere Termin­planung sieht vor, mit dem Vorprojekt, das im Wettbewerb erarbeitet wurde, eine Vernehmlassung durchzuführen und damit bis Ende 2020 die Richtplanfestsetzung zu erreichen. Parallel dazu wird die Süd­umfahrung Suhr als verkehrlich komplementär wirkendes Teilprojekt weiterentwickelt. Verlaufen alle nachgelagerten Prozessabläufe wie geplant, wird von einem Baustart ab 2024 ausgegangen.

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen

1. Rang, 1. Preis: «Integral» ­
Bauingenieur: Fürst Laffranchi Bau­ingenieure, Aarwangen; Architekt: Lukas Ingold, Zürich; Verkehrsplaner: WAM Planer und Ingenieure, ­Solothurn, Landschaft und Umwelt: ­Wegpunkt, Herzogenbuchsee
2. Rang, 2. Preis: «Mesa» ­
Bauingenieur: DSP Ingenieure & Planer, Zürich, Architekt: Balz Amrein, Zürich, Verkehrsplaner: B+S,Bern
3. Rang, 3. Preis: «Spiral»
Bauingenieure: Bänziger Partner, Baden, Rothpletz, Lienhard + Cie, Aarau/Olten, SNZ Ingenieure und Planer, Zürich, Architekt: Stoos Architekten, Brugg, Landschaftsarchitekt: SKK Landschaftsarchitekten, Wettingen
4. Rang: «Ypsilon»
Bauingenieur: ACS-Partner, Zürich, ­Landschaftsrchitekt: Hager Partner, Zürich, Wasserbau: Staubli, Kurath & Partner, Zürich
5. Rang: «Natter»
Bauingenieure: Emch+Berger, Bern, HKP Bauingenieure, Baden/Zürich, Architekt: Metron Architektur, Brugg

Vertreter des Veranstalters mit Stimmrecht

Matthias Adelsbach, Bauingenieur, Stv. Kantonsingenieur (Vorsitz); Peter Biehler, Bauingenieur, Kanton Aargau; Roberto Scappaticci, Bauingenieur, Kanton Aargau

Fachpreisrichter mit Stimmrecht

Jakob Riediker, Bauingenieur/Vertreter SBB; Albin Kenel, Bauingenieur/Experte Brückenbau; André Stapfer, Geograf/Experte Landschaft; Jachen Könz, ­Architekt/Experte Architektur

Sachpreisrichter mit Stimmrecht

Thomas Baumann, Ingenieur-Agronom, Gemeinderat Suhr; Lukas Sigrist, Architekt, Bauverwalter Suhr

Ersatzpreisrichter

Walter Waldis, Bauingenieur, Kanton Aargau

Beratende Experten

Hubert Schumacher, Kalkulator, Luzern; Salome Reutimann, Umweltingenieurin, Kanton Aargau

 

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