Die! Ge­ge­n­wart! ist! schon! di­gi­tal!

Gebäudetechnik Kongress 2018

Was macht die Digitalisierung aus der Gebäudeplanung? Einige erkennen darin die Chance zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Andere warnen vor Risiken oder dem Verlust sozialer Qualitäten.

Data di pubblicazione
15-10-2018
Revision
06-11-2018

Die digitale Revolution muss nicht mehr angekündigt werden, sie ist bereits im Gang. Und der Bausektor steckt mittendrin. Diesen Eindruck vermittelte der nationale Gebäudetechnik Kongress, der heuer zum zweiten Mal stattfand. Die Plattform zum Austausch zwischen Forschung und Praxis wurde von Zukunftsbildern, Geschäftsstrategien und Start-up-Ideen mit künstlicher beziehungsweise virtueller Intelligenz dominiert. Die Tonlage der meisten Vorträge war affirmativ und bisweilen sogar plakativ: Die Digitalisierung ist die letzte Chance, um die bislang dürftige Produktivität des Bausektors auf ein ansehnlicheres Niveau zu heben! Denn ökonomisch und technisch haben andere Innovationsbranchen die Nase vorn. Das Bruttoinlandsprodukt hängt im Wesentlichen von den guten Geschäften der Pharmaindustrie ab; und wenn es um die Adaption smarter und individualisierter Dienstleistungen geht, scheint die Automobilindustrie das viel bewunderte Mass der Dinge zu sein. 

Der Kongress trug zwar den Titel «Digital & Smart», aber einige Referate zeigten: Die Folgen des Technologiewandels auf das Entwerfen, Planen und Betreiben von Gebäuden dürften zwar aufregend, für einige Berufskreise aber eher ungemütlich werden. Die neuen Möglichkeiten präsentierte ein Gast aus dem Silicon Valley: %%gallerylink:42903:Deepak Aatresh%% ist IT-Spezialist und hat ein digitales Zeichungs- und Entwurfsprogramm lanciert, das die Umwelt per Knopfdruck bebauen kann. Der Planer wird zum Programmierer, der einzelne Objekte und Anordungsregeln definiert. Sein Zauberlehrling ist ein Algorithmus, an den die räumliche Komposition delegiert werden kann. So entstehen Entwürfe für Siedlungsareale, Spitäler oder Windparks als autonome Prozesse neuerdings auf einem smarten Mikrochip. 

Der Roboter im Baulabor

Mit solchen Aussichten konnte Sacha Menz, ehemaliger Vorsteher des Architekturdepartements an der ETH Zürich, wenig anfangen; er erinnerte deshalb an die klassische Rolle des Architekten: «Nur er ist in der Lage, einem Objekt weiterhin Sinn zu verleihen und konstruierte Räume mit Leben zu füllen.» Trotz diesem Plädoyer bleibt die Zukunft auch im Baulabor nicht stehen. Denn das Gebäude steht, eher später als andere moderne Errungenschaften, an der Schnittstelle von der virtuellen Realität zum industriell gefertigten Produkt. So ist die Programmiersprache längst Lernstoff für angehende Architektinnen und Architekten. Und in den Werkhallen am Hönggerberg arbeiten Maschinen und Studierende seit Kurzem Hand in Hand (vgl. E-Dossier «Robotik am Bau»). «Der Roboter ist das ideale Universalgerät, das die künstliche mit der realen Bauwelt verbinden kann», bestätigt ETH-Gebäudeforscher Hannes Mayer. Aber auch die Baupraxis beginnt, durchwegs automatisierte Prozesse zu organisieren. Den über 200 Kongressbesucherinnen und -besuchern wurden mehrere derart realisierte Neubauten vorgestellt. Sie verdeutlichen, was der digitale Fortschritt für die Arbeit auf der Baustelle heisst: Das moderne Bauteil wird in der Fabrik erzeugt; vor Ort werden die Module nurmehr montiert. 

Umwälzung des Markts

Doch wenn die Maschine den Menschen ersetzt, muss das Bauen nicht zwingend billiger werden. Einige Kongressreferenten glauben sogar, dass sich der Aufwand dadurch erhöht. Auch Urs von Arx, CEO der Gebäudetechnikfirma Hefti.Hess.Martignoni, bezweifelt eine Effizienzsteigerung. Im Gegenzug erhofft er sich mehr Qualität und mehr Tempo bei der Abwicklung von Bauprozessen. Mit dem Aufkommen neuer Technologien sei aber eine Umwälzung der Marktverhältnisse zu erwarten. Von Arx rechnet mit zusätzlicher Konkurrenz aus anderen Branchen: «Vor allem Energie- und IT-Firmen beginnen, sich mit Smarthome-Lösungen im herkömmlichen Gebäudetechnikumfeld zu präsentieren.» Absehbar sei zudem ein Wandel der Angebote: «Einige Firmen wandeln sich zu Gesamtdienstleistern für den gesamten Gebäudelebenszyklus.»

Komfort und Convenience als Treiber

Aber welche neuen Geschäftsmodelle kann der Bausektor aus der digitalen Transformation generieren? Am Kongress selbst kamen Webapplikationen und Steuerungstools zur Sprache, deren Mehrwert nicht unmittelbar erkennbar war. Vor allem die Immobilienbewirtschaftung scheint sich für Informationen und Nutzerdaten zu interessieren, die sich mithilfe von Loggern und Sensoren nun einfacher messen und sammeln lassen. «Das intelligente Haus und der smarte Haushalt werden schon bald ans Internet der Dinge angeschlossen», sagt Karin Frick vom Gottlieb-Duttweiler-Institut. Die grössten Marktchancen hätten jene Produkte und Dienstleistungen, mit denen sich der Komfort und das Convenience-Prinzip beim Wohnen verbessern lassen. 

Datenschutz ging vergessen

Dass die Digitalisierung auch auf Widerstände stossen kann oder mit Risiken verbunden ist, wurde am Gebäudetechnik Kongress nur vereinzelt thematisiert. Christian Grasser vom Verband der Telekommunikationsunternehmen sprach mögliche Konflikte mit dem Umweltschutzgesetz an. Ein Ausbau der ICT-Infrastruktur sei mit einer stärkeren Strahlenbelastung verbunden. Der Ausbau der Funknetze dürfe dadurch aber nicht behindert werden, warnte Grasser. Derweil wies Martin Leuthold, Geschäftsleitungsmitglied von SWITCH, in seinem Abschlussreferat auf die Zunahme von Cyberrisiken hin. Die Digitalisierung bedeute auch, mehr in die Sicherheit zu investieren. Was am Gebäudetechnik Kongress dagegen gänzlich unerwähnt blieb, war der Datenschutz. Wenn der Bausektor digitalisiert werden soll, dürfte sich aber so mancher Nutzer und Planer schnell dafür interessieren, was mit seinen Daten geschieht. 

 

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