Was ist Ar­chi­tek­tur­fors­chung?

Forschungstag Architektur

Am 17. März fand in Lausanne erstmals der Forschungstag Architektur statt. Zehn Schweizer Architekturhochschulen präsentierten ausgewählte Programme und Projekte. Neben Altbewährtem und einigen Perlen offenbarte sich auch viel Diskussionsbedarf.

Date de publication
20-03-2015
Revision
06-10-2015

Die Schweiz hat die Bologna-Deklaration zur Erneuerung der Hochschulbildung 1999 unterschrieben. Die Umsetzung führte zu Kontroversen. Vor allem die Tatsache, dass Universitäten und Fachhochschulen gleichermassen einen zweistufigen Studiengang mit den Zyklen «Bachelor» und «Master» einführen mussten, hat in Baufachkreisen einige Fragen aufgeworfen. Weniger bekannt dagegen ist, dass die Bologna-Reform auch wichtige Änderungen in der Forschung beinhaltet: So sind neuerdings auch die Fachhochschulen verpflichtet, nicht nur Unterricht, sondern auch Forschung zu betreiben.

Forschung an allen Schulen

Für viele Fachhochschulen ist diese Forderung äusserst schwer zu erfüllen. Zum einen aus strukturellen Gründen: Während an Universitäten die Grundvoraussetzungen für Forschung längst etabliert sind, müssen viele Fachhochschulen sie erst aufbauen. Es fehlt an Mitteln, an Fachkräften und an Infrastrukturen wie Bibliotheken oder Labors. Zum anderen – und das ist mindestens ebenso essenziell – muss sich jede Schule darüber klar werden, welche Art von Forschung zu ihrem spezifischen fachlichen Profil passt. Doch gerade diese Frage ist in der Architektur besonders schwer zu beantworten.

Denn was Forschung in der Architektur überhaupt sein soll, ist alles andere als klar. Geht es um die technischen Gesichtspunkte des Bauens? Um geschichtliche oder theoretische Aspekte? Um den Entwurf? Ist am Ende der Entwurfsprozess selbst eine Art Forschung, obschon er nicht messbar ist? Ein wissenschaftliches Forschungsverständnis lässt sich nicht direkt auf die Baukunst übertragen; es gilt also, eigene Kriterien herauszuarbeiten.

Der Architekturrat lädt ein

Dass alle Hochschulen, die hierzulande eine Architekturausbildung anbieten, sich bei dieser Suche systematisch austauschen und unterstützen, ist dem Architekturrat der Schweiz zu verdanken (vgl. Kasten). Am 17. März lud er zum ersten Forschungstag Architektur an die EPF Lausanne ein, um bisherige Erfahrungen zur Diskussion zu stellen.

Am Vormittag präsentierten die Vertreterinnen und Vertreter der Schulen ausgewählte Programme und Projekte. Der Überblick über die Forschungslandschaft war sehr eindrücklich, sowohl in Bezug auf die Vielfalt der Themen als auch auf die Ernsthaftigkeit, mit der die meisten behandelt wurden. Einige Schulen holen das Beste aus ihren vergleichsweise bescheidenen Mitteln heraus, indem sie sich auf vorhandene ­Stärken konzentrieren – etwa die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, die ihre langjährigen typologischen Untersuchungen vertieft, oder die Università della Svizzera Italiana USI, die histo­rische Forschung zu Bauten der Moderne betreibt. Nur wenige Insti­­tutionen scheinen noch in einer Selbstfindungsphase zu stecken – und erliegen zuweilen der Versuchung, vertiefende Projektwochen, in denen Studierende anstelle des Frontalunterrichts selbstständig Erkenntnisse erarbeiten, als Forschung auszulegen.

In der zweiten Tageshälfte sorgten drei Referenten für eine weitere ­Horizonterweiterung: Der Architekturtheoretiker Bruno Reichlin, der belgische Architekt und Professor Johan Verbeke und der Bauingenieur Jürg Conzett reflektierten über Sinn und Unsinn der Forschung aus ihren jeweiligen fachlichen Perspektiven heraus. Die abschliessende Diskussion – ebenso wie jene am Morgen anregend moderiert von SIA-Prä­sident Stefan Cadosch – hat allen Anwesenden viel Stoff zum Nachdenken mit auf den Weg gegeben. 


Architekturrat

Der Schweiz Der Architekturrat wurde 2008 als Diskussionsplattform der Architekturschulen der Schweiz gegründet (vgl. TEC21 3–4/2009 und TEC21 24/2009). Er vereint alle zehn Hochschulen der Schweiz im Bereich Architektur (Universitäten und Fachhochschulen) und den Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA, der als Berufsverband die Praxis vertritt.
Der Architekturrat hat sich zum Ziel gesteckt, die Öffentlichkeit über die Aufgaben und Anliegen der Architekturschulen zu informieren und als gemeinsame Plattform das politische Umfeld für die Disziplin zu sensibilisieren. Er setzt sich dafür ein, dass die Architekturausbildung in der Schweiz unter Beibehaltung des dualen Bildungssystems harmonisiert und die Forschung in der Architektur gefördert werden.  Weitere Informationen: www.architekturrat.ch Im Sommer 2015 erscheint ein dreisprachiges Sonderheft von TEC21, TRACÉS und archi zum Architekturrat.

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