Ge­druckt, ge­kocht und nach­ge­dacht

Interior Day 2014 an der AHB in Biel

Die Küche als Spielfeld zum Erproben neuer Lebensformen und der 3-D-Drucker als Brücke zwischen der abstrakten, digitalen Welt hin zur Realität, dies waren die beiden Themen des Interior Day 2014 an der Fachhochschule AHB in Biel. Grundsätzliche Frage war zudem, ob und wie technologische Entwicklungen mit gesellschaftlichen Prozessen zusammenhängen. Am Anlass ergänzten sich Theorie und Praxis.

Date de publication
30-09-2014
Revision
25-08-2015

Digitale Prozesse und digital gesteuerte Werkzeuge bestimmen zunehmend unseren Alltag. Dies betrifft Planungsprozesse so gut wie die Produktion. Mit dem Computer gestaltete architektonische Entwürfe lassen sich bis hin zur Ausführungsplanung bearbeiten. Es gilt Systeme zu bilden, über «Modellierung» widerstrebende Anforderungen von Nutzung, Finanzierung, Identität, Statik, Kontext, Haustechnik, Nachhaltigkeit, Recht usw. in ein Modell von sich ergänzenden Abhängigkeiten zu überführen, das entsprechend einem Organismus funktioniert. Jacques Wüthrich, Modulleiter im Bereich Gestaltung an der AHB Burgdorf, drückte dies pointiert aus: «Was nicht gezeichnet werden kann, kann nicht gebaut werden.» 

Ein gedruckter Fenstergriff

Doch auch der umgekehrte Weg scheint möglich. Christiane Rehm, Dozentin für Produktion und Logistik an der AHB Biel zeigte, wie bestehende Objekte zu digitalen 3-D-Modellen umzuwandeln sind. Diese Daten können der Archivierung dienen, der Visualisierung oder beispielsweise der Restauration von Kulturgütern.

Ein entsprechendes und eindrückliches Beispiel demonstrierte Daniel Kündig von der Firma Ecoparts: ein historischer Fenstergriff aus dem Bundeshaus in Bern. Über einen 3-D-Laserscan wurden die Daten eines bestehenden Fenstergriffs erfasst und in Teilen heutigen Bedürfnissen angepasst. Das mit einem 3-D-Drucker so entstandene Teil, bereits aus Metall aufgebaut, bildete die Grundlage für eine neue Gussform, mit der die benötigten Beschläge gegossen wurden.

Der Weg von der Idee hin zum haptisch erfahrbaren Prototyp und zur Kleinserie ist mit 3-D-Druck simpel und kurz. Der dreidimensionale Entwurf schafft den Sprung aus dem CAD direkt in die Welt der Objekte, erläuterte Diego Rohner von der 3-D Model AG. Der 3-D-Druck, so seine Aussage, mache das im digitalen Handwerk Entstandene fassbar. 

Mit 3-D-Druck zur nächsten industriellen Revolution 

Der 3-D-Druck ermöglicht individuelles Design, die Strukturen der Logistikbranche definieren sich neu. Man spreche von der Fragmentierung der Wirtschaft und der Grundlage für eine nachhaltige Gesellschaft, so Stephan Sigrist, Leiter des Think Tank W.I.R.E. Doch gelte es auch kritisch über die Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und uns alle nachzudenken. Denn zusammen mit der digitalen Welt bieten sich heute derart viele Möglichkeiten, und es entstehen derart zahlreich verfügbare Daten, dass sich Manche überfordert fühlen. Doch gerade im Bereich Ausbau und Möbel sind mit 3-D-Druckern hergestellte Produkte über das Versuchsstadium hinaus gediehen.

Mit Holz zu neuen Horizonten

Wie Formgebung und digitale Fertigungstechnik zusammenspielen, das erläuterte Christoph Schindler, Leiter der Studienrichtung Objektdesign BA der Hochschule Luzern. Drei unterschiedlichen Herangehensweisen an den Werkstoff Holz - Flankenschnitt, ZipShape und serielle Astgabel - illustrierten unterschiedliche Möglichkeiten, mit Holz zu arbeiten.

Eine Reihe von Stühlen und Tische bilden die Flankenschnittserie, deren namengebende Fertigungstechnik die Gestaltung massgeblich prägt. Es handelt sich dabei um ein geometrisches Konzept, dem die Bewegungen der 5-Achs-Fräse zugrunde liegen. Die geschwungenen Stuhlbeine bestehen nicht aus Biegeholz, sondern sind aus einem geraden Rohling geschnitten.

ZipShape ist ein neuartiges Verfahren, aus plattenförmigem Rohstoff eine geschwungene Form zu erhalten. Ein Formstück besteht aus zwei Platten, deren Oberflächen präzise so gezinkt werden, dass ihr Zusammenpassen die gewünschte Krümmung erzeugt.

Völlig anders ist die Herangehensweise bei den aus Astgabeln gesägten Beinen für einen Hocker. Was sonst in der Holzindustrie als unbrauchbar gilt (Astgabeln), wird so zum individuellen Bauteil. Eingesteckt in die präzise Rundform des Sitzes und auf die gewünschte Länge zugeschnitten, wird so eine naturgegebene Form zum Serienprodukt. 

Küchen als Designlabor

Bereits mit der sogenannten Frankfurter Küche haben 1926 Ernst May und Margarete Schütte-Lihotzky einen Ansatz zum wissenschaftlich fundierten Entwurf erdacht. Zum ersten Mal wurden Arbeitsabläufe systematisch erfasst und die Küchenmöbel entsprechend gestaltet. Joachim Krausse, Dozent für Designtheorie an der Hochschule Anhalt, Dessau, stellte eine neue integrative Betrachtung der Küche als Teil eines grösseren Systems vor. Dabei sind die vor- und nachgelagerten Stoffwechselprozesse miteinbezogen. Aus der Küche wird sozusagen ein Labor für den Haushalt und zudem für das Design ihrer Einrichtung und der zugehörigen Geräte.

Karl W. Grosse, Architekt und Designer an der Humboldt-Universität Berlin, stellte in diesem Zusammenhang seine Forschungsarbeiten zum Thema Küche der Zukunft vor. Bereits Wirklichkeit ist eine neuartige Auffassung der Küche und ihrer Funktionen bei den Galleys, den Bordküchen in Flugzeugen. Öfen, Kaffeemaschinen, Wasserspender, Kühlelemente, Speicherräume usw. sind hier auf engstem Raum versammelt. Der Aufwand für die Entwicklung derartiger Leichtbauelemente sei im Blick auf die verhältnismässig kleinen Stückzahlen von etwa 100 Exemplaren je Typ immens, betonte Hans-Jörg Dennig, Managing Director bei Engineering Services.

Alain Schneider von Ikea war wegen Erkrankung an der Teilnahme verhindert. In seinen schriftlich hinterlegten Überlegungen bezeichnet er die Küche als Ort der Begegnung für die Familie und mit Freunden. Sie muss funktional und gut organisiert sein, sie soll aber auch ein emotional ansprechender Ort sein. Der Designer Alfredo Häberli brachte das mit dem Begriff «Die Küche als Seele des Hauses» auf den Punkt. Die Feuerstelle war die erste Küche, der Holztisch Jahrhunderte lang der Mittelpunkt und Treffpunkt der Wohnung, gleichzeitig die Arbeitsfläche für alle Tätigkeiten im Haushalt. Die Küche war und ist wie eine Werkstatt und damit ein Ort der Experimente.

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