Rück­bau mit dem Skal­pell: Par­khaus Lysbü­chel in Ba­sel

Der Rückbau des ehemaligen Parkhauses von Coop markiert einen Meilenstein in der städtebaulichen Transformation des Entwicklungsareals Volta Nord. Statt Abbruch wird die Stahlbetonhalle von 1970 präzise demontiert: Primärbauteile wie Stützen und Decken sollen in Neubauten am Walkeweg und am Schliengerweg wiederverwendet werden. 

Date de publication
11-07-2025

Der städtebauliche Wandel des ehemaligen Industrieareals Lysbüchel in Basel, Teil des Entwicklungsprojekts Volta Nord, ist in vollem Gang. Ziel ist es, ein durchmischtes, nachhaltiges und lebendiges Stadtquartier zu schaffen, das Wohnen, Arbeiten, Bildung, Kultur und Erholung vereint. 

Ein zentrales Element dieser Transformation ist der Rückbau des ehemaligen Coop-Parkhauses. Die 1970 errichtete Stahlbetonkonstruktion besteht aus einem System vorfabrizierter und vorgespannter Rippenplatten. Die Elemente wurden seinerzeit vor Ort mit einem Überbeton vergossen, die Fugen mit Feinbeton verfüllt.

Systematische Demontage 

Statt das Gebäude wie beim konventionellen Rückbau zu entsorgen, demontieren die Beteiligten die Bauteile systematisch. Erstmals planen sie, Primärbauteile im grossen Stil für Wohnbauten wiederzuverwenden. Die gewonnenen Stützen- und Deckenelemente wollen sie in Neubauten am Walkeweg und am Schliengerweg einsetzen – in deren Entwürfe sind sie bereits integriert.

Ziel der Massnahme ist es, natürliche Ressourcen zu schonen und die CO2-Emissionen zu reduzieren.

Ingenieurinnen und Ingenieure gefragt

Doch woher wusste der Eigentümer, welche Bauteile sich zur Weiterverwertung eignen würden? Peter Kaufmann, Leiter Finanzvermögen bei Immobilien Basel-Stadt erklärt: «Wenn es um die Primärbauteile geht, sind Ingenieure und Ingenieurinnen gefragt. Die zuständigen Büros analysierten zunächst altes Planmaterial und testeten dann die Eignung ausgebauter Bauteile mit Belastungsversuchen und Schadstoffuntersuchungen.» 

Anschliessend nahmen sie diese Teile in einen Bauteilkatalog auf, der den teilnehmenden Architektenbüros im Wettbewerbsverfahren für die Projekte am Walkeweg und am Schliengerweg zur Verfügung stand. 

Einstufiger offener Wettbewerb stösst an seine Grenzen

Bald zeigte sich: Der Einsatz von Re-Use-Bauteilen ist herausfordernd und stellt besondere Anforderungen an die Planung. Entscheidungen zu Grundriss, Tragwerk und Material müssen sehr früh getroffen werden. Ausserdem ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Einbaumöglichkeiten, Masshaltigkeit und Oberflächenqualität nötig. 

«Es zeigt sich auch, dass der einstufige offene Projektwettbewerb bei Re-Use an seine Grenzen stösst», sagt Kaufmann. Und weiter: «Die Projekt- und Prozessorganisation erfordert Ressourcen und Kompetenzen, die sich in den aktuellen phasenbezogenen Leistungsbeschrieben und damit in den Angeboten und Aufträgen nur schwierig abbilden lassen. Es wird spannend, zu sehen, welche Antworten die Planungs- und Bauwirtschaft auf diese Fragestellungen finden wird.»

Prozesse müssen verknüpft werden

Die Kunst liegt darin, die verschiedenen Prozesse zu verknüpfen. Da Wiederverwendung in dieser Grössenordnung noch wenig etabliert ist, entschied sich Immobilien Basel-Stadt in Zusammenarbeit mit Städtebau & Architektur eine Task Force zur Koordination zwischen Rückbau- und Neubauorganisation einzusetzen. Dieses temporäre Gremium vermittelt zwischen dem „Geber“ – zuständig für Rückbauplanung, -technik und -logistik bis zum Zwischenlager – und dem „Nehmer“, der die Anforderungen an die Qualität und Masshaltigkeit definiert, und in dessen Auftrag der Ausbau, Transport und Lagerung der Bauteile erfolgen. 

Diese Koordination ist notwendig, um technische, organisatorische und rechtliche Fragen so gut wie möglich zu klären. Noch orientieren sich Normen, Standards und Bewilligungsverfahren mehrheitlich am Neubauprozess. Besonders relevant: Bis heute tragen Eigentümer und Investoren bei Re-Use-Projekten das volle Risiko. Um Re-Use künftig häufiger anzuwenden, müssen die Beteiligten eine faire Risikoaufteilung erreichen.

Mit Skalpell und Pinzette

Trotz dieser Herausforderungen kommen die Rückbauarbeiten in Basel zügig voran. Der Rückbau des alten Parkhauses begann 2024 und soll bis Oktober 2025 grösstenteils abgeschlossen sein. Die Arbeiten erfolgen mit hoher Präzision – wie Peter Kaufmann sagt: «Mit Skalpell und Pinzette.»

Re-Use braucht Spielräume

Überraschungen blieben dennoch nicht aus. Als Beispiel nennt Kaufmann Verbindungselemente, die im Vorhinein nicht zu erkennen waren. «Gebäude wurden früher nicht mit Blick auf den Rückbau konzipiert. Bauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren eignen sich aber relativ häufig als Pilotprojekte, da sich diese oft durch eine gewisse bauliche Uniformität auszeichnen», erklärt Kaufmann. 

Wird sich der Aufwand gelohnt haben? Davon ist Kaufmann überzeugt: «Schon allein deshalb, weil wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Wenn Basel 2037 klimaneutral sein will, brauchen wir Pilotprojekte, die privaten Bauherrschaften den Weg ebnen. Jedoch sei der Koordinationsaufwand erheblich. «Wer Wiederverwertung betreiben will, braucht Spielräume – zeitlich, räumlich und finanziell.» Dabei geht es bei den Investitionen nicht nur um deren Höhe, sondern auch darum, wann und wo diese getätigt werden müssen.

Re-Use nur eine Strategie

Der Rückbau und die Wiederverwertung von Primär- und Sekundärbauteilen sind nicht die einzige Strategie im Umgang mit Gebäuden, die umgenutzt werden sollen. Kaufmann fallen gleich mehrere Beispiele des Kantons Basel-Stadt ein: die Aufstockung der Überbauung Rheinacker wie auch aktuell das Projekt an der Hochbergerstrasse, dem ehemaligen Bürogebäude des Amts für Umwelt und Energie AUE, das für Wohnen umgebaut wird. Den Bestand weiter zu nutzen spart die meisten Ressourcen, flexibel gestaltete Gebäudestrukturen schaffen die Voraussetzungen dafür. Auch das «Kultur- und Gewerbehaus ELYS» auf dem Lysbüchel-Areal, das vor über zehn Jahren konzipiert und 2020 eröffnet wurde, war diesbezüglich ein wichtiges Pilotprojekt. 

Mehr Grün fürs Quartier 

Sind Anfang nächsten Jahres auch die Fundamente entfernt, entsteht auf der freigewordenen Fläche der Lysbüchelplatz, ein grosszügiger öffentlicher Raum mit über 80 neu gepflanzten Bäumen. Der Platz, wie das ganze Areal, wird nach dem Schwammstadt-Prinzip gestaltet, um Regenwasser zu speichern und das Mikroklima zu verbessern. Ein geplanter Pavillon soll als Treffpunkt für die Bevölkerung dienen – ein Beitrag zur sozialen Belebung des Quartiers.

 

Rückbau Parkhaus Lysbüchel

Auftraggeber: Einwohnergemeinde der Stadt Basel, vertreten durch Immobilien Basel-Stadt.
Bauherrenvertretung: Städtebau & Architektur Basel-Stadt.
Rückbauplanung: CSD AG, Basel
Rückbau: Aregger AG, Buttisholz, Luzern
Koordination Geber/Nehmerprojekt: Drees & Sommer, Basel

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