Ho­ch­fest wei­ter dank UHFB

Ist Stahlbeton bei starken Umwelteinflüssen der geeignete Baustoff? ­Zahlreich anfallende Brückeninstandsetzungen werfen diese Frage auf. Der gezielte Einsatz von UHFB ermöglicht der ­denkmalgeschützten Guillermaux-Brücke in Payerne eine weitere lange Nutzungsdauer, sogar mit erhöhter Tragfähigkeit.

Date de publication
21-09-2017
Revision
21-09-2017
Eugen Brühwiler
Lehrstuhl für Erhaltung, Konstruktion und Sicherheit von Bauwerken, ETH Lausanne (EPFL)

Die Stahlbetonbauweise kann mittlerweile auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken und ist auch  heute noch die bedeutendste. Oft stellt sie die billigste Bauweise dar. Wie jedoch die Erfahrung zeigt, neigen Betonbauten zu Mängeln, was ihre Dauerhaftigkeit betrifft: Wasser- und chloridexponierte Bauteile zeigen Schäden infolge Bewehrungskorrosion oder Alkali-­Aggregat-Reaktion. Seit den 1980er-Jahren werden diese Schäden «saniert», und ein Ende ist nicht in Sicht. Auch Betonbauten jüngeren Datums weisen oft schon diese Schadensbilder auf. Eine um 2 bis 3 cm stärkere Bewehrungsüberdeckung, die diesen Problemen entgegenwirken soll, genügt nicht.

Meist sind traditionelle «Sanierungen» von Schäden infolge Bewehrungskorrosion mit Reprofiliermörtel oder Dünnbeschichtungen auf Epoxidharzbasis ästhetisch unbefriedigend und auch wenig dauerhaft. Abdichtungsfolien für Dächer und Brückenplatten sind bei der Anwendung fehleranfällig und erfahrungsgemäss von begrenzter Funktionsdauer.

Daraus muss der Schluss gezogen werden: Für Bauteile, die durch starke Umwelteinflüsse beansprucht werden, ist Stahlbeton offensichtlich nicht die richti­ge Baustoffwahl. Die Betonbauweise und bestehende ­Betonbauten sind grundlegend zu verbessern, damit die versprochene Leistungsfähigkeit auch ein­gehalten werden kann.

Weder Stahl noch Beton, sondern UHFB

Ultrahochleistungs-Faserbeton, UHFB abgekürzt, ist weder Stahl noch Beton, sondern ein eigenständiger Verbundbaustoff. Seine zementgebundene Matrix aus feinen Partikeln, die eine Grösse unter 1 mm aufweisen,  wird mit einer sehr grossen Menge von etwa 15 mm kurzen, schlanken Stahlfasern angereichert. Dies macht UHFB hochfest und verformungsfähig. Durch eine ­Optimierung der Partikel und Feinteile erhält man einen ­kompakten Baustoff, der sogar unter Zugbeanspruchung flüssigkeitsdicht und somit dauerhaft ist. UHFB weist gegenüber Normalbeton eine hohe mechanische Festigkeit und Verformungsfähigkeit auf.

Der Baustoff UHFB wurde vor 30 Jahren erstmals hergestellt und seither weiterentwickelt. Seit 1999 wird an der ETH Lausanne das Tragverhalten von UHFB-Beton-Verbundbauteilen untersucht. Bauteile aus Stahlbeton sollen mit dem Hochleistungsbaustoff UHFB gezielt ergänzt werden, um stark exponierte Oberflächen zu schützen und statisch stark beanspruchte Bauteile zu verstärken. Dies führt zu einer Verbesserung der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Betonbaute. Durch den Einsatz von UHFB erfährt das Betonbauwerk somit einen Mehrwert, der eine nächste, lange Nutzungsdauer ermöglicht.

Seit 2004 wurden in der Schweiz zahlreiche Betonbauten mit UHFB instandgesetzt, verstärkt und abgedichtet. Die bisher grösste Anwendung betraf den 2.1 km langen Chillon-Autobahnviadukt entlang des Genfersees bei Montreux (vgl. TEC21 47/2014). Dieses einfache Konzept der «Veredelung» von Betonbauten erfuhr auch die Guillermaux-Brücke über den Fluss Broye in Payerne VD.

Guillermaux-Brücke: klein, aber schmuck

Die 1920–1921 in Betonbauweise erstellte Brücke befindet sich im kantonalen Verzeichnis schützenswerter Bauwerke. Mit ihren verzierten Brüstungen, den vier Obelisken, die vom damaligen Stadtarchitekten Louis Bosset (1880–1950) entworfen wurden, und ihrem flachen Bogen steht sie im Kontrast zu den schlanken und statisch raffiniert konzipierten Betonbrücken von Robert Maillart, bildet aber gleichwohl einen bedeutenden kulturellen Wert aus der Frühzeit des Eisenbetonbaus. Der Ingenieur des Bauwerks ist nicht bekannt.

Die Brücke trägt eine 6.5 m breite Strasse mit beidseitigen Trottoirs. Das primäre Tragwerk aus damaligem Eisenbeton bestand aus einem Dreigelenk­bogen mit Gelenken am Bogenscheitel und an den beiden Widerlagern. Bei einer Bogenspannweite von 27.6 m und einer Scheitelhöhe von nur 2.8 m ergibt sich eine Schlankheit von 1 : 10 des flachen, 0.65 m dicken und 8.2 m breiten Bogens.

Im Bereich des 19 m langen Mittelteils der Brücke lag die Strasse auf einer Auffüllung aus unbewehrtem Füllbeton mit einer Stärke bis zu 1.4 m. Beidseits schliessen je 7.0 m lange Stahlbetonbauteile an. Sie bestehen aus zwei kurzen Sekundärbögen und einer Fahrbahnplatte, die auf dem Dreigelenkbogen aufgelegt sind. In Querrichtung kragen die Leitmauern aus Eisenbeton um 1.1 m gegenüber dem Hauptbogen aus.

Die Brückenkonstruktion war nie mit einer ­Abdichtung versehen, daher konnten Wasser und Tausalze durch die Konstruktion laufen. Obwohl der Bauwerkszu­stand seit Jahrzehnten unbefriedigend war, überlebte die Brücke mehrere alarmistisch verfasste Unter­suchungsberichte. Empfehlungen für einen «dringenden» Ersatzneubau konnten sich nicht durchsetzen, da für die Bevölkerung und Behörden die Brücke ein wichtiger Bestandteil des Stadtbilds und der Stadtgeschichte war.

Eine Renovation der Brücke erfolgte nun im Rahmen der Erneuerung der Guillermaux-Strasse im Jahr 2015. Um eine neue, lange Nutzungsdauer des Bauwerks zu gewährleisten, war die Instandsetzung der Betonschäden mit einer Verbesserung der Dauerhaftigkeit gefordert. Ausserdem bedurfte es einer Erhöhung der Tragfähigkeit, da die Guillermaux-Strasse und somit auch die Brücke heute Teil des Schwerverkehrsnetzes des Kantons sind.

Änderung des statischen Systems  

Zur geforderten Erhöhung der Tragfähigkeit wurde das statische System der Brücke neu konzipiert. Das Scheitelgelenk des Bogens wurde blockiert und eine 50 mm starke, mit Betonstahl bewehrte UHFB-Schicht unter der Fahrbahn eingebaut. Diese wirkt als Zuggurt in Brückenlängsrichtung und wurde in den neuen Schleppplatten an den Brückenenden befestigt. Die Schleppplatten sind verzahnt ausgeführt, sodass die zu verankernden Kräfte über Reibung in den Baugrund abgetragen werden können. Die von aussen nicht sichtbare Änderung des statischen Systems führte zu einer deutlichen Reduktion der Biegebeanspruchung und einer höheren Ausnutzung der Druckfestigkeit des massiven Betonbogens.

Gegenüber dem ursprünglichen statischen System wurde die Tragfähigkeit der Brücke mehr als verdoppelt, womit künftig Schwertransportlasten über die Brücke möglich sind. Die Dichtheit der eingebauten UHFB-Schicht schützt den darunterliegenden Eisenbeton vor einem direkten Kontakt mit Wasser und Tausalzen. Dies verbessert die Dauerhaftigkeit der Brücke zukünftig entscheidend.

Die Instandsetzung der Bogenunterseiten und der auskragenden Trottoire erfolgte mit herkömmlichen Methoden. Die Brüstungen mit den Verzierungen und die Obeliske wurden denkmalgerecht restauriert und mit einem hydrophobierenden Oberflächenschutz vor Wassereintritt geschützt. Von den vier Obelisken strahlen nun wieder die ursprünglichen Beleuchtungskörper. Gleichzeitig sorgt eine neue Beleuchtung der Gehwegflächen und der Verzierungen in den Brüstungen für zusätzliche Helligkeit.

Die Arbeiten verliefen 2015 ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Die Baukosten betrugen 2200 Franken pro Quadratmeter nutzbarer Brückenfläche, was etwa 50 % der geschätzten Kosten für einen Ersatzneubau entsprach. Die bald 100-jährige Brücke ist nun, wie eine neuwertige Brücke, genügend leistungsfähig für eine nächste, lange Nutzungsdauer.

Veredeln statt ersetzen

Stellvertretend für viele andere Anwendungen veranschaulicht die Guillermaux-Brücke die Konzeptidee der Veredelung von Betonbauten mithilfe des Hoch­leistungsbaustoffs UHFB. Damit können Betonbauten jeglichen Alters ertüchtigt, verbessert und einer neuen Nutzungsdauer zugeführt werden. Die Eingriffe sind  bei entsprechender Planung nicht sichtbar und beeinträchtigen somit nicht das ursprüngliche Aussehen, das oft die ästhetische Qualität eines Betonbaus ausmacht. Dies macht die UHFB-Technologie besonders für baukulturell wertvolle Objekte interessant. Ein moderner Baustoff für die Denkmalpflege!

Doch die UHFB-Technologie besteht auch bei üblichen, profanen Bauwerken erfolgreich. Oftmals geringere Kosten gegenüber traditionellen «Sanierungen» oder Ersatzneubauten und Einsparungen beim zukünftigen Unterhalt sind gewichtige, gern gehörte Argumente bei der Bauherrschaft.

In Sachen Nachhaltigkeit kann die Veredelung von Bauwerken mit dem Hochleistungsbaustoff UHFB einen weiteren Trumpf ausspielen. Bestehende bereits verbaute Baustoffressourcen können nach wie vor ihre Aufgabe erfüllen. Demgegenüber schneidet das heute noch übliche Ersatzneubauen, auch wenn es ­möglichst umweltfreundlich ausgeführt wird, meist deutlich schlechter ab. Das Veredeln von Betonbauten mit UHFB ist somit im Sinn eines haushälterischen Umgangs mit Ressourcen nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig.

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Commune de Payerne
 

Konzept und Beratung
Prof. Eugen Brühwiler, EPFL Lausanne
 

Tragwerksplanung
Sollertia groupe d’ingénieurs, Saint-Sulpice
Küng et Associés, Payerne
 

Bauunternehmung
Implenia
 

Gesamtkosten
1 Million Franken
 

Bauzeit
2015

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