Zwei auf­stre­ben­de Ta­len­te an der Zür­cher Blick­fang

Die Verkaufsmesse Blickfang engagiert sich immer wieder für Newcomer:innen. An der Zürcher Ausgabe des Events im November vergab die Messe im Rahmen der «Future Forward»-Auszeichnung geförderte Standflächen – eine gute Gelegenheit, sich als Jungtalent einer grösseren Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Gewinner des diesjährigen Awards waren die Neuenburger Designerin Laure Gremion und der Luzerner Gestalter Sacha Klemm.

Publikationsdatum
12-12-2023

Ein gestalterisches Multitalent ist die Produktdesignerin Laure Gremion aus Neuchâtel. Die 34-jährige Gestalterin schloss 2012 ihr Studium an der ECAL ab. Anfang 2017 gründete sie – unter anderem nach Mitarbeit beim Neuveviller Studio Atelier Oï und einer Artist Residency in Shanghai – ihr eigenes Studio.

Mit Objekten wie Leuchten, Vogelhäuschen, Buchstützen oder Cocktailgläsern sucht Laure Gremion stets nach einem neuen Blickwinkel: «Mein Ziel ist es, verspielte und funktionale Produkte zu entwerfen, die die Zeit überdauern. Hauptsächlich entwickle ich meine Produkte in Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker*innen, um den Produktionsablauf so kurz wie möglich zu halten und das meiste aus der Kollaboration herauszuholen.»

Damit trifft sie auf positive Resonanz und hat zwischenzeitlich bereits erste Konzepte und Serienproduktionen für verschiedene Marken im Lifestyle- und Interior-Bereich sowie für Kunstgalerien umgesetzt. Am Salone Satellite in Mailand im vergangenen April zeigte sie bereits ihre Arbeiten, derzeit sind diese an verschiedenen Ausstellungen wie dem Super Marché in La Chaux-de-Fonds oder der 30. Jubiläumsausstellung der Ärzte der Welt in Neuchâtel zu sehen.

Laure Gremion: Poetisches Leuchtobjekt

An der Blickfang zeigte Laure Gremion unter anderem ihr bisher erfolgreichstes Objekt, den Kronleuchter «Céleste». «Er ist eines der ersten Projekte, die ich ganz allein entwickelt habe. Die technischen Problemstellungen und der sechsjährige Optimierungsprozess waren eine grosse Herausforderung, aber ich bin sehr stolz, die Kronleuchter seit Januar 2023 in Produktion zu haben».  

Die Leuchte macht sich die Flexibilität von LED-Streifen zunutze. Dieses leuchtende Band wird üblicherweise auf eine steife Oberfläche aufgetragen und geklebt, Gremion hingegen betont seine Weichheit. Wie Federn umrahmen und gestalten Schlaufen einen Schirm, der in einem warmen Lichtschein erstrahlt. Die Dioden, die in regelmässigen Abständen angeordnet sind, erinnern an die Kristalle eines antiken Kronleuchters. Eine Leuchte besteht aus einem oder zwei Modulen, die je nach Platzierung Kurve, Form und Grösse der Leuchte beeinflussen. Die Hälfte der ersten Serie ist bereits verkauft.

Beton im Objekt

Als Werbegeschenk an Kunden des Unternehmens MFP Préfabrication entstand eine Buchstütze, die aus zwei ineinandergreifenden Stufen besteht. Auf diese Weise kann sie als perfekter Würfel verschickt werden. Das Konzept ist von der Architektur und einem der Hauptgeschäftsbereiche des Unternehmens inspiriert: vorgefertigte Treppen. Das Objekt aus hochfestem Beton kann mittlerweile über Gremions Online-Shop bezogen werden.

Auch die vielseitige Vase «Verso», ebenfalls Teil der «Concrete»-Kollektion, war an der Blickfang zu sehen. Sie kann auf zwei Arten verwendet werden: Mit dem strukturierten Teil nach unten dient sie als eleganter Mittelpunkt für grosszügige Blumensträusse, dreht man die Vase auf den Kopf, nimmt sie einzelne Blumen auf. Jedes Stück wird in den Werkstätten in Marin handgefertigt. Die Vase gibt es mittlerweile auch in einer mundgeblasenen Glasversion, hergestellt bei der Schweizer Manufaktur Niesenglass.

Gremion liebt das Experiment ebenso wie die Konzept- und Ideenfindungsphase. Um die Grenzen von Materialien und Prozessen auszuloten und neue Ideen zu finden, sucht sie stets den Austausch mit Kollaborationspartner:innen und Spezialist:innen. Ob Beton, Glas, Holz oder Stahl: Auf ein Material festlegen will sie sich nicht.

Sacha Klemm: Fügen statt Schrauben

An der Schnittstelle von Architektur, Design und Kunst arbeitet der zweite Preisträger, Sacha Klemm. Der 42-jährige Luzerner ist Schreiner, hat eine für ihn prägende Zeit beim Möbelhersteller Team by Wellis verbracht und ist danach bei der Scheuber AG Raumgestaltung in die Welt der Textilien eingetaucht. Parallel hat er Innenarchitektur an der BBZ Zürich studiert und 2021 schliesslich sein eigenes Label Nodis gegründet.

Sacha Klemm setzt für seine Massivholzmöbel auf präzises Handwerk, Lokalität und Nachhaltigkeit. Das übergeordnete Prinzip seiner Möbel ist die Kunst der Holzverbindung. «Heute werden Möbel mit standardisierten Beschlägen und z.B. mit sehr komplexen Schubladenauszügen gefertigt», sagt Klemm. Bei Nodis sind die Möbel jedoch gefügt und gesteckt. Dies nach alter Tradition: In der Zeit vor der maschinellen Fertigung waren diese sichtbaren Konstruktionsmerkmale keinesfalls störend, sondern fügten sich harmonisch in den von hohem handwerklichem Geschick geprägten Möbeln ein.  «Ich verdecke die Konstruktion nicht, sondern zeige sie selbstbewusst», sagt Klemm. Das Resultat sind klar gestaltete Objekte, sämtlich auf Mass gefertigte Unikate.

Inspiration Japan

Am Stand präsentierte Klemm zum ersten Mal eine Serie seiner Objekte – ein aus geseifter Lärche hergestellter Tisch, einen dunkel geölten Eichenholz-Konsolentisch sowie ein niedriges Lowboard aus gebürsteter Ulme. Das Holz stammt aus der Schweiz aus lokaler Produktion, verwendet wird jeweils nur so viel Holz, wie nötig.

«Lärche wird heutzutage nur selten für Tische erwähnt, es ist ein weiches Holz», sagt Klemm. «Ich finde seine Haptik jedoch sehr schön, alle Hicke und Spuren erzählen eine eigene Geschichte mit der Zeit». Nicht umsonst schätzt Klemm auch die japanische Kultur: «Das Handwerk wird in Japan hochgeschätzt, auch das schöne Altern von Produkten», erklärt Klemm. «Ästhetik und Funktion verschmelzen darin zu einem Gesamtkunstwerk.»

Aus dem Prinzip seiner Möbel entwickelt er auch raumprägende Objekte. So fertigte er mit demselben Prinzip den Pavillon «Nodi» für den Skulpturenpark Ennetbürgen.  Auch dieser basiert auf einer Holzkonstruktion, die sich von selbst, ohne Schrauben, stabilisiert und versteift. Dass das System die Erstellung vielseitiger Strukturen erlaubt, demonstriert Klemm auch im Bühnenbild für das Luzerner Theater Bagasch.

An der Blickfang konnte Klemm erstmals seine Arbeiten einem grösseren Publikum zeigen. «Die Rückmeldungen waren sehr wertvoll für mich». Nun will er sein Label ausbauen und zudem Partner für den Vertrieb finden.

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