Gross und Klein, paar­wei­se auf­ge­reiht

Frisch wie ein Sommersalat: Studio Trachsler Hoffmann und S2L Landschaftsarchitekten gewinnen mit ihrem Projekt «caprese» den Wettbewerb für die Einhausung der Stadtautobahn A1 in Zürich Schwamendingen  im Projektperimeter B15. Ihr Entwurf punktet mit einfachen und räumlich klaren Anordnungen.

Publikationsdatum
12-07-2022

Die 900 Meter lange Einhausung der Autobahn A1 ist gegenwärtig eines der bedeutendsten städtebaulichen Grossbauprojekte der Stadt Zürich. Das sieben Meter hohe Bauwerk wird weiterhin eine Zäsur für das Stadtgebiet bedeuten, doch wird der Ueberlandpark auf dem Deckel die Funktion eines vernetzenden Freiraums übernehmen, und die angrenzenden Quartiere besser zusammenwachsen lassen. Dieser neue städtische Freiraum bildet das Rückgrat für all die Bauten, die sich zukünftig links und rechts der Einhausung aufreihen werden, und ein Wohnen mit hoher Dichte und Wohnqualität erlauben. Der restriktive Gestaltungsplan Ueberlandpark bildet dazu die planungs- und baurechtlichen Grundlagen.

Die Baugenossenschaft Nord-Süd hatte für ihre drei Teilgebiete B15, B16 und B18 intern bereits mehrere Workshops durchgeführt, um sich über Ziele und Entwicklung klar zu werden. Unter der Leitung des Büros Planzeit wurde Ende 2021 ein Projekt- und Ideenwettbewerb im selektiven Verfahren gemäss der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 durchgeführt. Zwölf ausgewählte Teams aus dem Fachbereich Architektur und Landschaftsarchitektur nahmen daran teil.  

Baufeld B15: zwei ähnliche Konzepte, ein Kontrapunkt

Für den Projektperimeter B15, Siedlung Tulpenweg, galt es, eine städtebaulich und architektonisch hochwertige Ersatzüberbauung mit rund 200 Wohnungen, gemeinschaftlichen Einrichtungen, Gewerberäumen sowie einem Kindergarten zu planen. Dieses Teilgebiet grenzt direkt an die zukünftige Einhausung. Die bestehenden Bauten der Siedlung wurden bereits abgebrochen, da das Areal zurzeit dem  Bundesamt für Strassen als Bauplatzinstallation dient.

Der Projektvorschlag «caprese» von Studio Trachsler Hoffmann und S2L Landschaftsarchitekten überzeugte die Jury am meisten und wurde zur Weiterbearbeitung empfohlen. Mit nur wenigen Elementen und wenigen strategischen Entscheiden ist es dem Planungsteam gelungen, die Komplexität der Vorgaben zu bewältigen: Ein höheres Gebäude parallel zur Einhausung bildet den Auftakt zum Ueberlandpark und zu den weiteren Wohnbauten. Im breiten Sockel des Wohnhochhauses mit vorgelagerten Aussenräumen sind eine Reihe von öffentlichen Nutzungen untergebracht, unter anderem auch der Kindergarten.

Dahinter stehen die sechs Zeilenbauten rechtwinklig zur Einhausung, wobei sich hohe und tiefe Bauten abwechseln. Ein acht- und ein viergeschossiges Haus bilden jeweils eine Einheit mit einem intimeren Gartenhof, der sich durch einen eher privaten Charakter auszeichnet und durch die niedrigen Velobauten zusätzlich räumlich gefasst wird. Zwischen diesen Häuserpaaren liegen die adressbildenden Parkhöfe.

Die hohen Bauten folgen im Schnitt dem Prinzip des Gestaltungsplans. Auf der Ebene «Gartenstadt» wird das für Schwamendingen typische bodennahe Wohnen mit direktem Zugang zum Aussenraum weitergeführt. Auf der Ebene «Ueberlandpark» verbinden Brücken die Wohngebäude mit Laubengängen mit dem Park, was zur gegenseitigen Belebung beiträgt. Die Ebene «Luegisland» erweitert das Wohnungsangebot um Geschoss- und Attikawohnungen mit Sicht auf den Park und über das Quartier hinweg. Die durchgesteckten Wohnungen profitieren von beidseitig orientieren Aussenräumen und von einer attraktiven Ost-West Ausrichtung. Die niedrigen Bauten beherbergen gestapelte Reihenhaustypen und Wohnateliers. Laubengänge erschliessen die oberen Einheiten und verbinden sie mit dem Park.

Einen ähnlichen städtebaulichen Ansatz wie das Siegerprojekt verfolgt das Projekt «zilpzalp2» auf Rang 2 von pool Architekten mit Studio Vulkan Landschaftsarchitektur. Die drei Baufelder wurden in ihren Eigenschaften noch stärker spezifiziert, teilweise unter Einbeziehung des Bestands. Die Jury resümiert: «Der Projektvorschlag zilpzalp entwickelt auf der städtebaulichen Ebene eine überzeugende Gesamtkonzeption mit differenzierten Vorschlägen für die drei unterschiedlichen Baufelder. Insbesondere auf dem Baufeld 15 entsteht ein in sich und im Zusammenspiel mit dem Kontext attraktiver neuer Stadtbaustein, welcher im Hinblick auf das Hochhaus allerdings Fragen offen lässt. Auf gekonnte Art und Weise werden die unterschiedlichen Räume miteinander verwoben. Leider ist diese hohe Qualität auf der Ebene der Wohnungen nicht gleichermassen zu erkennen.»

Das drittplatzierte Projekt «Zilpzalp1» von Knorr & Pürckhauer Architekten mit Gersbach Landschaftsarchitektur verfolgt einen ganz anderen Ansatz: Die Planenden schlagen einen eigenständigen, strukturalistischen Städtebau mit Gebäuden und runden Hofeinschlüssen vor. Dieser einheitliche, serielle Ansatz schafft einen neuen eigenständigen Ort in der Gartenstadt Schwamendingen, der sich klar gegen die gängigen Vorstellungen eines genossenschaftlichen Siedlungsbaus stellt.

Baufeld B18: Anhaltspunkte fürs Weiterbauen

Für den erweiterten Projektperimeter B18, Siedlung Ueberlandstrasse, war das Potenzial von 50 Wohnungen zu prüfen, wobei mit der bestehenden Siedlung heute bereits 30 Wohnungen aus den Erstellungsjahren 1947 und 1981 vorhanden sind. Dieses Teilgebiet liegt unmittelbar am Ende der Einhausung und bildet zukünftig den wichtigen Abschluss des geplanten Ueberlandparks auf der Autobahneinhausung.

Für diese Baufeld favorisiert die Jury den Projektvorschlag «Mandelbrot» der ARGE Fruehauf Henry & Viladoms mit DUO Architectes Paysagistes. Mit ihrem Gebäude reagieren die Planenden überzeugend auf die städtebauliche Situation und formen das Quartiergeviert zu einer vollendeten Figur. Auf der Südseite gegen die Winterthurerstrasse soll ein grosszügiger Raum entstehen, der einen adäquaten Auftakt zum Ueberlandpark schafft. Das Gebäude zeichnet nach aussen eine klare geometrische Form, die sich gegen innen durch Versätze und Rücksprünge auflöst.

Auf Anraten der Jury soll dieses Wettbewerbsprojekt in einer vertiefenden Studie überarbeitet werden und danach der Baugenossenschaft als Grundlage für einen Projektierungsentscheid dienen. Ebenso empfiehlt die Jury die beiden Baufelder B15 und B18 integral und aufeinander abgestimmt zu bearbeiten. Dazu empfiehlt sie, die Landschaftsarchitektur über beide Perimeter dem Siegerprojekt «caprese» zuzuordnen.

Baufeld B16: Ideen für die Zukunft

Für den Ideenperimeter B16, Siedlung Luegisland, war entlang der Winterthurerstrasse schematisch aufzuzeigen, wie sich die Bebauung längerfristig weiter entwickeln kann. Auf dem Teilgebiet B16 liegt heute die Siedlung Luegisland mit 54 Wohnungen aus dem Jahre 1947, die mit Zeithorizont 2035/2040 noch erhalten bleiben sollen. Bei den Projektvorschlägen wurde der Ideenperimeter oftmals im Sinne einer Ausbauetappe in das Gesamtprojekt integriert, vereinzelt konzipierten die Planenden aber auch spezifische Haustypen oder entwickelten den Bestand im Sinn der Nachhaltigkeit weiter.

Hohe ökologische Ansprüche

Die Baugenossenschaft Süd-Ost zeigte sich über die Resultate begeistert und ist zuversichtlich, dass ein lebendiger und attraktiver neuer Stadtteil entstehen wird mit ruhigen, zukunftsweisenden und preisgünstigen Wohnungen. Gleichzeitig wird ein besonderes Augenmerk auf klimaschonendes Bauen und die graue Energie gelegt: Die eingesetzten Materialien sollen langlebig und möglichst wiederverwendbar sein. Deshalb kommt vor allem Holz zum Einsatz, der Anteil des Betons soll minimiert werden. Für das Projekt «caprese», die Siedlung Tulpenweg, ist der Baubeginn für 2025 geplant, mit der Absicht, dass die ersten Familien 2028 in ihr neues Zuhause einziehen können.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Ersatzneubauten Baugenossenschaft Süd-Ost, Teilgebiete B15/B16/B18, Zürich Schwamendingen
Projekt- und Ideenwettbewerb im selektiven Verfahren

 

Baufeld B15


1. Rang, 1. Preis: «Caprese»
Studio Trachsler Hoffmann, Zürich; S2L Landschaftsarchitekten, Zürich; Caretta Weidmann Baumanagement, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Bern; Waldhauser Herrmann, Münchenstein; Kopitsis Bauphysik, Wohlen; Partner Ingenieure, Bern


2. Rang, 2. Preis: «zilpzalp (2)»
pool Architekten, Zürich; Studio Vulkan Landschaftsarchitektur, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich; Nightnurse Image, Zürich


3. Rang, 1. Ankauf: «ZilpZalp (1)»
Knorr & Pürckhauer Architekten, Zürich; Gersbach Landschaftsarchitektur, Zürich; Ferrari Gartmann AG, Chur; Balzer Ingenieure AG, Chur; Enerpeak AG, Winterthur; BAKUS Bauphysik & Akustik, Zürich


4. Rang, 3. Preis: «serendipity»
Zimmermann Sutter Architekten, Zürich; Landschaft Freiraumarchitektur, Luzern; Renderisch, Zürich


5. Rang, 2. Ankauf: «Mandelbrot»
ARGE Fruehauf Henry & Viladoms, Lausanne und GMS Partner, Zürich; Duo Architectes Paysagistes, Lausanne


Baufeld B18


1. Preis: «Mandelbrot»
ARGE Fruehauf Henry & Viladoms, Lausanne und GMS Partner, Zürich; Duo Architectes Paysagistes, Lausanne


Fachjury
Michael Hauser, Architekt, Zürich (Vorsitz); Britta Brauer, Architektin, Amt für Städtebau, Zürich; Zita Cotti, Architektin, Zürich; Philipp Esch, Architekt, Zürich; Matthias Krebs, Landschaftsarchitekt, Zürich; Jakob Steib, Architekt, Zürich

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