Von der Ex­er­zier­wie­se zum Frei­raum

Teilinstandsetzung und Transformation Freiraum Kasernenareal, Zürich

Wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof Zürich liegt das Kasernenareal. Nach dem Wegzug der Kantonspolizei Zürich wird aus der ehemaligen Militärkaserne ein Bildungszentrum für Erwachsene – und die grösste Grünfläche der Innenstadt zu einem zeitgemässen Freiraum.

Publikationsdatum
24-07-2025

Teilinstandsetzung und Transformation Freiraum Kasernenareal, Zürich 
Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Schon heute werden grosse Teile des Kasernenareals zivil genutzt. Mit dem Wegzug der Kantonspolizei Zürich im Jahr 2022 verschwanden auf der Kasernenwiese auch die provisorischen Gefängnisse. Die Bauten der Anlage werden in Etappen saniert. Stadt und Kanton Zürich wollen auf dem Kasernenareal einen Ort für Bildung, Gewerbe, Kultur und Er­holung entstehen lassen – aus dem Hauptbau der ehemaligen Militärkaserne wird ein Bildungszentrum für Erwachsene. Grundlage für die Transformation ist der Masterplan «Zukunft Kasernenareal Zürich» von 2016, in den auch die Ergebnisse eines öffentlichen Mitwirkungs­verfahrens eingeflossen sind. 

Zwischen 1864 und 1876 auf freier Wiese erbaut, ist das Areal heute ein wichtiger Freiraum im dicht besiedelten Quartier Aussersihl. Der Kasernenhof ist mit seinen 35 700 m² die grösste Grün­fläche in der Innenstadt Zürich und wird damit auch für grosse Veranstaltungen genutzt. Weitere 10 000 m² kommen mit dem an­grenzenden Zeughaus­hof dazu, einem quartiernahen Freiraum. Das verbindende Element des Areals sind die Freiräume mit Kaser­nen- und Zeughaushof; sie sind für die Neuausrichtung zentral.

Bauten und Freiräume sind Schutzobjekte von überkommunaler Bedeutung. Wie für die Bauzeit üblich, ist die grandiose Anlage in Tradition einer barocken Schloss­anlage erbaut: gestaffelt von Ökonomiebau­ten zum Schloss, zum Garten mit seinen Bauten – die Baukörper stets auf eine gemeinsame Mittel­achse ausgerichtet.

Für die Neugestaltung der Freiräume war darum im selektiven Verfahren ein Projekt gesucht, «dem es gelingt, die Qualitäten und den Charakter des Gartendenkmals mit den heutigen Ansprüchen bezüglich öffentlicher Erholung, Veranstal­tungen, Regenwassermanagement, Stadtklima und Biodiversität zu vereinen.» Die Ausschreibung wünschte sich für die Transformation einen Ansatz im Sinne von «as found».

Die Herausforderung bestand darin, über neue Elemente geschickt eine Transformation zu ermöglichen und gleichzeitig den Charakter der doch recht strengen Militäranlage mit der freien Exerzierwiese im Kasernenhof zu erhalten. Nach dem ersten Rundgang zeigte sich die Jury aber irritiert, da einige der zehn Teams das Kasernenareal «mit markanten Eingriffen neu prägen» wollten.

Unaufgeregt und präzise

Mit dem Projekt «Blaumeise» von Krebs und Herde Landschaftsarchitekten zusammen mit OePlan fand die Jury «glücklicherweise ein begeisterndes Siegerprojekt», das nicht die grosse Geste sucht, sondern mit « präzisen Eingriffen unaufgeregt » den Ort transformiert. In den Plänen ist die Grundstruktur der heutigen Anlage sofort wiederzuerkennen: Die von Kastanienalleen gesäumte Wiese bleibt eine offene Fläche. Da der asphaltierte Mittelweg über die Wiese im Kasernenhof aufgehoben wird – er ist ein Relikt der militärischen Nutzung – wirkt die Allmend sogar noch grosszü­giger.

Richtung Zeughaus ist in den Plänen ein arten­reiches Wiesen-Patchwork angedeutet, das sich  durch einen alternierenden Mäh-Rhythmus laufend ändern soll. «As found» bleibt der Trampel­pfad durch die Wiese bestehen – die Abkürzung hat sich über die Jahre etabliert. Schattenspendende Baumgruppen am Rand der Allmend ergänzen die in Form geschnittenen Kastanienalleen und fassen den Raum noch stärker ein. Die teilweise 150 Jahre alten Kastanien sind die Leitbäume des Areals. Zur Bauzeit waren sie die einzige Abgrenzung der Exer­zierwiese zum Quartier. 

Um den raumprägenden Bäumen zu einem noch längeren Leben zu verhelfen, werden Massnahmen ergriffen: Nistkästen sollen Blaumeisen anlocken, damit sie die Bäume von Miniermotten befreien. Oberflächliche Bodenverbesserungsmassnahmen stärken zusätzlich die Vitalität der Bäume.

Jurybericht und Pläne zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Im Projekt verschränken sich nicht nur Flora und Fauna, auch für die Menschen sind unterschiedliche Angebote mitgedacht. Unter den Kastanienalleen finden sich diverse Nutzungsangebote, von Sitzbänken bis zum Pingpong-Tisch. Die grosse Wiese im Kasernenhof ist für ein Nickerchen, ein Picknick oder eine Runde an der frischen Luft gleichermassen geeignet und wird so für das Quartier zu einem alltäglichen und attraktiven Aufenthaltsort.

Auch kommerzielle Veranstaltungen sollen weiterhin möglich sein. Auf dem chaussierten Platz vor der Kaserne entsteht ein Biergarten und auch der Pavillon am Platz erhält ein Bistro. Wo immer möglich werden die Bodenflächen entsiegelt. Pflanzungen wie der Krautsaum und das Gehölz am Rand der Anlage schaffen einen zusätzlichen Filter zum Quartier. Die erweiterte Pflanzenwahl mit verschiedenen Vegetationszonen macht die Freiräume biodivers, schafft artenreiche Lebensräume und lässt das Areal zur Verbindung zum grünen Korridor des nahen Sihl­raums werden.

Der ganz durch Bauten gefasste Zeughaushof bleibt dabei eine intimere, quartiernahe Grünfläche mit Spiel­inseln, Gärten und dem Labyrinth von 1991. Mit Bäumen wie Maroni, Kaki oder Wildpflaumen bereichert, entsteht ein essbarer Baumgarten und ein lukullisches Vergnügen für Menschen und Singvögel.

Kühlende Wiese

Ein umfassendes und innovatives Wassermanagement aus Low- und High-Tech zeichnet das Projekt weiter aus: Die Bodenentsiegelung wird das Versickern des Regenwassers möglich machen und eine unterirdische Zisterne unter dem heutigen Mittelweg das Dachflächenwasser sammeln. Die häufig trockene Kasernenwiese soll damit in Zukunft aktiv bewässert werden und durch die Verdunstung das Umfeld um bis zu 4 °C abkühlen. Die umlaufende und begrünte Sicker­rinne im Kasernenhof nimmt das jährliche Starkregenereignis auf und lässt das Wasser versickern.

Mit diesen Massnahmen leistet das Projekt einen Beitrag zur Hitzeminderung und Regenwasserregulierung im innerstädtischen Kontext. Das Projekt «Blaumeise» verknüpft Klimaanforderungen mit Fragen des Natur- und Sozialraums – gleichzeitig erfüllt es die denkmalpflegerischen Anforderungen und die Wiese bleibt gleich einem städtischen Platz als «Bühne» frei. Die Jury lobt das «ganzheitliche Konzept, das den Ort nachhaltig belebt und in seiner Gesamtheit aktiviert.»

Name als Programm

Die drei weiteren rangierten Projekte tragen ihren jeweiligen Schwerpunkt im Namen. «Hin zum Quartier» von Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt betont die sozialen Aspekte und den Dialog; «Wilder» der ARGE Schmid Baumann Kuhn lässt eine wildere 
Natur auf dem Areal entstehen. «Unter freiem Himmel» von raderschallpartner betont die grosse Wiese als Veranstaltungsort und beschränkt sich auf wenige Ein­griffe. Alle prämierten Projekte erhielten in ihrem Ansatz Lob von der Jury. Im Hinblick auf die vielfältigen Anforderungen der Transformation zu einem zukunftsorientierten Freiraum konnte das Siegerprojekt aber besser überzeugen.

Unter den nicht prämierten Projekten waren auch utopische Entwürfe. Der Beitrag «Die Landung» des Projektteams um Fanny Christinaz wollte einen Pionierwald mit über 600 Bäumen auf der Allmend entstehen lassen. Nur die elliptische und abgesenkte Lichtung wäre zur Nutzung frei geblieben. Die Jury lobte die eigenständige Haltung des Beitrags, bemängelte aber den fehlenden Bezug zum Areal. Denn sie wollte die Wiese offen und schon gar nicht formal überschrieben sehen. Dies nicht nur aus denkmalpflegerischen Gründen, sondern auch um an diesem zentralen Ort weiterhin unterschiedliche Veranstaltungen zu ermöglichen – von Festanlässen bis zur Zirkusvorstellung.

Die Anlage hat zudem eine starke politische Geschichte als Ort von Kundgebungen oder als Projektionsfläche für städtebauliche Visionen. In den 1960er-Jahren hätte das Areal zu einem neuen Stadtteil werden sollen, später wurde es als Standort für ein neues Stadion oder ein Kongresshaus gehandelt.

Mit dem Zeughaushof ist längst ein stark im Quartier verankerter Freiraum mit vielfältigen (Zwischen-) Nut­zungen entstanden. Für eine leben­dige Zukunft des ganzen Areals ist es wünschenswert, dass die Nutzungspioniere im Zeughaushof bleiben dürfen, während in den freigewordenen Kasernenbauten und dem Kasernenhof neues Leben einzieht. Die Bauarbeiten zur Umgestaltung sollen 2027 beginnen. 
 

Projekte der engeren Auswahl


1. Rang / 1. Preis: «Blaumeise»
 ARGE Krebs und Herde Landschafts­architekten, Winterthur und OePlan, Altstätten


2. Rang / 2. Preis: «Hin zum Quartier»
Maurus Schifferli Landschafts­architekt, Bern


3. Rang / 3. Preis: «Wilder»
ARGE Schmid Baumann Kuhn, 
Zürich / Basel


4. Rang / 4. Preis: «Unter freiem Himmel»
raderschallpartner, Meilen



Fachjury

Jeremy Hoskyn, Vorsitz, Amt für Hochbauten; Martina Voser, Landschafts­architektin, Zürich; Stefan Rotzler, Landschaftsarchitekt, Zürich; Ursa Habic, Landschafts­architektin, Zürich; Sandra Kieschnik, Landschaftsarchitektin, Lausanne; Regula Lüscher, Architektin, Winterthur/Berlin (DE); Astrid Staufer, Architektin, Frauenfeld (Ersatz)


Sachjury
Christine Bräm, Grün Stadt Zürich; Axel Fischer, Grün Stadt Zürich; Claus Reuschenbach, Liegenschaften Stadt Zürich; Daniel Baumann, Kanton Zürich Hochbauamt; André Barthel, Kantonale Denkmal­pflege; Adriano Tettamanti, Kanton Zürich Hochbauamt (Ersatz)

Bauherrschaft
Kanton Zürich, Stadt Zürich

Eigentümervertretung
Grün Stadt Zürich (GSZ); 
Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ)

Bauherrenvertretung
Amt für Hochbauten, Zürich

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