Quar­tier­ent­wick­lung mit Vor­bild­cha­rak­ter

Wohnquartier Hardstrasse, Birsfelden

In Birsfelden BL realisieren drei Baugenossenschaften gemeinsam ein Wohnquartier mit rund 100 neuen Wohnungen. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die nachhaltige Architektur, sondern auch der Prozess der Quartierplanung durch die Gemeinde.
 

Publikationsdatum
14-07-2025

Quartierplanung Hardstrasse, Birsfelden    
Diverse Verfahren

Die Gemeinde Birsfelden hat ihre Vision für das zukünftige Wohnquartier an der Hardstrasse klar formuliert: Die beiden Parzellen sollen aus der Bauzone für öffentliche Werke und Anlagen in eine Wohnzone überführt werden. Das soll die Attraktivität des Standorts steigern. Gewünscht ist ein vielfältiges, kleinstädtisches und öffentlich zugängliches Areal mit verschiedenen Gebäuden, einem öffentlichen Park und gemeinschaftlichen sowie privaten Gärten.

Zur Sicherung dieser Vision hat sich die Gemeinde in der Ausschreibung der Baurechtsnehmerevaluation folgende Ziele gesetzt: Die Auswahl an lokal verankerten Bauträgerschaften soll zu mindestens 50 % gemeinnützigen oder genossen­schaftlichen Wohnungsbau um­setzen. Der Fokus richtet sich auf eine nachhaltige Bauweise und Materialisierung der Gebäude. 

Die Evaluation der Baurechtsnehmenden finden Sie auf competitions.espazium.ch

Die Aussenflächen sowie die Grundrisse der erkorenen Projekte weisen eine grosse Flexibilität auf; ein breit gefächerter Wohnungsmix bietet Raum für unterschiedliche Zielgruppen und gemeinschaftliche Nutzungen. In der Siedlung sollen zudem der Langsamverkehr und eine nachhaltige Mobilität gefördert werden.

Wohnen im Grünen

Heute befinden sich auf dem 10 816 m² grossen Areal vier Bestandsgebäude. Die alte Gemeindeverwaltung an der Hardstrasse und das ehemalige Tagesheim an der Schützenstrasse sollen rückgebaut werden. Erhalten bleiben der Kindergarten «Schützen­strasse» sowie der Gewerbebau an der Hardstrasse 25, der zum Wohnen umgenutzt werden soll.

Die durch den Rückbau frei werdende Fläche zoniert der Quartierplan von Salewski Nater Kretz Architekten und  Beglinger + Bryan Landschaftsarchi­tektur mit drei Neubauten, einem öffentlichen Park und verschiedenen Frei- und Grünräumen. Für die spätere architektonische Gestaltung der Neubauten waren lediglich die Mantellinien sowie die Ausbildung des Sockels vorgegeben. Die Gebäudehöhen und -profile wurden im Studienauftrag in einem iterativen Prozess gemeinsam mit der Birsfelder Bevölkerung definiert.

Auf die Ausschreibung der Baurechtsparzellen gingen acht Bewerbungen ein. Fünf Teams wurden nach der Evaluation ausgeschlossen, da sich die Gemeinde gegen betreutes Wohnen, die Vergabe an einen einzelnen Baurechtsnehmer für das gesamte Areal und Stockwerkeigentum entschied. Letzteres schloss die Gemeinde im Zuge des Verfahrens auch für die übrigen eigenen Grundstücke aus, da die Vergabe eines vergünstigten Baurechts nur zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum politisch vertretbar sei. 

Juryberichte und Pläne zum Verfahren um das Gebäude L2 finden Sie auf competitions.espazium.ch

Das Gremium entschied sich daher für folgendes Szenario: Die Wohnstadt Bau- und Verwaltungsgenossenschaft (Wohnstadt) erhält die Baufelder H25 und L2 entlang der Oberen Winkelgasse. Das Gremium sieht das Potenzial der gemeinschaftlichen Vergabe der beiden gegenüberliegenden Baufelder darin, dass attraktive Erdgeschossnutzungen die Wohngasse aktivieren können.

Das grösste Baufeld, H1, mit der Stirnseite entlang der Hardstras­se, erhält die Eisenbahner Baugenossenschaft beider Basel (EBG). Die erst 2013 gegründete Wohnbaugenossenschaft Hagnau (WBG Hagnau) erhält das Baufeld L1. Damit entschied sich die Gemeinde Birsfelden letztlich für ein rein genossenschaftliches Quartier.

An der Gemeindeversammlung 2024 wurde die Vergabe der Baurechte gutgeheissen. Die Verfahrenswahl überliess die Gemeinde den drei Baurechtnehmerinnen.

H1: EBG – Clauss Kahl Merz Atelier

Das Baufeld H1 bildet den Eingang zum Areal, wodurch die Herausforderung in der Beziehung zwischen Aussenraum und Erdgeschosszone liegt. Die Gemeinde formulierte in der Ausschreibung explizit den Wunsch nach einem Kopfbau mit quartiersorientierter Nutzung im Erdgeschoss entlang der Hardstras­se sowie einem Längsbau, der sowohl mit der Winkelgasse im Nordwesten als auch mit den tiefer gelegenen Gärten im Südosten interagiert.

Die EBG lancierte einen Projektwettbewerb auf Einladung, aus dem Clauss Kahl Merz Atelier aus Basel als Siegerteam hervorging. Die insgesamt 30 Wohneinheiten in Kopf- und Längsbau sind in 2.5- bis 5.5-Zimmer-Wohnungen aufgeteilt. Dabei misst eine 3.5-Zimmer-Wohnung kompakte 69 m². Ganz im Sinne einer modernen Genossenschaft bietet der Entwurf Joker- oder Gästezimmer sowie die Möglichkeit, grössere Wohneinheiten zu Cluster-­Wohnungen umzubauen.

L2: Wohnstadt – Jaeger Koechlin Architekten

Wohnstadt legte bei der Ausschreibung des Studienauftrags grossen Wert auf Themen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit und lud dafür bewusst fünf junge Basler Büros ein. Durch die Wahl eines Verfahrens mit Zwischenbesprechung konnten im Prozess erarbeitete Erkenntnisse mit allen Verfahrensteilnehmern geteilt werden.

Der Entwurf von Jaeger Koechlin Architekten setzte sich durch. Er beachtet die Möglichkeiten des nachhaltigen Bauens auf mehreren Ebenen: Das Gebäude ist so konzipiert, dass es am Ende seiner Lebensdauer demontiert und das verbaute Material wiederverwen­det werden kann.

Gleichzeitig ermöglicht der streng gerasterte Holzbau eine flexible Anpassung der Wohnungsgrössen. Der Wohnungs­spiegel der insgesamt 20 Einheiten sieht einen Mix aus «Regular»- und «Budget»-Wohnungen vor. So hat etwa eine 3.5-Zimmer-Wohnung des Typs «Regular» 85 m², eine 3.5-Zimmer-Wohnung des Typs «Budget» nur 75 m².

H25: Wohnstadt – Salewski Nater Kretz

Weitere 30 Wohnungen kann Wohnstadt im Bestandsbau auf der Parzelle des Gebäudes H25 realisieren. Salewski Nater Kretz beplanten die ehemalige Druckerei aus den 1950er-Jahren bereits in einer Machbarkeitsstudie parallel zum Quartierplan. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Baurechts­nehmerevaluation gleich mit ausgeschrieben. 

Durch behutsame Eingriffe in den Bestand erhält der Entwurf den Charakter des 63 m langen Gewerbebaus mit seiner regelmässigen Aufteilung von Fenstern und Stützen. Er sieht auf allen vier Etagen kostengünstige 1.5- bis 3.5-Zimmer-Maisonette- und Geschosswohnungen vor.

L1: WBG Hagnau – Atelier Atlas und Nussbaumer Trüssel Architekten

Die WBG Hagnau konnte im kooperativen Workshopverfahren mit den beiden Basler Büros Atelier Atlas Architektur und Nussbaumer Trüssel Architekten in mehreren Sitzungen den Entwurf ihres zweiten Wohnprojekts diskutieren und weiterentwickeln. Wie alle Neubauten auf dem Areal ist auch der Entwurf auf der Parzelle L1 in Holzbauweise geplant.

Das Team unterteilt das viergeschossige Gebäude in einen Kopf- und einen Längsbau, wobei der Kopfbau nicht zur Strasse hin, sondern bewusst in Richtung Quartier ausgerichtet ist und damit auch auf dem etwas abseitigen Grundstück die Zugehörigkeit zum neuen Genossenschaftsquartier betont. Zu den insgesamt 17 Wohnungen mit zwei bis fünf Zimmern bietet der Entwurf Platz für zwei Flexzimmer und quartierdienliche Gemeinschaftsnutzungen im Erdgeschoss.

Beispielhafte Planung

Durch die Abgabe der Parzellen im vergünstigten Baurecht, das Mitspracherecht der Bevölkerung und die Qualitätssicherung durch den Wettbewerb entsteht in Birsfelden ein neues Quartier mit hoher Lebensqualität. Dank des Spekulations­verzichts der Genossenschaften können die Wohnungen zur Kostenmiete abgegeben werden und bleiben langfristig günstig.

Die Sorgfalt der Qualitätssicherung aller Beteiligten in diesem Projekt ist bemerkenswert. Sowohl die präzise und transparente Evaluation der Baurechtsnehmer durch die Gemeinde als auch die ausgelobten Varianzverfahren durch die Genossenschaften versprechen ein gut durchdachtes und nachhaltiges Wohnquartier.
 

Gewinnerteams der einzelnen Verfahren


Gebäude L2 – Wohnstadt: «Design to Assembly»
Jaeger Koechlin, Basel; B3 Kolb, Winterthur; Senn Technology, Dübendorf
(Studienauftrag auf Einladung)


Gebäude H1 – EBG: «Birshölzli»
Clauss Kahl Merz Atelier für Städtebau und Architektur, Basel; Perita, Zürich; ZPF Ingenieure, Basel; Bakus Bauphysik, Zürich; Waldhauser + Hermann, Münchenstein
(Planerwahlverfahren auf Einladung)


Gebäude H25 – Wohnstadt: «Ohne Titel»
Salewski Nater Kretz, Zürich
(Machbarkeitsstudie / Direktauftrag)


Gebäude L1 – WBG Hagnau: «Ohne Titel»
Atelier Atlas Architektur, Basel; Nussbaumer Trüssel Architekten und Gestalter, Basel 
(Workshopverfahren)


Kosten
 

Baurechtsparzelle H1 (1451 m²):
Baurechtszins 157 000 Fr./Jahr *

Baurechtsparzelle L2 (959 m²):
Baurechtszins 85 400 Fr./Jahr *

Baurechtsparzelle H25 (1401 m²):
Baurechtszins 130 800 Fr./Jahr *

Baurechtsparzelle L1 (1237 m²):
Baurechtszins 71 800 Fr./Jahr *

Kosten Machbarkeitsstudie nach Abschluss Baurechtsvertrag: 98 000 Fr.

*  Nach fünf Jahren, Anpassung auf Grundlage des effektiven Projektwerts.


Voraussichtliche Mietpreise

WBG Hagnau: rund 24 Fr./m² 
(vergleichbare Neubauprojekte in Birsfelden liegen bei rund 29 Fr./m²). Definitive Angaben: Anfang 2026. EBG und Wohnstadt: noch keine Angaben.

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