Weiterbauen am 4-Meter-Korridor
Gütertransitachse Basel–Chiasso
In den kommenden Jahren wird die Alpentransversale über den Gotthard zur europäischen Güterverkehrsachse ausgebaut; Bund und SBB investieren mindestens eine weitere Milliarde Franken in zusätzliche Tunnels, Spurerweiterungen und Sicherheitsmassnahmen, teilweise sogar im Ausland.
Um den Gütertransport über die Alpen von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, wollen die SBB die Strecke von Basel ins Tessin bis 2020 zum durchgängigen 4-Meter-Korridor ausbauen. Mit den Basistunnels am Gotthard und durch den Monte-Ceneri werden aber nur zwei Flaschenhälse behoben. Denn damit ein Lkw-Sattelauflieger mit Eckhöhe von 4 m im Huckepack behinderungsfrei von Norden nach Süden oder in Gegenrichtung transportiert werden kann, sind viele weitere Tunnels oder Bahnhofsdurchfahrten zu erweitern. Gemäss aktuellem Projektstand sind die SBB daran, das Lichtraumprofil von rund 20 Galerien, Überführungen und mittelgrossen Tunnels, mit einer Gesamtlänge von über 10 km, anzupassen. Der Neubau des doppelspurigen Bözbergtunnels für rund 350 Mio CHF bildet den aktuell grössten Brocken.
Zusätzlich werden reguläre Substanzerhaltungs- und Instandstellungsvorhaben an der SBB-Infrastruktur mit den neuen Kapazitätsbedürfnissen kombiniert. An über 80 Stellen müssen die Verbindungs- und Zubringerstrecken zwischen Basel und Chiasso baulich und technisch angepasst werden; benötigt werden Spurausbauten, Signalisationsverbesserungen und weitere Massnahmen zur Verkürzung der Zugfolgezeiten. Anzupassen ist dazu eine Infrastruktur, die teilweise bis zu 150 Jahre alt ist. Regionale Ausbauschwerpunkte sind die Schienennetze zwischen Basel und Brugg, die Strecken dem Zuger- und Urnersee entlang sowie die untere Leventina respektive das Mendrisiotto im Tessin (vgl. Infografiken oben). Die SBB-Linie zwischen Zug und Arth-Goldau wird voraussichtlich zwischen 2017 und 2018 etwa 18 Monate still gelegt.
Zusätzliches Geld und mehr Strom
Das Parlament in Bern hat einen Sonderkredit von 710 Mio. Franken aus dem ZEB-Topf (Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur ZEB; vgl. TEC21 5-6/2014) genehmigt, um damit die Hauptelemente des Transitkorridors, ergänzend zum Gotthard-Basistunnel, zu bezahlen. Alles übrige haben die SBB über das laufende Unterhalts- und Instandstellungskonto der Leistungsvereinbarung mit dem Bund zu finanzieren.
Doch damit nicht genug: Auch die Stromversorgung der SBB braucht zusätzliche Investitionen. Das Laufkraftwerk in Amsteg wurde bereits ausgebaut; die Stromausbeute aus dem Ritomsee soll nun ebenfalls gesteigert werden. Zudem will der Bahnbetreiber mehr Energie aus dem eigenen Wasserkraftwerk in Massaboden VS beziehen, wofür jedoch die Übertragungsleitungen über den Nufenenpass auszubauen sind.
Der maximale Leistungsbedarf auf der Gotthard-Bergstrecke liegt aktuell bei 50 MW. Nach Inbetriebnahme der Basistunnels steigt der geschätzte Bedarf auf mindestens 80 MW (Regelbetrieb) und höchstens 160 MW. Mehr Strom benötigen insbesondere die Personenzüge: Die Tunnels werden mit höherer Geschwindigkeit durchfahren, wobei sich der Luftwiderstand ebenfalls erhöht. Der Huckepack- und Güterverkehr wird dagegen sparsamer abgewickelt: Das geringere Gefälle reduziert den Energieverbrauch um 33 %, schätzen die SBB.
Und die Anschlüsse an den Grenzen?
Die Nordzufahrt aus Deutschland erfolgt über die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Auch die Deutsche Bahn will diesen Abschnitt «zum Herzstück des europäischen Güterkorridors zwischen Rotterdam und Genua» erweitern. Das Gesamtprojekt auf einer Streckenlänge von 182 km wird von der EU gefördert und benötigt zusätzliche Beschlüsse des Bundestags. Bereits im Dezember 2012 wurde der 17.6 km lange Katzenbergtunnel südlich von Freiburg in Betrieb genommen; im Bau befindet sich ein weiterer Tunnel in Rastatt. Zudem soll auch die Kapazität für Durchfahrten im Badischen Bahnhof in Basel bis 2019 erweitert sein.
Südlich von Chiasso wird der Anschlussstandard im Vergleich dazu Lücken aufweisen. Zwar ist auch hier die Fortsetzung des 4-Meter-Korridors bis nach Mailand beabsichtigt. Doch vorerst konzentrieren sich die Baumassnahmen auf die Luino-Linie: Die Bahnstrecke zwischen der Schweiz und Italien, die dem Lago Maggiore entlangführt, wird ab dem Grenzort Ranzo über Sesto Calende nach Gallerate/Novara ausgebaut. Hierfür hat das Parlament in Bern einen Kredit von 280 Mio. Franken bereitgestellt.
Seit Januar 2014 regelt ein Staatsabkommen zwischen den beiden Nachbarstaaten die Finanzierungshilfe: Die Schweiz leistet einen A-fonds-perdu-Beitrag von rund 150 Mio. Franken, damit ein Hupac-Terminal nordwestlich von Mailand an die Transitroute angeschlossen werden kann. Demgegenüber hat sich Italien verpflichtet, die Strecke Mailand–Chiasso für 50 Mio Franken auszubauen. Wie und ab wann der parallel dazu angestrebte Ausbau der südlichen Anschlüsse an die Simplonstrecke erfolgen soll, ist noch nicht konkretisiert.