Und nichts buhlt um Auf­merk­sam­keit

Neubau: Gondelbahn Espel–Stöfeli–Chäserrugg, Toggenburg

Am 22. Januar 2016 wurde die neue Gondelbahn Espel–Stöfeli–Chäserrugg eingeweiht. Sie gewährleistet die Hauptverbindung der drei Toggenburger Skigebiete Wildhaus, Unterwasser und Alt St. Johann; Herzog & de Meuron haben drei Stationen dazu entworfen.

Publikationsdatum
26-01-2016
Revision
27-01-2016

Es sind nicht die ersten Bauten, die die Basler Pritzker-Preisträger auf der Chäserrugg erstellt haben. Im Juni 2015 wurde das neue Gipfelgebäude mit Restaurant eröffnet – ein spektakulärer Holzbau, über den wir in TEC21 ausführlich berichten werden.

Dabei ist das Chäserrugg-Gebiet alles andere als trendy. Es ist eine ruhige, beschauliche Gegend, das viele Ostschweizer von den Skilagern ihrer Kindheit her kennen. Gämsen grasen auf den kahlen Felsen, auf den Schneefeldern zeichnen sich Hasenspuren ab; es wird auch in höheren Lagen noch Landwirtschaft betrieben, und die Gegend ist weitgehend frei von den aufgeregten Freizeitarchitekturen der letzten Dekaden.

Genau so soll es auch in Zukunft bleiben, so die Strategie der Toggenburg Bergbahnen AG, aber wettersicherer und bequemer. Die architektonische Antwort von Herzog & de Meuron ist entsprechend leise und kultiviert. Die Talstation Espel (1262.5 m. ü. M.) und die Bergstation Chäserrugg (2071.5 m. ü. M.) orientieren sich in ihrem Volumen an den lokalen Scheunen.

Das auf einen Betonsockel aufgesetzte Stahltragwerk ist an den Fassaden mit Welleternitplatten verkleidet, das Statteldach mit Eternitschindeln gedeckt; das graue Material erinnert an verwittertes Holz und kommt auch an den umgebenden Landwirtschaftsbauten vor. Die Stationen sind thermisch nicht isoliert, die Arbeitsräume der Mitarbeitenden – Kasse und Überwachungszentrale – sind in Holzhäuschen innerhalb der grossen Hülle untergebracht.

Die Mittelstation Stöfeli (1681.5 m. ü. M.), die auch als «Garage» für die 98 Gondeln dient, ist deutlich grösser. Der Betonbau duckt sich am Rand eines Lawinenhangs und erinnert an Strassengalerien zum Schutz vor Steinschlag und Schneerutschen. Radial angeordnete Betonüberzüge tragen das Betondach, das zum Teil mit Erdreich und Geröll eingedeckt wird, um die Station besser in die Topografie einzubetten. Die Fassade ist auch hier mit Welleternit verkleidet.

Den drei Stationen ist die zurückhaltende, gepflegte Architektursprache gemeinsam: einfache Materialien (Stahl, Holz, Eternit, Beton), wenige Farben, schlichte Formen, auch das kleinste Detail ist liebevoll entworfen, und nichts buhlt um Aufmerksamkeit. Selbst bei den technischen Anlagen hat man darauf geachtet, die Teile so weit wie möglich farblich aufeinander abzustimmen. Die Kabinen sind frei von Werbung, die Gäste werden nicht mit Musik beschallt, und auch Skibars und künstliche Palmen gibt es hier nicht. Reine Idylle also – die nicht einmal durch einen Ansturm von Architekturtouristen ernsthaft getrübt werden kann.


Zahlen und Fakten

Baueingabe: Oktober 2014
Beginn Bauarbeiten: Juni 2015
Einweihung: 22. Januar 2016

Talstation Espel (1262.5 m):

  • Raumprogramm: überdachter Ein-/Ausstiegsbereich für Passagiere der Bahn, Kommandoraum, Traforaum und Kompressorraum
  • Erdgeschoss: 600 m2; Länge: 40.5 m; Breite: 15.0 m; Höhe: 9.0 m


Mittelstation Stöfeli (1681.5 m):

  • Raumprogramm: überdachter Ein-/Ausstiegsbereich für Passagiere der Bahn; Kommandoraum, öffentliche Toiletten und SOS-Raum; Perrongeschoss: Garage für die Gondelkabinen; Untergeschoss: Antriebs- und Technikräume
  • Garage: 1000 m2; Stationsbereich: 700 m2; Untergeschoss: 270 m2; Höhe: max. 13.0 m


Bergstation Chäserrugg (2071.5 m):

  • Raumprogramm: überdachter Ein-/Ausstiegsbereich für Passagiere der Bahn; Kommandoraum; Untergeschoss: Einstellfläche für Pistenfahrzeuge
  • Untergeschoss: 170 m2; Obergeschoss: 540 m2; Länge: 38.0 m; Breite: 15.0 m; Höhe: 14.5 m / 8.5 m

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Toggenburg Bergbahnen (TBB), Unterwasser


Bauherrenvertretung
Mélanie Eppenberger, Präsidentin TBB


Architektur
Herzog & de Meuron Ltd., Basel


Bauingenieur
Casutt Wyrsch Zwicky AG


Brandschutzgutachter
Swissi, Wallisellen


Elektroplaner
Kolb Elektro SBW, Haag


Elektroplaner Mittelspannung
Kolb el-consult, Oberriet


Lüftungsplaner
Lippuner Energie- und Metallbautechnik AG, Grabs - Werk 1,2,3


Seilbahninfrastruktur
Garaventa AG


Bauphysik
Zimmermann + Leuthe GmbH


Umweltbaubegleitung
Geos, Degersheim


Ausführende Unternehmen

Baumeister: E. Weber (Federführung), Wattwil; Schällibaum Bau, Alt St. Johann; Gebr. Alpiger Tiefbau und Transporte, Alt St. Johann; Bischof Bauunternehmung, Alt St. Johann, Schweiz
Bedachungen/Fassadenbekleidungen: Heinz Brändle Bedachungen, Alt. St.Johann
Bedachungen Flachdach: Bühler Bedachungen, Romanshorn
Gondelkabinen: CWA Constructions, Olten
Holzbau: Blumer - Lehmann (Federführung), Gossau; Abderhalden Holzbau, Wattwil; Forrer & Abderhalden, Unterwasser; Schreinerei Stolz, Unterwasser
Holzbau – Bedachungen: Bühler Bedachungen, Romanshorn
Holzbau – Bodenbeläge: Geisser Innenausstattung, Ebnat-Kappel
Holzbau – Doppelboden: Lenzlinger Söhne, Nänikon
Holzbau – Fenster: Looser Fensterbau, Wattwil
Lüftung: Lippuner Energie- und Metallbautechnik, Grabs
Metallbau: Tobler Haustechnik + Metallbau, Neu St. Johann
Sanitär: Tobler Haustechnik + Metallbau, Neu St. Johann
Seilbahn Steuerungen: Frey, Stans
Seilbahntechnik: Garaventa, Goldau
Stahlbau: Aepli Stahlbau, Gossau
Torbau: Mettler Torsysteme, St. Gallen

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