Trou­vail­le am Zü­rich­see

Beim Mehrfamilienhaus im Küsnachter Wiesengrund gehen Gestaltung, Ökologie und Energieeffizienz Hand in Hand. Der Entwurf verbindet technische Lösungen mit hohen gestalterischen Ansprüchen – bei ausgeglichener Energiebilanz.

Publikationsdatum
07-05-2015
Revision
07-10-2015

Der Neubau mit vier Eigentumswohnungen, der im vergangenen Frühjahr in Küsnacht bezogen wurde, ersetzt ein dreigeschossiges Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten aus den 1950er-Jahren oberhalb der Bahnlinie entlang des Zürichsees. Das Grundstück liegt in einem Wohnquartier mit viel Grün, das geprägt ist von Mehr- und Einfamilienhäusern und villenähnlichen Bauten mit meist mehreren Wohnungen. 

Bei Form und Gestaltung des Baukörpers liessen sich die Ar­chitekten Lukas Krayer und ­Michael Smolenicky vom Bild einer Art-déco-­Kommode leiten: ein ­Möbelstück aus dunkel lackiertem Holz mit abge­rundeten Ecken und Metalleinfassungen. Das Attikageschoss dagegen erinnert mit seiner silbrigen Verkleidung an den Deckel eines Flakons.

Neben dieser bildhaften Annäherung an das Äussere ging es darum, für die Lage der Parzelle in einer Kurve an einem leicht geneigten Hang die passende Volu­metrie zu entwickeln. Dies gelang, indem die trapezförmige Grundform des Hauses die Grundstücksgrenzen aufnimmt: Während der Grundriss strassenseitig leicht gekrümmt ist, läuft er zur Bahnlinie in eine Spitze. 

Das erste Minergie-A-Eco-Mehrfamilienhaus im Kanton Zürich beweist, dass energieeffizientes und ökologisches Bauen selbst­ver­ständlicher Teil einer archi­tek­to­nischen Haltung sein kann. Die ­Bauherrschaft wünschte ein Nullenergiegebäude – auch als Verpflichtung gegenüber künftigen Gene­rationen. Während der Planung entschied man sich für den damals gerade neuen Minergie-A-Eco-­Standard.

Zur Strasse hin zeigt sich das Haus verschlossen: Hinter einer vertikalen Schalung aus dunkel lackiertem Holz verbergen sich die kleinen Fensteröffnungen der Badezimmer. Einzig die weisse Eingangs­türe mit Vordach bricht die strukturierte, dunkle Wand, die seitlich über abgerundete Ecken in die drei anders gestalteten Fassaden übergeht. Sie bestehen aus gross­forma­tigen Mineralfaserplatten mit feinen, hellen Fugen, in die die mit weissen Rahmen gefassten, geschosshohen und nahezu quadratischen Fenster eingelassen sind. ­Das Attikageschoss hebt sich ab: In den mit silbrig lackierten Mineralfaserplatten verkleideten Körper sind die Fenster rahmenlos ein­geschnitten oder als Loggia ausgebildet.

Raumkontinuum im Innern

Das Innere ist um den Kern mit Treppe und integrierten Schächten organisiert, was bis auf die Wohnung im EG rundum laufende Grundrisse erlaubt. Im Bereich der öffentlichen Erschliessung ist der Kern in rohem Beton belassen, in den Wohnungen erscheint er als weisses Möbel mit dunklen Einbauten. Alle vier Geschosse sind ähnlich organisiert: Neben dem Kern in der Mitte mit Küche, Bad und Einbauten gibt es nichttragende Leichtbauwände, die zum Kern hin mit Schiebetüren geschlossen werden können. Dadurch entsteht ein fliessender Raum, der trotzdem Rückzugsmöglichkeiten bietet. Im Attikageschoss erfolgt diese Unterteilung nicht durch eingefügte Wände, sondern durch den kreuzförmigen Grundriss.

Die Räume leben vom Zusammenspiel der dunklen Einbauelemente mit den weissen Wänden und Decken und dem hellen Eichenboden. Grüne Pigmente im Farbanstrich werden je nach Lichteinfall aktiviert – die Wände wirken mal leicht schimmernd, mal matt. Die grossformatigen Schiebefenster mit massiven Holzrahmen in Eiche erscheinen wie übergrosse Wandbilder. Sind sie geöffnet, fühlt man sich im Freien. Insbesondere das Gartenzimmer– jeweils in der südwestlichen Hausecke gelegen – wird mit offenen Fenstern und den Zementmosaikplatten mit floralem Muster zu einer Art Aussenraum, der gleichzeitig Teil der Wohnung bleibt.

Dank eigener Heizungssteuerung und entsprechend angeordneter Dämmung an Boden, Decke und Wand zum Wohnraum lässt sich das Zimmer als Balkon, als beheizter Wintergarten oder auch als weiterer Wohnraum nutzen. Eine Erfindung, auch in konstruktiver Hinsicht, sind die Fensternischen: Sie sind mit wetterbeständigen Kunststoffkissen belegt – hier kann man bei offenen Fenstern gemütlich sitzen.

Für die Realisierung dieser dem Wetter ausgesetzten Sitzbänke war eine konstruktive Lösung gefragt, die es erlaubte, das anfallende Regenwasser abfliessen zu lassen – dies geschieht heute durch eine verdeckte Rinne mit Speiern nach aussen. Zudem mussten die Glasbrüstungen in der äusseren Schicht der Aussenhülle verankert werden. Das gelang durch die Auflage auf die Holzelemente der Aussenwandkonstruktion, die über einen tragenden Massivholzkern verfügen.

Das Holz für diese Elemente stammt aus den Wäldern des Pfannenstiels – nur ein Detail der bewusst umweltschonenden Bauweise: Es wurde ausschliesslich Recyclingbeton verwendet, die Innenseiten des Baus sind mit Lehmbauplatten verkleidet. Zusammen mit dem eingesetzten Lehmputz entsteht so ein gutes Raumklima. Die Decke des Attikageschosses ist mit latent wärmespeichernden Lehmbauplatten versehen, die Temperaturspitzen im Sommer ausgleichen.


Gebäudetechnik aus dem Lehrbuch

Die Energiebereitstellung folgt einem klassischen Schema (vgl. Grafik) und nützt drei erneuerbare Energiesysteme. Die 10-kWp-PV-Anlage ist mit einer Neigung von 10 ° gegen Süden ausgerichtet. Sie deckt den Strombedarf der Wärmepumpe und der kontrollierten Wohnraumlüftung, die einen Enthalpie­wärmetauscher nutzt, der neben Wärme auch Feuchtigkeit rückgewinnt, was sich positiv auf das Raumklima auswirkt. Energieüberschüsse werden ins Netz eingespeist, das als Speicher fungiert.  Im Untergrund neben dem Ge­bäude befinden sich zwei 250 m tiefe Erdsonden. In ihnen zirkuliert, betrieben durch die Wärmepumpe (20 kW, JAZ 4.6), ein Wasser-Ethylenglykol-Gemisch, das die Erdwärme an den Kombi­speicher im Untergeschoss abgibt. In einem gesonderten Kreislauf wird daraus die Fussbodenheizung gespeist. Die sommerliche Kühlung funktioniert über dasselbe System. Die Solarthermieanlage nimmt auf der Hauptdachfläche 23 m2 ein. Die durch sie gewonnene Wärmeenergie dient der Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung.  Da es nur einen gemeinsamen Zähler für die Photovoltaikanlage und den zugekauften Strom gibt, lässt sich nicht in absoluten Zahlen sagen, wie viel elektrische Energie selbst produziert und wie viel vom Netz bezogen wird. Angezeigt wird lediglich die Differenz. Diese fiel im ersten Betriebsjahr leicht negativ aus, doch waren damals noch energieintensive Bauarbeiten im Gang. Ob im Normalbetrieb der ge­samte Bedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, lässt sich daher erst nächstes Jahr sehen.
(Nina Egger, Redaktion TEC21)

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Thomas Krayer, Zürich


Architektur
Krayer & Smolenicky Architekten, Zürich


Tragwerkplanung
Urech Bärtschi Maurer, Zürich


Holzbauplanung
Timbatec Holzbauingenieure Schweiz, Zürich


Bauphysik
Bakus Bauphysik & Akustik, Zürich


HLKS-Planung
Ernst Basler + Partner, Zürich


Landschaftsarchitektur
Lorenz Eugster Landschafts­architektur und Städtebau, Zürich

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