Tag der Far­be: Chan­cen und Gren­zen der Par­ti­zi­pa­ti­on

Das Haus der Farbe in Zürich widmete seinen traditionellen «Tag der Farbe» heuer der Partizipation in Gestaltungsprozessen. Unter welchen Voraussetzungen können künftige Nutzer als Partner in Entwurfsprozesse eingebunden werden? Inwiefern tragen partizipative Methoden dazu bei, die Kluft zwischen den ästhetischen Vorstellungen der Fachleute und den Bedürfnissen der Auftraggeber zu überbrücken?

Publikationsdatum
29-09-2013
Revision
30-10-2015

Die Tagung vom 27.September 2013 berücksichtigte für einmal keine Fragen der Farbgestaltung; dieser Themenwahl mag es geschuldet sein, dass das Haus der Farbe weniger gut besucht war als in früheren Jahren. Die Qualität der Veranstaltung war indes hoch und brachte die Chancen und Grenzen der Partizipation eindrücklich auf den Punkt.

Sonja Hörster vom Institut für partizipatives Gestalten Deutschland berichtete aus ihrer Praxis und widersprach gleich zu Beginn der Tagung dezidiert dem gängigen Klischee, partizipative Prozesse müssten partikuläre Forderungen in Einklang bringen. Im Gegenteil: Partizipation funktioniere nur dann, wenn es dank guter Moderation gelinge, die Ebene des persönlichen Geschmacks des Einzelnen zu verlassen und sich auf gemeinsame Werte zu einigen, die es zu erreichen gelte. Zu definieren sei also immer das Ziel; die Mittel zu finden, um es zu erreichen, sei Sache der Fachleute. Dennoch können alle Beteiligten ihre jeweiligen Stärken und Kompetenzen im Sinne der gemeinsamen Sache einbringen.

Einen gegenteiligen Ansatz vertrat Nevena Torboski von der drumrum Raumschule Basel. Ihre Arbeit mit Schulkindern, die beispielsweise bei der Gestaltung ihres Pausenhofes beigezogen werden, mündet teilweise in ganz konkreten Vorschlägen zuhanden der professionellen Gestalter. Die Arbeit der Moderation bestehe dann häufig auch darin, den Kindern zu erläutern, warum bestimmte Ideen nicht eins zu eins umgesetzt werden können. Dennoch wertete sie die Ergebnisse dieses Ansatzes positiv, erhöhe er doch die Identifikation der Kinder mit jenen Schulanlagen, in denen sie immerhin einen grossen Teil ihrer Tage verbringen.

Beim Einsatz von Paul Dominik Hasler vom Netzwerk Altstadt geht es im Gegensatz dazu kaum um Gestaltungsfragen. Vielmehr dient seine Moderation dem Ziel, die Hausbesitzer krisengeschüttelter Altstädte Gasse für Gasse an einen Tisch zu bringen, um minimale Ziele und Standards für die weitere Entwicklung zu definieren. Welche Nutzungen sind erwünscht? Kann man sich auf eine gemeinsame Sanierungs- und Vermietungstrategie einigen? Bei diesen Prozessen spiele die Eigenverantwortung – und letztlich das Handeln und die Investitionen – der Beteiligten die Hauptrolle; der einzige, allerdings entscheidende, Beitrag der Politik bestehe darin, die Wichtigkeit des Projekts anzuerkennen.

Deutlich weniger Entscheidungsbefugnis haben die Teams, mit denen Bettina Atzgerstorfer, Key Account Managerin bei Vitra, in der Regel arbeitet. Der Möbelhersteller, der in den letzten 20 Jahren bei den eigenen Büros den weiten Weg zum offenen, flexiblen und Kommunikation fördernden «citizen office» zurückgelegt hat, bietet als Dienstleistung an, Kunden auf ihrem Weg zum effizienten Büro beratend zu begleiten. Im Zentrum stehen Workshops mit den Teams, die gemeinsam überlegen, wie ihre Arbeitsabläufe räumlich organisiert werden können und welche Atmosphäre herrschen solle. Das Ergebnis seien Konzepte, der Verkauf von Möbeln sei nicht Teil des Auftrags.

Auch hier wurde deutlich, was in allen Vorträgen immer wieder aufschien: Wenn partizipative Prozesse dazu missbraucht werden, bereits getroffene Entscheidungen «aufzuhübschen», werden sie zu Manipulationswerkzeugen. Die gleiche Methode kann die Eigenverantwortung der Beteiligten stärken oder zur Farce degradieren. Ihre Ergebnisse können sich in der Erkenntnis «gut, haben wir darüber gesprochen» erschöpfen oder grundlegende Umwälzungen hervorrufen. Es gibt noch viel zu lernen.

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