Die Ver­ant­wor­tung von Wett­be­werbs­be­glei­tern und Preis­ge­richt

Die Auslober benötigen bei der Vorbereitung und Durchführung eines ­Wettbewerbs viel Sachverständnis. Eine kompetente Begleitung klärt die Machbarkeit der Aufgabe ab und schlägt ein geeignetes Verfahren vor. Teamfähige und kommunikative Jurymitglieder sorgen für einen breit ­abgestützten Konsens bei der Beurteilung der Beiträge.

Publikationsdatum
20-02-2020
Monika Jauch-Stolz
Dipl. Arch. ETH/SIA, Präsidentin der Kommission für Wettbewerbe und Studienaufträge SIA 142/143

Professionelle oder private Bauherrschaften, die ein Wettbewerbsverfahren für ihren Bauwunsch anwenden, suchen sich als erste Ansprechperson einen geeigneten Berater. Die Wahl dieser Vertrauensperson ist entscheidend für das Gelingen des Verfahrens. Der Berater analysiert den Bauwunsch, stellt sicher, dass die Aufgabe realisierbar ist, die finanziellen Mittel vorhanden sind und das Gelände für die Aufgabe geeignet ist. Diese Abklärungen bedingen eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Bauaufgabe. Oft wird eine Machbarkeitsstudie verfasst, die diese Fragen zu klären hilft. Ob der Berater dies eigenständig macht oder einen geeigneten Architekten dafür sucht, hängt von seinen Kompetenzen ab. Der Berater muss in der Lage sein, einen nachhaltigen, für alle Beteiligten fairen, aber auch wirtschaftlich interessanten Weg zu empfehlen. Professionelle Bauherrschaften verfügen in der Regel über eigene Berater. Private oder kleinere professionelle Bauherrschaften, wie kleinere Gemeinden, wenden sich an einen externen Berater.

Die Auswahl an Beratern ist gross, dementsprechend schwierig kann sich die Suche gestalten. Am besten geeignet sind Berater, die selbst schon an solchen Verfahren teilgenommen haben. Empfehlungen spielen eine wichtige Rolle, schliesslich muss zwischen Berater und Bauherr ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Idealerweise können die Berater aus eigener Erfahrung einschätzen, welches Verfahren am geeignetsten ist und wie ein schlanker Wettbewerb aussieht.

Der Berater handelt fair

In den Ordnungen SIA 142 (Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe) und SIA 143 (Ordnung für Architektur- und Ingenieurstudienaufträge) wird im Artikel 9.2 auf den Berater verwiesen. Beschäftigt sich Artikel 9 generell mit der Rolle und den Zuständigkeiten des Auftrag­gebers in einem Verfahren, so präzisiert Art. 9.2 die Rolle des Beraters: «Der Auftraggeber zieht […] Fach­leute zur Beratung bei. Diese müssen mit dem Wettbewerbswesen vertraut und so qualifiziert sein, dass sie den Auftraggeber kompetent be­raten können. […]». In der Wegleitung «Wettbewerbsbegleitung» sind die Empfehlungen dazu zu finden. Der Berater ist somit verantwortlich für eine hohe Baukultur und handelt fair gegenüber der Bauherrschaft als Auftraggeber und den Teil­nehmenden als Auftragnehmer. Die Regeln sind allen Parteien klar. Es herrscht ein Konsens darüber, was verlangt werden darf, einerseits und die Gewissheit, dass alle Teilnehmenden fair behandelt werden, andererseits.

Der Berater hört auf die Wünsche der Bauherrschaft. Gleichzeitig ist es seine Pflicht, die Bauherrschaft zu beraten, was die ­Voraussetzungen für ein faires Ver­fahren sind. Gerade unerfahrene Bauherren sind darauf angewiesen, dass der Berater massgeschneiderte Beratungen liefert und nicht vorangegangene Verfahren kopiert. Denn die Art des Verfahrens richtet sich immer nach der Aufgabenstellung. Copy-Paste-Programme sind der Bauherrschaft nicht dienlich und erleichtern nur die Aufgabe des ­Beraters. Selbstredend, dass diese Leistung ihren Preis hat.

Die Wahl des Verfahrens

Die Art der Bauaufgabe bestimmt das geeignete Verfahren. Es ist also die Analyse der Aufgabe, die zuerst erfolgen muss, bevor das dazu passende Verfahren bestimmt wird. Auch das ist die Aufgabe des Beraters. Ist die Bauaufgabe so gelagert, dass das Programm definiert, das Gelände klar beschrieben und umgrenzt ist, alle baurechtlichen Randbedingungen gelöst und alle beteiligten Interessenvertreter involviert sind, kann der Wettbewerb im offenen Verfahren erfolgen. Ist die Aufgabe kompliziert und verlangt einen Erfahrungsnachweis mit einer ähnlichen Aufgabe, ist allenfalls eine Selektion der Teilnehmenden notwendig. Dies ist aber eher die Ausnahme. Denn es sind in der Regel die offenen Verfahren, die eine breite Palette von Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Ist eine Bauaufgabe sehr komplex im Hinblick auf das Festlegen des Programms, der Beschaffenheit des Perimeters oder der Komplexität des Auslobers, mag ein Studienauftrag die richtige Lösung sein.

Bei diesem Verfahren findet ein Dialog in Form einer oder mehrerer Zwischenbesprechungen statt, der hilft, das weitere Vorgehen zu justieren. Die Teilnehmerzahl ist aber stark reduziert, und die Lösungen sind demzufolge eingeschränkt. Zudem kann das Beurteilungsgremium bei der Zwischenbesprechung Einfluss nehmen, was die Vielfalt der Lösungen einschränkt, weil die Gefahr besteht, dass die Projekte einander angeglichen werden. Auch ist der Umgang mit dem Wissenstransfer zwischen den Projekten eine heikle Angelegenheit: Die Urheberrechte der Verfasser dürfen nicht verletzt werden. Leider empfehlen Berater oftmals schon bei der ersten Kontaktnahme mit dem Auslober ein selektives Verfahren, ohne sich vorher vertieft mit der Komplexität der Aufgabe auseinandergesetzt zu haben.

Teamfähiges Preisgericht

Der Berater hilft der Bauherrschaft auch, ein geeignetes Preisgericht zusammenzustellen. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, weil es viel Fingerspitzengefühl braucht, um ein teamfähiges Preisgericht zu konstituieren, in dem die Chemie stimmt. Das Preisgericht besteht aus Fachpreisrichtern, Sachpreisrichtern und Experten. Die Fachpreisrichter sind gegenüber den Sachpreisrichtern in der Überzahl – beide Gruppen sind stimmberechtigt. In dieser Zusammensetzung führt das Preisgericht die Bauherrschaft zur besten Lösung, ohne dass der Anschein einer Abhängigkeit zur Aufgabe oder eine politische Ver­strickung bestehen würde.

Die Fachpreisrichter müssen sich in ähnlichen Bauaufgaben auskennen und ihre Erfahrungen der Bauherrschaft vermitteln können. Je nach Aufgabenstellung können Experten hinzugezogen werden. Diese sind nicht stimmberechtigt. Die Angst der Bauherrschaft, dass sie von den Fachpreisrichtern überstimmt wird, ist unbegründet. Das Preisgericht muss seine Probleme ausdiskutieren, und die Beschlussfassung findet erst nach einem Konsens statt. Ein erster Preis sollte immer in Einstimmigkeit aller Preisrichter erfolgen. Dies erfordert viel Einfühlungs­vermögen der Fachpreisrichter und die Bereitschaft, den Teamgeist ernst zu nehmen.

Gute Kommunikation

Auch zwischen dem Preisgericht und dem Bauherrn muss eine grosse Vertrauensbasis aufgebaut werden. Deshalb ist es notwendig, dass sich die gesamte Jury im Vorfeld, im Rahmen der Programmgenehmigung, kennenlernt. Für Programmjustierungen muss noch genügend Spielraum bleiben. Das Preisgericht hat das Schlusswort dazu. Die besten Preisrichter haben Wettbewerbserfahrung in der Rolle als Teilnehmende. Sie können somit die Anforderungen an ein Verfahren im Sinn des stufengerechten Rahmens gut abschätzen. Eine empfehlenswerte Voraussetzung wäre ebenfalls, dass sie mit den Ordnungen SIA 142 und 143 vertraut sind und die dazugehörigen Wegleitungen – im Sinn von Anwendungshilfen – kennen. Diese präzisieren den Umgang mit den verschiedenen Themen in den Ordnungen.

Preisgerichte werden – hoffentlich – immer wieder neu zusammengestellt. Der Berater sorgt dafür, dass sie so ausgewählt werden, dass die Fachpreisrichter je nach Aufgabenstellung selbst imstande sind, eine ebensolche Aufgabe zu lösen. Wichtig ist, dass das Preisgericht als Team auftritt und nicht als Menge von Einzelpersonen. Experten müssen sich genauso äussern dürfen wie die stimmberechtigten Fach- und Sachpreisrichter. Es ist Aufgabe des Beraters, in Zusammenarbeit mit dem Preisgerichtspräsidium, die Experten zur Wortmeldung aufzufordern. Nur so kann das Projekt in der Realisationsphase von allen mitgetragen werden. Ebenso wird nur eine Meinung des Preisgerichts gegen aussen kommuniziert. Eine professionelle Kommunikation erleichtert die Umsetzung des Projekts. Die Ausstellung nach dem Verfahren kann eine erste Massnahme sein. Auch hier sind Berater und Preisrichter in der Pflicht, den Auslober zu unterstützen.

Begleitung über ­Wettbewerb hinaus

Am Schluss eines Wettbewerbsverfahrens bekommt die Bauherrschaft ein städtebaulich, architektonisch und wirtschaftlich optimales Projekt, das so robust ist, dass Anpassungen im Lauf der Planung es nicht zerstören. Es bleibt die Frage, wie eine Nachpflege im Sinn einer Qualitätssicherung des Projekts aussehen könnte. Wie weit soll ein Ausschuss der Jury das Projekt weiter begleiten? Allenfalls wäre die Zeitspanne bis zur Baubewilligung sinnvoll. Berater und Preisgericht unterstützen die Bauherrschaft auch in diesen Belangen und nehmen ihre Verantwortung über den Abschluss der Wettbewerbsphase hinaus wahr.

Ordnungen praktisch: ­Berater


In dieser Reihe wird ein Thema aus den Vergabeordnungen SIA 142, 143 und 144 behandelt. Der aktuelle Text bezieht sich auf Art. 9.2 der Ordnung SIA 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe und der Ordnung SIA 143 für Architektur- und Ingenieurstudienaufträge, in dem die Rolle des Beraters definiert wird: «Der Auftraggeber zieht hierzu Fachleute zur Beratung bei. Diese müssen mit dem Wettbewerbswesen vertraut und so qualifiziert sein, dass sie den Auftraggeber kompetent beraten können. Sie beraten den Auftraggeber während des ganzen Wettbewerbs und dürfen als stimmberechtigte Mitglieder im Preisgericht Einsitz nehmen».


Die Wegleitung SIA 142i – 102 Wettbewerbsbegleitung erläutert die Aufgaben eines Beraters und dessen Verantwortung. Sämtliche Wegleitungen der Kommission SIA 142/143 können unter folgendem Link kostenlos heruntergeladen werden: www.sia.ch/142i

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