Schloss Bal­lis­wil: Lob der Spu­ren

Welches Mass an Eingriffen ist erforderlich, um zeitgenössisches Wohnen in einem vier Jahrhunderte alten Gemäuer zu ermöglichen? Bei der Renovation von Schloss Balliswil im Kanton Freiburg haben sich LVPH Architectes bewusst von den üblichen Standards entfernt.

Publikationsdatum
31-10-2019

Der Weiler mit dem Schloss von Balliswil liegt in einer hügeligen, landwirtschaftlich geprägten Gegend zwischen Dü­dingen und Freiburg. Man erblickt ein kleines, einzeln stehendes Haus, eine Scheune mit Brücke, eine Kapelle, einen landwirtschaftlichen Schuppen und schliesslich das sogenannte Schloss: ein Herrenhaus mit zwei Kopfbauten, flankiert von einem Eckturm.

Erstmals schriftlich erwähnt wird der Adelssitz im 13. Jahrhundert. Bei einem Brand im Jahr 1653 wurde er allerdings völlig zerstört und anschliessend vom damaligen Besitzer, dem Bankier Beat Jakob von Montenach, neu aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt das heutige Ensemble. Es diente als Landsitz, bevor es in jüngster Zeit als ­Bed & Break­fast und nun von privaten Eigentümern für Mietwohnungen umgenutzt wurde.

Von aussen, an der leicht verwitterten, aber einladenden Fassade des Schlosses, lässt nichts auf die jüngsten Interventionen durch LVPH Architectes schlies­sen, die von der privaten Bauherrschaft mit der Gestaltung von drei Wohnungen beauftragt wurden. Die Veränderungen sind erst zu erkennen, wenn man durch das Tor in einer Ringmauer in den grösseren der beiden Baukörper tritt, die durch einen schmalen Trakt verbunden sind.

Schloss zu mieten

In seinem Innern beherbergt der Bau pro Etage je eine Wohnung: Die erste mit einer Grundfläche von 142 m2 liegt im Zwischengeschoss, das man durch die alte Kellertür betritt; die zweite, 175 m2 grosse befindet sich im ersten Stock, dem «Piano nobile» des Schlosses; die dritte schliesslich erstreckt sich mit 155 m2 auf dem ehemaligen Estrich, auf den man durch den Turm gelangt.

Vor dem Umbau mussten sich die Architekten die Frage nach dem angemessenen Standard stellen. Wie soll man an einem Ort, der allen üblichen Konventionen trotzt, drei Wohnungen einbauen, die heutigen Anforderungen gerecht werden? Welche Schwachstellen der baulichen Elemente, die an sich nicht in ihrem derzeitigen Zustand konserviert werden können und dennoch prägend für den Ort sind, will man belassen?

Zwischen seinen Steinmauern offenbarte das Schloss eine Reihe von Kostbarkeiten, die den Eingriff der Architekten beeinflussten: Fresken aus dem 17. Jahrhundert, bemalte Schränke, das Originalparkett, ein Keramikofen und manches mehr. Aber das Bauwerk weist auch Schäden auf, beispielsweise eine geschwärzte Decke im Erdgeschoss, die gemäss den Archäologen auf die offene Feuerstelle in der ursprünglichen Küche zurückgehen könnte.

Sind solche Teile des Bestands im Sinn einer Geschichtsschreibung erhaltenswert oder ein Mangel? Die Arbeit von LVPH Architectes war geprägt von einem ständigen Abwägen zwischen dem Bewerten des Vorgefundenen und dem Entwerfen von speziell entwickelten Elementen, die sich deutlich vom Bestand abgrenzen.

Massgeschneiderter Umbau

Um auf die zutage tretenden Fundstücke reagieren zu können, verlief der Umbau in zwei Phasen. Die erste ermöglichte eine genaue Erfassung der vorhandenen Strukturen und die Sichtung verborgener Schätze des Schlosses, etwa einer Reihe von Terrakotta­fliesen, die aus dem Wiederaufbau nach dem Brand im 17. Jahrhundert stammen – darauf lässt eine eingravierte Inschrift in einer der Fliesen schliessen. Man bewahrte sie auf, um sie später in der Dachwohnung zu verlegen.

Um in der zweiten Phase die Einheitlichkeit des Umbaus zu gewährleisten und ihn von den vorhandenen Strukturen abzusetzen, wählten die Architekten zwei Hauptmaterialien aus: Tannenholz in Form von hell gebeizten quadratischen Holzstäben (4 cm × 4 cm), die sie modulweise verwendeten, und Messing für alle Sanitärinstallationen.
 

Die ausführliche Version dieses Artikels lesen Sie in TEC21 44/2019 «Sanieren im Denkmal: eine Frage des Standards».

 

Am Bau Beteiligte

 

Bauherrschaft: privat

Architektur: LVPH Architectes, Freiburg

HLKS-Planung: Pierre Chuard, Freiburg

Restaurierungen: Atelier Fasel, Tafers FR

Zimmermann: Jean Barras, Botterens FR

Restaurator und Möbelschreiner, Tannenholzmodule: La passion du bois, Belfaux FR

Maurerarbeiten: Constructions Frédéric Demierre, Chavannes-­sous-Orsonnens FR

Schmied: Fer & formes, Ropraz VD

Stuckateur und Maler: Eduardo Pedrosa & Fils, Granges-Paccot FR

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