Ri­si­ken bei Ganz­glas­ge­län­dern

Bei der Befestigung von Ganzglasgeländern rät ein Schadengutachter von integralen Lösungen ab. Delaminierungen und Undichtigkeiten sind voraussehbar, die Verantwortung sollte frühzeitig geklärt werden.

Publikationsdatum
18-03-2015
Revision
02-11-2015

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, ein Ganzglasgeländer herzustellen: Beim Eigenbau vom Metallbauer erstellt dieser eine U-förmige Unterkonstruktion, worin die Gläser kraftschlüssig eingespannt werden. Alternativen dazu sind Systemgeländer, die seit dem ersten Patent 2011 vermehrt erhältlich sind.

Ihre Unterkonstruktion besteht meist aus einem stranggepressten Längsprofil aus Aluminium. Sie sind vielfach mit Nuten versehen, in die örtliche Konsolen eingeschoben werden, die im Rohbau eingespannt sind. 

Eigenbauten und Systemgeländer sind a priori wertgleich, wobei die geeignete Lösung aufgrund statischer, bauphysikalischer und abdichtungstechnischer Kriterien zuwählen ist. Entscheidend ist dabei die Wahl zwischen integraler und aufgesetzter Bauweise.

Abdichtung im Fokus

Die aufgesetzte Montage basiert auf vormontierten Konsolen, an denen die Unterkonstruktion des Geländers befestigt wird. Diese Ausführung hat den Vorteil, dass die Zuständigkeiten  klar abgegrenzt sind.

Im Gegensatz dazu gilt die Konstruktion als integral, sobald sie zum Bestandteil der Gebäudehülle wird. Kritisch werden die Fugen zwischen Glas und Unterkonstruktion, die seitlichen Fugen bei den Randabschlüssen sowie die Glas- und Längsprofilstösse. Sobald diese reissen, was erfahrungsgemäss spätestens nach fünf Jahren erfolgt, tritt Wasser in die Konstruktion ein und verursacht verschiedenste Schadensarten. Trotz dem Füllen sämtlicher Fugen mit Dichtstoffmaterialien kann dies nicht verhindert werden.

Um dieses Problem zu lösen, bieten die Systemanbieter der integralen Ganzglassysteme eine Entwässerung dieser Stelle mittels örtlicher Röhrchen an. Unpräzise Ausführung, ungenügender Wasserdruck, Verschmutzung und Fehler im Bauablauf sprechen jedoch gegen eine technisch dauerhafte Ausführung. Spätestens nach 10 bis 15 Jahren stellt sich die Frage des Unterhalts der Wasserführung in der Wärmedämmung.

Der Standpunkt als Gutachter ist eindeutig; integrale Konstruktionen in der Gebäudehülle sind deplatziert und können hohe Schadenfolgekosten verursachen. Zudem ist die Frage der Verantwortung der Abdichtung ungelöst: Wenn ein Dachdecker und ein Metallbauer jeweils seine eigenen Abdichtungen erstellt, wird die klare Ursachenzuweisung im Schadenfall verhindert.

Delaminierung gehört dazu

Mit dem Einzug der Ganzglasarchitektur entsteht auch der Trend, Gläser rahmenlos zu verbauen. Dadurch können aber sichtbare Delaminierungen auftreten, die beim Produkt Verbundsicherheitsglas (VSG) unvermeidbar sind. Sie waren vor 20 Jahren auch schon vorhanden, wurden aber nicht wahrgenommen, da sie durch Rahmen rundum gefasst und abgedeckt waren. 

Das Problem ist auf die Laminierungsfolie aus Polyvinylbutyral (PVB) zurückzuführen, die die Feuchtigkeit aufnimmt und delaminieren kann. Solche Delaminationen mittels eines Handlaufs abzudecken, löst nicht das Problem, denn sie treten an vertikalen Kanten gleich häufig auf wie an horizontalen. Solche Kanten einzufassen beschleunigt das Phänomen sogar, da an dieser Stelle ein Mikroklima entstehen kann. Es tritt unabhängig von Witterung, Glasstärke oder Erhärtungsprozess der Gläser ein.

Die Möglichkeit der Delamination muss vor Auftragsvergabe angesprochen und die Verantwortung, falls sie das Problem dann auftritt, im Voraus geklärt werden. Vom Planer wird ein entsprechendes Fachwissen über Ganzglasgeländer vorausgesetzt: Spätestens wenn verschiedene Unternehmervarianten vorliegen, muss er in der Lage sein, einen technisch korrekten Entscheid mit der entsprechenden Verantwortung und den eventuellen Kostenfolgen zu tragen.

Das Geländer muss frühzeitig im Planungsprozess berücksichtigt werden. Bereits zur Ausschreibung gehört eine Geländerstatik mit nachgewiesenen konstruktiven Details. Die Konsolen der Geländer sind gemäss SIA 271 – Abdichtungen von Hochbauten – und den Angaben der «technischen Kommission Flachdach Gebäudehülle Schweiz» abzuschotten.

Zuständigkeit und Konstruktion

Um Schäden – auch für Personen – zu vermeiden, wird empfohlen, sich der Statik von sicherheitsrelevanten Bauteilen frühzeitig anzunehmen. Dazu gehört eine Abdichtungsvariante, bei der nur ein einziger  Unternehmer für die Dichtungsmassnahmen der Gebäudehülle verantwortlich ist. Dies verhindert unnötige Schuldzuweisungen.

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